Frachter gegen Fische
Die Elbvertiefung sorgt in Hamburg für Zündstoff. Für den Senat ist das Projekt alternativlos und wichtig für die Zukunftsfähigkeit des Hafens. Umweltschützer fürchten dagegen unabsehbare Folgen für Fische und Pflanzen.
"Odin" heißt das Spezialschiff. Zehn Meter hoch, 70 Meter lang, 500 PS stark. Ein schmutzig-oranger Eimerkettenbagger, ein Monstrum, das Stunde um Stunde mächtige Stahlkübel im Elbwasser versenkt, den schweren Boden vom Grund des Flusses baggert und ans Tageslicht hievt. "Odin" ankert mitten im Hamburger Hafen. Vor Dock 11 der Blohm & Voss-Werft. 14 Meter tief soll das Wasser hier sein und deshalb müssen Schiffsführer Harald Weldt und seine Mannschaft ran.
Weldt: "Diese Hafenbecken und der Strom hier, das Fahrwasser hier, das wird ab und an gepeilt. Ob da Sandablagerungen sind. Und jetzt hat man hier vor dem Dock 11 festgestellt, dass hier so eine Strecke ist, wo sich der Sand abgelagert hat. Und denn wird ein Plan ausgearbeitet und denn kriegen wir den Auftrag, dieses abzuarbeiten."
Harald Weldt behält auch beim Sprechen den Fluss im Auge. 63 Jahre alt, graue Haare und Schnauzer, Stoffkäppi, Brille. "Odin" arbeitet nahe der Elbmitte, sechs Anker an dicken Stahlseilen halten das Baggerschiff auf Position. Ein Stahlbottich nach dem anderen taucht aus dem dunklen Wasser. Randvoll mit dicken, festen schwarzgrauen Klumpen.
Weldt: "Sand und Kleie haben wir hier im Moment. Kleie ist hier diese schwarze Tonart. Kleie ist ein schwerer Boden!"
Die Bottiche tragen den Boden in die Höhe, befördern ihn über breite Edelstahlrutschen in zwei Frachtkähne, die rechts und links am "Odin" festgemacht sind. Wenn es nach dem Willen der Stadt Hamburg geht, soll "Odin" nicht nur die Schlickhaufen im Hafen wegbaggern, sondern den gesamten Flusslauf der Elbe, vom Hafen bis zur Mündung in die Nordsee, tiefer legen. Auf 100 Kilometern sollen Ablagerungen auf dem Elbgrund abgetragen werden, überall soll der Fluss mindestens vierzehneinhalb Meter tief sein. Schiffe mit diesem Tiefgang sollen ohne Probleme den Hafen ansteuern können. Gegen die Elbvertiefung haben der Hamburger Bund für Umwelt- und Naturschutz und der Naturschutzbund geklagt. Ende des Jahres wird das Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts erwartet.
Weldt: "Diese Hafenbecken und der Strom hier, das Fahrwasser hier, das wird ab und an gepeilt. Ob da Sandablagerungen sind. Und jetzt hat man hier vor dem Dock 11 festgestellt, dass hier so eine Strecke ist, wo sich der Sand abgelagert hat. Und denn wird ein Plan ausgearbeitet und denn kriegen wir den Auftrag, dieses abzuarbeiten."
Harald Weldt behält auch beim Sprechen den Fluss im Auge. 63 Jahre alt, graue Haare und Schnauzer, Stoffkäppi, Brille. "Odin" arbeitet nahe der Elbmitte, sechs Anker an dicken Stahlseilen halten das Baggerschiff auf Position. Ein Stahlbottich nach dem anderen taucht aus dem dunklen Wasser. Randvoll mit dicken, festen schwarzgrauen Klumpen.
Weldt: "Sand und Kleie haben wir hier im Moment. Kleie ist hier diese schwarze Tonart. Kleie ist ein schwerer Boden!"
Die Bottiche tragen den Boden in die Höhe, befördern ihn über breite Edelstahlrutschen in zwei Frachtkähne, die rechts und links am "Odin" festgemacht sind. Wenn es nach dem Willen der Stadt Hamburg geht, soll "Odin" nicht nur die Schlickhaufen im Hafen wegbaggern, sondern den gesamten Flusslauf der Elbe, vom Hafen bis zur Mündung in die Nordsee, tiefer legen. Auf 100 Kilometern sollen Ablagerungen auf dem Elbgrund abgetragen werden, überall soll der Fluss mindestens vierzehneinhalb Meter tief sein. Schiffe mit diesem Tiefgang sollen ohne Probleme den Hafen ansteuern können. Gegen die Elbvertiefung haben der Hamburger Bund für Umwelt- und Naturschutz und der Naturschutzbund geklagt. Ende des Jahres wird das Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts erwartet.
