Zwischen den Fronten
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Der junge Fotograf Sebastian Wells ist Mitglied von "Ostkreuz", der renommiertesten Fotografenagentur Deutschlands. Er war in Hongkong und hat die aktuellen Proteste vier Tage lang dokumentiert. Gerne wäre er länger geblieben, sagt er.
Es gebe regelmäßig einen gigantischen Presseblock zwischen den Demonstrierenden und der Polizei, sagt der Fotograf Sebastian Wells, der vier Tage lang die Proteste in Hong Kong fotografisch begleitet hat. "Viele lokale Journalisten sind dort und berichten live von den Geschehnissen. Das führt dazu, dass dieser Aufstand zu einem Schaulaufen um Bilder wird, um die alle Seiten geradezu betteln, sowohl die Demonstrierenden als auch die Polizei."
Entschlossenheit und Naivität Hand in Hand
Innerhalb der Demonstrationen könne man sich frei bewegen. Die meisten Journalisten oder Pressefotografen seien an ihren gelben Westen und dem Schriftzug "Press" erkennbar. Bei den Demonstranten habe er eine große Entschlossenheit feststellen können, so Wells. Er habe aber auch immer wieder Momente der Unsicherheit erlebt.
"Ich wurde zum Beispiel von einer jungen Demonstrantin gefragt, ob ich sie nicht für naiv halte. Wahrscheinlich muss man auch naiv sein, um zu protestieren. Ich kann diese Naivität aber gut nachvollziehen, denn das ist im Grunde meine Generation, die da protestiert. Am Ende ist es aber zwecklos, die Demonstranten haben früher oder später gegen Peking keine Chance."
Er versuche in angespannten Situationen, wie bei den Protesten, seinen Blick für das Fotogene zu bewahren, sagt Wells. "Wenn es dann brenzlig wird, oder einfach nur schnell und unübersichtlich, dann muss ich mich auf meine Intuition verlassen, um das Richtige zu tun und gleichzeitig auf meine Sicherheit achten, denn einen Schwall Tränengas in das Gesicht und in die Atemwege zu bekommen, das sollte man lieber lassen."
Er bedauere, dass er nicht länger bleiben konnte, sagt Wells. "Ich glaube, dass es in den nächsten Wochen irgendeine Form der 'Entscheidung' geben wird. Der Nationalfeiertag steht schließlich auch vor der Tür. Gefühlt bin ich auch noch halb in Hongkong. Ich hatte mich während meiner Zeit dort in die 'Telegram'-Gruppen eingeloggt, in denen sich die Demonstranten organisieren und Absprachen treffen, deswegen bin ich emotional noch ziemlich nah dran."