„Im politischen Denken und in der politischen Analyse ist der Kopf des Königs noch immer nicht gerollt.“
Philosophische Flaschenpost
Der französische Philosoph Michel Foucault war der Überzeugung, dass die politische Theorie revolutioniert werden muss. © picture alliance / dpa / AFP
Foucault und der Kopf des Königs
04:32 Minuten
Im politischen Denken sei der Kopf des Königs noch immer nicht gerollt, so der französische Meisterdenker Michel Foucault. Was meinte er damit – und was sagt uns das heute?
Michel Foucault war einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Der Einfluss seines Werkes auf die heutigen Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften ist riesig. Mitte der 70er-Jahre formuliert er in einer seiner Vorlesungen:
In diesem kurzen Satz steckt eine ganz zentrale These von Foucaults Denken, erklärt der Philosoph und Literaturwissenschaftler Joseph Vogl: Ab den 1960er-Jahren habe Foucault sich mit verschiedenen Machtkonstellationen auseinandergesetzt und daraus eine eigene Analyseform entwickelt, die sich insbesondere in seinen späteren Werken ab den 70er-Jahren auf das Verhältnis von Subjektivität, Wissen und Macht konzentriere.
Macht kann stimulieren
Dabei gehe Foucault von der Beobachtung aus, dass das Macht-Konzept in der Politischen Philosophie stark von der Idee repressiver Macht in Monarchien der frühen Moderne geprägt gewesen ist, so Vogl. Foucault richte seinen Blick auf andere Formen der Macht und erkenne: Macht kann auch produktiv sein.
„Dazu gehört, dass Macht nicht einfach nur Gesetze, Verbote, Zensuren erlässt, sondern auch stimulierend auf Diskurse wirkt, und dass Macht nicht große Super-Strukturen entwickelt, sondern sich im Handgemenge mit Individuen, mit Lüsten, mit inneren Regungen formiert und dort Milieus erzeugt, auf die sich dann größere Strukturen, wie etwa der Staat, stützen können“, erläutert Joseph Vogl.
Fratzen der Unterdrückung
Diese Formen der Macht seien in Foucaults Augen lange übersehen worden, zugunsten von Machtkonzepten, die an Souveränitäts-Begriffen und ökonomischen Besitzverhältnissen orientiert gewesen seien. „Jetzt ging es darum, den Kopf des Königs, wie in der Französischen Revolution mit Ludwig XVI., auch theoretisch rollen zu lassen“, so Vogl.
Foucault wollte Machtverhältnisse damit als dynamische, nicht als statische ausweisen, in denen ständig Konflikte ausgetragen werden. „Die Gesellschaft ist nie eine restlos befriedete“, sagt Vogl, "Foucault hat einmal formuliert: ‚Unter unseren Füßen brandet der Schlachtlärm'. Das heißt, vor der Wiederkehr von Souveränitätsgrimassen ist man nicht gefeit, und das merkt man heute in Formen der Autokratisierung der Politik, auch in europäischen oder westlichen Staaten."