"Es ist ein bißchen wie beim Friseur"
Bis dahin darf im Hafen und im Flusslauf nur bis zur bisher genehmigten Tiefe ausgebaggert werden. Der Hamburger Senat ist der Meinung: ein Fahrwasser, dreizehneinhalb Meter tief, reicht nicht aus, es sollen vierzehneinhalb werden. Denn die Schiffe und der Tiefgang wachsen. Und sie schaffen nicht nur Waren, sondern auch Wirtschaftskraft, Steuereinnahmen in die Stadt. Für den Hamburger Senat und Schiffsführer Weldt ist das über 500 Millionen schwere Projekt alternativlos.
Weldt: "Das muss doch sein. Wie viele Leute arbeiten hier im Hamburger Hafen? Und die Elbe als solches wird ja nur an ein paar Stellen vertieft. Da, wo die Schiffe über so einen Puckel rüber müssen, die sie jetzt mit der Hochwasserwelle denn irgendwo meistern."
Nur ein paar Kuppen, ein paar Puckel sollen weg? Herbert Nix vom Aktionsbündnis "Rettet die Elbe" schüttelt den Kopf.
Nix: "Das ist ein bisschen so wie beim Friseur. Der schneidet auch immer erst nur die Haarspitzen weg. Und wenn sie das nächste Mal kommen, macht er ein bisschen mehr. Und dann nochmal mehr. Und dann haben sie plötzlich eine Glatze! Sieht auch nicht schön aus. Und das mit den Kuppen, das hört sich immer so lächerlich an …"
… schimpft Nix. Der graubärtige Aktivist sitzt im Sonnenschein am Fluss. Direkt gegenüber, auf der anderen Elbseite die riesigen Hallen des Flugbauers Airbus. Und lächerlich, so Nix, sind die Baggerarbeiten ganz und gar nicht. Vor fünfzehn Jahren hat er schon gegen die letzte, die achte Elbvertiefung seit 1818, gekämpft. Damals vergeblich. Und damals ging es um ganz andere Baggergutmengen als heute:
Nix: "Bei der letzten Elbvertiefung hat man genauso argumentiert: "Wir machen nur die Kuppen weg!" Da hat man ungefähr 13, 14 Millionen Kubikmeter auf der gesamten Unterelbe für die Vertiefung ausgebaggert. Bei der jetzigen Elbvertiefung - wo man auch nur die Kuppen wegmacht – sind es aber über 40 Millionen Kubikmeter Sand. Das heißt: es ist eine ganz andere Dimension!"
Und am Ende, so Nix, werden die Pflanzen und Tiere im und die Menschen am Fluss darunter leiden.
Nix: "Das ganze Gleichgewicht in diesem Ökosystem wird vollkommen durcheinander gebracht. Nicht nur durch die jetzige Elbvertiefung, sondern auch die anderen vorangegangenen. Aber hier wird das nach unserer Meinung nach wirklich soweit sein, dann ist es wirklich ein Wirtschaftskanal. Man kann dann nicht mehr viel retten."
Für Flüsse gilt "Verschlechterungsverbot"
Der Fluss wird sich verändern, die Wasserqualität leiden. Davon ist Manfred Braasch überzeugt. Er leitet den Bund für Umwelt- und Naturschutz in Hamburg. Er hat zusammen mit seinen Kollegen vom Nabu und Rechtsanwälten die vielen hundert Seiten des Planfeststellungsbeschluss studiert, hat nach Risiken für das ökologische Gleichgewicht gesucht. Und sie nach eigener Ansicht auch gefunden. Im Zentrum der Klage steht eine europäische Vorschrift: die so genannte Wasserrahmenrichtlinie.
