Bleibt der Hamburger Hafen konkurrenzfähig?
Der Hafen Hamburg leidet unter dem drastischen Rückgang des Containerumschlags. Ein Grund ist die schwächelnde Weltwirtschaft - ein anderer die Elbe. Selbst wenn die Vertiefung doch noch umgesetzt wird, bleibt die Frage, ob Hamburg auf lange Sicht dem Tiefwasserhafen in Rotterdam trotzen kann.
Es geht nach oben. 30 Meter hoch, mit dem Fahrstuhl auf die hellgraue Containerbrücke an einer Kaikante im Hamburger Hafen. Durch Gittertore bis zur Katze. So heißt die vollverglaste, bewegliche Gondel, in der Chantal Arlan arbeitet. Chantal ist Brückenfahrerin, die Katze, ihre Gondel steuert sie per Joystick über den Schiffsrumpf des Containerfrachters, von oben guckt sie in die Tiefe und hievt an dicken Stahltrossen eine Transportbox nach der anderen an Deck.
"Wir laden hier gerade. Das heißt, die Container werden hier unten von den VCs abgestellt in den beiden Spuren. Das sind die großen Geräte auf den langen Beinen."
Die Brückenfahrerin konnte dabei zusehen, wie die Weltwirtschaft zusammenbrach. Im Frühjahr 2009 steuerten immer weniger Containerschiffe den Hamburger Hafen an. Ein paar Monate vorher war die New Yorker Lehman-Bank Pleite gegangen und der Finanz- folgte eine Wirtschaftskrise. 2008 wurden noch fast zehn Millionen Container in Hamburg umgeschlagen, ein Jahr später brach das Geschäft um rund 30 Prozent ein. Torsten Engelhardt ist Sprecher der HHLA und auch acht Jahre nach der Lehman-Pleite bleibt er vorsichtig mit Wachstumsprognosen:
"Wir gehen davon aus, dass das nicht mehr in der Größenordnung stattfinden wird wie wir das noch kennen aus der Zeit vor der Finanzkrise. Aber wir gehen von weiterem Wachstum im Containerumschlag aus ..."
… - obwohl die chinesische Wirtschaft mit Wachstumsrückgängen zu kämpfen hat, obwohl das traditionell starke Russland-Geschäft des Hamburger Hafens schon seit Jahren leidet.
"Wir haben deutliche Umschlagsrückgänge im Fahrtgebiet Russland. Wir können jetzt nicht sagen, ob es an den Sanktionen, liegt es an der Rezession. Wir sehen, dass er sich derzeit wieder etwas erholt auf einem etwas niedrigeren Niveau und wir gehen auch davon aus, dass sich diese Situation in Russland auch mittelfristig sicher auch wieder ändern wird."
Nicht nur die HHLA, die zu zwei Dritteln der Stadt Hamburg gehört, bekommt die Abkühlung der Weltwirtschaft zu spüren. Für den Konkurrenten Eurogate sieht es nicht viel besser aus. Dort sank die Zahl der umgeschlagenen Container im letzten Jahr um zwei Prozent. Beide Unternehmen sind von Umsatzeinbußen betroffen, die Gewinne schrumpften.
Die Erschütterungen der Weltwirtschaftskrise legten aber noch eine andere, vor allem für die Reedereien dramatische Fehlentwicklung offen. In der Vorkrisen-Dekade wurde der Markt mit immer mehr Riesenfrachtern geflutet. Die Banken, allen voran die deutschen Landesbanken hatten immer neue Fonds aufgelegt und ihren Anlegern prächtige Renditen versprochen. Die HSH Nordbank, die Landesbank von Schleswig-Holstein und Hamburg war vor acht Jahren der weltgrößte Schiffs-Finanzierer. Bis die Blase platzte. Heute bereitet das Bankhaus auf Anweisung der EU-Kommission den eigenen Ausverkauf vor. Die einst so stolzen Bankmanager räumen auf ihren Bilanzpressekonferenzen nun die Fehler ihrer Politik ein:
"Das haben wir gelernt. Es ist ein Über-Exposure gewesen in der Schifffahrt! Wir bleiben in der Schifffahrt drin, aber solange der Markt nicht funktioniert, machen wir auch nicht viel. Wenn er mal wieder funktionieren sollte in x Jahren, dann auf reduziertem Niveau."
