Fotografien von Bernhard Wicki

Von Thomas Senne · 22.06.2005
Man kennt Bernhard Wicki als Regisseur so herausragender Filme wie "Die Brücke" oder "Das Spinnennetz". Doch dass der 2000 verstorbene Regisseur auch als Fotograf arbeitete, war vielen nicht bekannt. Jetzt zeigt eine Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne 80 Originalfotografien von Bernhard Wicki aus den 50er Jahren.
Nein, Fotografien zu Sets des filmischen Welterfolgs "Die Brücke" sucht man in der Münchner Ausstellung vergebens. Denn Fotografie verstand Bernhard Wicki in erster Linie nicht als Mittel zum Zweck seines cineastischen Schaffens, sondern durchaus als ein eigenständiges ästhetisches Medium. Seine ersten Gehversuche in diesem Genre machte er in den 50er Jahren, zu einer Zeit, als er gerade als Schauspieler reüssierte. Ausschlaggebend für seine fortan radikale Hinwendung zur Fotografie war dabei eine Ausstellung in Luzern gewesen, sagt die Berliner Kuratorin der Schau, Inka Graeve Ingelmann.

"Bernhard Wicki, der ja früher ein sehr berühmter Theaterschauspieler im deutschsprachigen Raum war, besuchte 1952 die Weltausstellung der Fotografie in Luzern, und dort sieht er wirklich die Arbeiten der besten Fotografen seiner Zeit. Er sieht ein Bild von dem berühmten Kriegsfotografen Robert Capa und ist so faszinieret, dass er wirklich auf dem Schlag entscheidet, sich von seinem Schauspielengagement in München freistellen zu lassen, nach Paris zu gehen und anzufangen zu fotografieren. Und da ist er auch wirklich Autodiktat."

Und ein begabter noch dazu, den bei seinen fotografischen Exkursionen besonders Figuren am Rande der Gesellschaft interessieren, beispielsweise in verdreckten Jacketts steckende Clochards an der Seine, vom Leben gezeichnet, Metzger mit blutverschmierten Kitteln oder eine junge Frau mit verwischtem Lippenstift von einem Münchner Rummelplatz. Statt einer Glamourwelt zeigt Wicki auf seinen Original-Schwarzweißabzügen lieber bröckelnde Fassaden von Paris oder Wien, melancholische Hafenansichten aus Italien oder spielende Kinder mit einem Hauch von Tristesse: Fotos, die von den berühmten Magnum-Fotografen inspiriert sind, ohne dabei jedoch deren reporterhaft aufklärende Manier anzunehmen, Aufnahmen, die auch an Filme der italienischen Neo-Realisten erinnern.

Immer wieder werden in den weiß gehaltenen Kabinetten der Münchner Fotoschau diese spontan wirkenden Schnappschüsse jedoch mit den Porträts von berühmten Zeitgenossen kontrastiert wie Friedrich Dürrenmatt, Hildegard Knef, Horst Buchholz, Helmut Kräutner oder eine in ferne Welten blickende Romy Schneider. Die andere Seite von Bernhard Wickis fotografischem Kosmos: Inszenierte Bilder mit zum Teil dramatischen Effekten, wenn die in Pose gesetzten Prominenten von unten mit Licht angestrahlt werden.

Viele der jetzt in der Pinakothek der Moderne präsentierten Arbeiten entstanden auf Reisen, in Nordafrika etwa oder in Kenia. Glänzende Körper edler Farbiger mit einem Touch von Leni Riefenstahl sind zu sehen oder verschwommene Gruppenbilder in exotischer Landschaft mit grafisch-abstrakten Qualitäten: Malen mit der Rolleiflex oder Hasselblad.

Als Bernhard Wicki nach rund acht Jahren mit seinen Aufnahmen in der Öffentlichkeit Anerkennung findet und bald darauf "2 Gramm Licht" erscheint, ein kleiner Fotoband mit einem Essay von Friedrich Dürrenmatt, hört er plötzlich mit dem obsessiven Fotografieren 1959 ebenso überraschend auf, wie er einst damit begonnen hatte. Der Grund: sein Welterfolg als Regisseur mit dem Antikriegsfilm "Die Brücke".

Auch wenn in dieser Zeit das Filmen in den Lebensmittelpunkt von Bernhard Wicki rückte, war dieser noch in späteren Jahren immer wieder mit der Kamera unterwegs, verrät die Witwe des Künstlers, Elisabeth Wicki:

" Es ist so, dass er natürlich weiter fotografiert hat, aber nicht mehr so, dass er sich ausschließlich damit befasst hat. Er hat natürlich vor allen Dingen selber die Fotos gemacht, wenn er auf Motivsuche später für seine eigenen Filme gegangen ist. Da gibt es noch ein Riesenarchiv. Er hat sich dann eine Weile auf Dia konzentriert. Da hab ich auch ein Riesenarchiv. Also. Es ist noch lange nicht ausgeschöpft, das fotografische Werk meines Mannes mit diesen Bildern. Wobei sie natürlich überhaupt die authentischsten sind."

Es gibt also bei diesen Fotografien auch in Zukunft noch etwas zu entdecken. Die rund 80 in der Pinakothek der Moderne präsentierten Vintage-Prints machen jedenfalls neugierig auf das weitere fotografische Oeuvre von Bernhard Wicki. Die Münchner Schau ist eine Wiederentdeckung und eine gelungene Hommage an diesen Meister der Bilder, der durch Poesie überzeugt und durch den Druck auf den Auslöser - im richtigen Moment: ein Stilist und Flaneur mit der Kamera.