Braasch: "Zu der Wasserrahmenrichtlinie haben wir in unserer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung einige Argumente aufgeführt, weil der Kern dieser Wasserrahmenrichtlinie sagt: wir dürfen unsere Flüsse nicht verschlechtern, sondern wir sollen sie sogar verbessern! Und in diesem Zusammenhang muss man eindeutig feststellen, dass die geplante Elbvertiefung die Tideelbe noch mal verschlechtern würde. Und da ein Konflikt mit der europäischen Wasserrahmenrichtlinie vorliegt."
Im Jahr 2000 wurde die Wasserrahmenrichtlinie verabschiedet. Seitdem gilt das so genannte "Verschlechterungsverbot": alle Eingriffe in das Ökosystem Fluss sind demnach verboten, wenn die Wasserqualität beeinträchtigt, das System aus dem Gleichgewicht gerät. Und genau das wird durch die Elbvertiefung passieren, ist sich Braasch sicher. Zum einen erhöhe sich die Fließgeschwindigkeit des Flusses.
Braasch: "Das führt dazu, das in den Randzonen, die Flachwasserzonen im Gewässer abnehmen. Diese Flachwasserzonen sind aber wichtige Rückzugsorte zum Beispiel für Jungfische in der Elbe. Sie haben mit einer Verschlechterung der Sauerstoffsituation zu rechnen. Wir haben in den Sommermonaten auf der Höhe Wedel/Blankenese regelrechte Sauerstofflöcher. Das ist sehr problematisch insbesondere für Wanderfische, die durch diese Barriere dann schwimmen müssten!"
… und mit jeder Vertiefung fließt die Elbe bei Ebbe nicht nur schneller in Richtung Nordsee. Vor allem bei Flut wird das salzige Meerwasser mit mehr Wucht und mehr Geschwindigkeit wieder stromaufwärts, in Richtung Hamburg gedrückt. Anfang des 20. Jahrhunderts änderte sich der Wasserstand in Hamburg mit den Gezeiten um einen Meter achtzig. Heute hat sich dieser Tidenhub auf drei Meter sechzig verdoppelt. Und der Bereich, in dem Fluss- und Meerwasser, Süß- und Salzwasser aufeinandertreffen, die Brackwasserzone, verschiebt sich immer weiter flussaufwärts.
Für viele Pflanzen ist der Hafen eine Barriere
In den letzten 50 Jahren wanderte diese Mischzone rund 30 Kilometer in Richtung Hafen. Und mit ihr die Lebensumgebung für eine seltene Pflanze, die Chancen hat, das ganze Großprojekt zu stoppen. Professor Kai Jansen vom Botanischen Institut der Uni Hamburg kennt die Pflanze, den Schrecken aller Elbvertiefer, sehr genau.
Jensen: "Die Pflanze wird ein Meter fünfzig, ein Meter achtzig, im Extremfall mal zwei Meter hoch. Der Schierlingswasserfenchel gehört zur Pflanze der Doldenblütler. Da sehen sie hier die weißen Dolden, die sozusagen wie ein Schirm die Pflanze überragen. Das ist eine zweijährige Pflanze, die stark zerschlitzte, gefiederte Blätter hat. Und damit auch besonders gut an diese Überflutung angepasst ist."
Weltweit gibt es noch rund 1000 dieser Pflanzen, erzählt Jensen. Und alle wachsen im Bereich der Tideelbe, in dem Teil des Flusses, dessen Ökosystem von Ebbe und Flut bestimmt ist. Wichtig für den Schierlingswasserfenchel ist vor allem ein besonderer Salzgehalt im Elbwasser. Und den gibt es nur in der Brackwasserzone. Die sich nach der Elbvertiefung stromaufwärts verschieben wird. Kann die geschützte Pflanze dann nicht einfach mitwandern, Stück für Stück, mit der Brackwasserzone flussaufwärts?
Jensen: "Im Prinzip könnten diese süßwasserbeeinflussten Tidebereiche weiter stromauf wandern. Wenn das Wehr in Geesthacht nicht wäre und zusätzlich auch: wenn der Hamburger Hafen nicht wäre! Denn für viele Pflanzen und Tiere ist halt der Hamburger Hafen selbst auch eine Barriere, die schwer zu überwinden ist!"
Bisher, das haben Jensen und seine Mitarbeiter herausgefunden, stehen dem Schierlingswasserfenchel rund 450 Hektar Fläche zur Verfügung. Nach der Elbvertiefung könnte die Fläche um bis zu 75 Hektar schrumpfen. Und die Ausgleichsflächen, die der Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung vorsieht, reichen nach Jensens Meinung bei weitem nicht aus, um den Eingriff zu kompensieren. In seiner Studie dazu – im Auftrag des Word Wildlife Funds – heißt es aber auch:
Jensen: "Es belegt auf gar keinen Fall, dass der Schierlingswasserfenchel aussterben würde. Der Gesamtlebensraum würde negativ beeinflusst werden. Inwiefern die Gesamtpopulationsgröße beeinflusst wird, das kann man eigentlich nicht wirklich verlässlich projizieren."
<i>Mit den Schiffen wächst der Tiefgang. Für den Hamburger Senat ist das über 500 Millionen schwere Projekt alternativlos. (Bild: AP)</i>
Aber wachsen wird die Population des Schierlingswasserfenchels sicher auch nicht. Der Botaniker Jensen sieht nicht nur die seltene Pflanze in Gefahr. Auch der Klimawandel könnte verstärkt werden. Bisher wird nämlich in großen Mengen Kohlenstoff – ein Bestandteil des klimaschädlichen Kohlendioxids – im Sediment der riesigen Flächen vor den Deichen gespeichert.
Jensen: "Diese Vordeichsflächen sind eben viel effektivere Kohlenstoffsenken als zum Beispiel Wälder, sogar als Regenwälder. Man kann halt davon ausgehen, dass ungefähr zwei Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr in diesen Vordeichsflächen festgelegt werden."
Und diese Flächen könnten schrumpfen, wenn der Flutstrom mit mehr Wucht als heute die Elbe hochdrückt, wenn die Schiffswellen mehr Sedimente als bisher schon wegschwemmen.
Aber wachsen wird die Population des Schierlingswasserfenchels sicher auch nicht. Der Botaniker Jensen sieht nicht nur die seltene Pflanze in Gefahr. Auch der Klimawandel könnte verstärkt werden. Bisher wird nämlich in großen Mengen Kohlenstoff – ein Bestandteil des klimaschädlichen Kohlendioxids – im Sediment der riesigen Flächen vor den Deichen gespeichert.
Jensen: "Diese Vordeichsflächen sind eben viel effektivere Kohlenstoffsenken als zum Beispiel Wälder, sogar als Regenwälder. Man kann halt davon ausgehen, dass ungefähr zwei Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr in diesen Vordeichsflächen festgelegt werden."
Und diese Flächen könnten schrumpfen, wenn der Flutstrom mit mehr Wucht als heute die Elbe hochdrückt, wenn die Schiffswellen mehr Sedimente als bisher schon wegschwemmen.
Todeszone Sauerstoffloch
Jensen legt bei seinen Erklärung viel Wert auf den Konjunktiv: die Elbvertiefung könnte viel Schaden für das Klima und die Pflanzenwelt anrichten. Sichere Vorhersagen kann er nicht machen. – Dafür aber sein Kollege Professor Ralf Thiel vom Zoologischen Institut der Uni Hamburg. Thiel untersucht die Tierwelt in der Elbe. Auf dem Tisch in seinem Büro stapeln sich Lehrbücher, daneben kleine und große Gläser, gefüllt mit kleinen und großen, toten Fischen in Konservierungsmittel. Durch die letzten und auch durch die geplante Elbvertiefung sterben immer mehr Fische, erklärt Thiel.
Thiel: "Dazu gehören solche Arten wie der Stint. Oder auch die Flunder, beides sehr bekannte Arten. Und wir finden ja beispielsweise im Bereich unmittelbar unterhalb von Hamburg – am Südufer gelegen – die wichtigsten Aufwuchsgebiete für diese Arten. Wir haben dort eine Fischproduktion, die ist zwanzig Mal höher als in allen anderen Bereichen der Tideelbe unterhalb von Hamburg. Und wenn diese Gebiete beeinträchtigt werden durch irgendwelche Maßnahmen oder auch durch die Klimaerwärmung, um das mal ins Spiel zu bringen, dann wird sich das natürlich auch auf die Fischfauna auswirken."
Zur tödlichen Gefahr wird den Fischen vor allem der Sauerstoffmangel in den Sommermonaten. Grund für dieses Sauerstoffloch sind winzige Lebewesen: das Phytoplankton, das Sauerstoff produziert. Der Oberlauf der Elbe, rund zwei Meter tief, spült die Kleinstlebenwesen in den Hamburger Hafen. In Tiefen bis 10, 12 oder 15 Meter. Dann fehlt das Sonnenlicht für die Sauerstoffproduktion. Das Plankton stirbt ab.
Thiel: "Und in dem Moment passiert folgendes: dass bei den Zersetzungsprozessen, die dann ablaufen, Sauerstoff gebraucht wird und verbraucht wird. Wir haben dann vermehrt sauerstoffzehrende Prozesse. Und diese Prozesse setzen sich natürlich auch unterhalb des Hamburger Hafens in den tiefen Bereichen der Elbe, vor allem im Fahrwasser dann immer weiter fort. Und je tiefer diese Bereiche sind, umso stärker laufen diese Prozesse ab. Deswegen ist es so, dass jede Vertiefung auch einen negativen Effekt auf den Sauerstoffgehalt hat."
Der Sauerstoffmangel bedroht nicht nur die Fische im und unterhalb des Hafens, sondern auch die wandernden Arten wie den Glasaal. Für diese Tiere, so Thiel, stellt das Sauerstoffloch eine kaum überwindbare Barriere auf ihrem Weg zu den Laichgebieten dar. Thiel verweist auf Forschungsergebnisse aus der Ems, die wieder und wieder vertieft wurde, damit die Kreuzfahrtschiffe der Papenburger Meyer-Werft genug Wasser unter dem Kiel haben.
Thiel: "Und wir haben tatsächlich in der Ems nachweislich heutzutage Situationen gerade in den Sommermonaten, da haben wir in großen Teilabschnitten null Milligramm Sauerstoff im Wasser. Das ist wirklich eine Todeszone. Da muss man sich vorstellen: da stirbt wirklich alles ab!"
Der Senator sieht eine bessere Zukunft für die Elbe
Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch kennt die Argumente gegen eine weitere Elbvertiefung. Er ist sicher: der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen die Europäische Wasserrahmenrichtlinie. Das Problem des Sauerstofflochs und das Fischsterben bestreitet Horch nicht.
Horch: "Diese Erscheinungen sind da. Die sind aber nicht vornehmlich darin zu sehen, dass wir hier mit einer Fahrrinnenanpassung zu tun haben. Das sind Temperatursituationen, die in den Sommermonaten entstehen können. Aber ich glaube, hier dieses Horrorszenario für den Hamburger Hafen aufzuzeigen, das ist einfach falsch und das ist auch in einer seriösen Darstellung nicht der Vorgang, den wir hier erkennen müssen."
Im Übrigen, so der Wirtschaftssenator, wurden auf dem viele hundert Seiten dicken Planfeststellungsbeschluss für die Vertiefung immer auch die Umwelteinflüsse des Projekts berücksichtigt. Er rechnet nicht damit, dass sich der Zustand des Flusses nach den Baggerarbeiten verschlechtert.
Horch: "Wir haben ja in der Kenntnis, das sich hier Veränderungen ergeben, dieses mit aufgenommen. Und das drückt da ja auch aus: dass wir bestimmte ökologische Vorgänge, die in ganz bestimmten Kausalitäten gesehen werden müssen, mit berücksichtigt haben. Auch in entsprechenden Ausgleichsflächen, in Unterwasserbauwerken, im Sedimentmanagement. Alles auch herausragend wichtige Voraussetzungen für die Zukunft. Und wir sagen, dass wir in unseren Verfahren der Elbe sogar eine bessere Zukunft voraussagen bezüglich aller Maßnahmen, die letztendlich hier mit auf den Weg gebracht worden sind."
Für den Schierlingswasserfenchel sollen – wenn auch kleine – Ausgleichsflächen geschaffen werden, erklärt Horch. Und auch um die Sorgen der Apfelbauern im Alten Land haben sich die Planer gekümmert. In einem der größten Obstanbaugebiete der Republik fürchten die Bauern um ihre Brunnen. Die könnten, wenn sich die Brackwasserzone verschiebt, versalzen, die Apfelbäume absterben. Dazu kommt: Beim Frühjahrsfrost besprühen die Apfelbauern die noch zarten Apfelblüten mit Wasser. Das schützt sie vor der Eiseskälte. Das Problem: Wenn das Wasser versalzt, gefriert es langsamer. Die Blüten würden absterben. Auch dafür haben die Planer der Elbvertiefung eine Lösung, erklärt Horch.
Horch: "Das sind gewisse Aufhaltebecken, die geschaffen werden müssen, um eben auch entsprechend salzfreies Wasser zu haben. Das ist aber eine reine Sicherheitsmaßnahme. Weil die Studien, die wissenschaftlichen Studien nicht eindeutig aufweisen, dass wir in allen Zonen eine weitere Versalzung haben werden. In der Zone 1 ja, dafür ist es erforderlich. Dafür wird es in den anderen Zonen aus wissenschaftlicher Sicht nicht auftreten. Aber trotzdem sind dafür vorsorglich solche Auffangbecken und Maßnahmen entsprechend vorgesehen, die dann errichtet werden müssten."
"Wenn der Bagger dreht, dann freuen wir uns."
Horchs Gegenspieler in Sachen Elbvertiefung, Manfred Braasch vom BUND, bleibt skeptisch: Die Ausgleichsmaßnahmen für den Schierlingswasserfenchel hält er für unzureichend. Und die in der Elbmündung geplanten künstlichen Unterwasserdämme, die den Flutstrom aus der Nordsee in den Fluss bändigen sollen, werden den Gewalten nicht standhalten und weggeschwemmt, glaubt Braasch.
Braasch: "Unterm Strich müssen wir jetzt erkennen, dass das Gesamtprojekt nicht mehr zu heilen ist. Dass der Eingriff in die Elbe aus unserer Sicht auch gar nicht mehr ausgleichbar ist. Weil zu viel auf dem Spiel steht."
Der Wissenschaftler Ralf Thiel von der Uni Hamburg hätte den Planern mit seiner Expertise gern bei der Vorbereitung des Projekts geholfen. Gefragt hat ihn niemand. Thiel ist überzeugt: Bei den Vorarbeiten zur Elbvertiefung waren die ökologischen Zusammenhänge ein wichtiges Thema. Viel Zeit und Geld wurde aufgebracht, damit die Folgen der Baggerarbeiten abgemildert werden können. Ausgeklammert wurden dagegen weitere Faktoren, die die Elbe zusätzlich belasten könnten. Zum Beispiel der Klimawandel.
Thiel: "Es ist eine additive Wirkung. Da ist die Elbvertiefung und zusätzlich haben wir noch die Prozesse des Klimawandels, Temperaturerhöhungen, die sich dann natürlich negativ auf den Sauerstoffgehalt auswirken kann. Und zum anderen die Erhöhung des Meeresspiegels, die man auch nicht vergessen sollte. Es werden ja prognostiziert, Erhöhungen des Meeresspiegels bis 2100 in einem Bereich von 0,5 und einem Meter. Da können sie sich vorstellen: Wenn man das berücksichtigt, dann wird es noch zu ganz anderen Verschiebungen der oberen Brackwassergrenze kommen in der Elbe, bedingt durch Klimawandel. Und nach meinem Dafürhalten müsste man eigentlich jeglichen Prozess, jeglichen Eingriff sehr kritisch betrachten, der hier noch etwas dazu beiträgt."
Die Mannschaft auf dem Baggerschiff "Odin" hat auch ohne Elbvertiefung gut zu tun. Schon heute spült die Nordseeflut Jahr für Jahr vier Millionen Tonnen Sediment elbaufwärts. "Odin" holt es wieder raus aus dem Fluss. Sonst verschlicken die Hafenbecken, könnten Schiffe auf Grund laufen. Schiffsführer Harald Weldt steht oben auf der Brücke, schaut zu, wie die Stahlbottiche aus dem Wasser tauchen, randvoll mit dem schwarzen Elbgrund. Er ist für die Elbvertiefung. Keine Frage.
Weldt: "Ja! Natürlich! Sehen Sie: das ist doch meine Arbeit hier, wenn der Bagger dreht, dann verdienen wir Geld. Und das ist doch das ganze Prinzip. Ich habe eine Familie zuhause. Die muss ernährt werden. Man braucht eben sein Geld. Und klar: wenn der Bagger dreht, dann freuen wir uns!"
Und natürlich, sagt er, werden die allergrößten Schiffe irgendwann nicht mehr vollbeladen Hamburg anlaufen können. Irgendwann muss man die Elbe mal in Ruhe lassen. Aber jetzt noch nicht, sagt Weldt. Noch soll der Bagger drehen, sich ganz bald den ganzen Fluss vornehmen.
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