Dramatische Situation kleiner Reedereien
Um die Bilanzen von notleidenden Schiffskrediten zu befreien, erklärte im Sommer HSH-Vorstandchef Stephan Ermisch, wurden über 250 Frachtschiffe mit einem Gesamtwert von mehr als vier Milliarden Euro an die Länder abgegeben. Viele Reeder können krisenbedingt nur noch die Zinsen für die einstigen Mega-Investitionen zahlen. Und noch immer sind viel zu viele Schiffe auf dem Markt.
Ein Teufelskreis: Zu viele Schiffe auf dem Markt führen zu niedrigen Frachtraten, also zu niedrigen Preisen pro transportiertem Container. Und genau diese niedrigen Frachtraten lassen die Umsätze der Reedereien absacken. Beschleunigt wurde dieser Prozess dadurch, dass nach dem Ausbruch der Krise die Transport-Aufträge ausblieben und die Reedereien sich gegenseitig mit immer niedrigeren Frachtraten unterboten. Besonders dramatisch ist die Situation für kleine Reedereien. Drei Hamburger Reeder hatten sich deshalb zusammengetan, um durch ein gemeinsames Management die Kosten zu senken. Petra Heinrich leitet die "Este-Ship-Management" im Alten Land, in Jork, auf der Südseite der Elbe:
"An die Post von der HSH sind wir mittlerweile gewöhnt. Das ist so, dass viele Schiffe zwangsverkauft werden mussten oder dass die Reedereien gezwungen wurden, die Schiffe in die Insolvenz zu geben. Es gibt wirklich nur noch ganz wenige Schiffe, die gut laufen. Die gibt es durchaus. Aber wenige. Und wir hoffen immer weiter, dass der Markt wieder nach oben geht, keine Frage."
Petra Heinrich und ihr Mann betreiben drei Containerschiffe. Sie hoffen, dass ihr Geschäft den Großen der Branche viel zu kleinteilig ist, dass ihnen die Kundschaft erhalten bleibt. Einer dieser Branchenriesen ist das Traditionshaus Hapag-Lloyd. Mit den niedrigen Frachtraten und einem harten Wettbewerb hat auch die Hamburger Reederei mit Sitz an der Hamburger Binnenalster zu kämpfen. Vor acht Jahren stieg die Stadt Hamburg mit mehreren hundert Millionen Euro bei dem Unternehmen ein und bewahrte es vor einer Übernahme.
Vor zwei Jahren fusionierte Hapag-Lloyd mit der chilenischen Großreederei CSAV und in diesem Jahr kam noch die United Arab Shipping Company UASC aus Kuwait dazu, um mit den mächtigen Wettbewerbern wie der dänischen Maersk-Gruppe, der MSC aus der Schweiz oder der französischen CMA CGM konkurrieren zu können. Trotzdem wird der Wettbewerbsdruck weiter anhalten, erwartet Prof. Jan Ninnemann von der Hamburger Consulting-Firma HTC.
"Die Konsolidierung hält dort an und inwieweit es gelingt, durch diese Konsolidierung den Markt jetzt mittelfristig zu stabilisieren, ist heute noch relativ schwierig abzusehen. Ich gehe noch nicht davon aus, dass dieser Konsolidierungsprozess, der sich da abzeichnet, dass der schon abgeschlossen ist. Da wird es sicher noch weitergehen in den nächsten Jahren."
Kann Hamburg dem Wettbewerber Rotterdam trotzen?
Und gerade erst hat die Pleite der südkoreanischen Hanjin-Reederei die Branche aufgerüttelt. – Nicht nur die Hamburger Reedereien, sondern der gesamte Hafenstandort hat noch mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen: Noch immer steht die schon vor 15 Jahren geplante so genannten "Fahrrinnenanpassung" der Elbe aus. Der Fluss soll von 13,5 auf 14,5 Meter Tiefe ausgebaggert werden, damit auch die größten Schiffe der Welt hier – möglichst unabhängig von Ebbe und Flut - ihre Ladung löschen oder abtransportieren können.
"Wesentlich kritischer ist aber – wenn man sich die Anzahl der großen Schiffe anschaut – die Frage: Zwei Schiffe, die mehr als 90 Meter Breite haben, können sich auf der Elbe nicht begegnen. Das heißt, dass, wenn wir relativ viele Großcontainerschiffe haben und das betrifft auch ein Kreuzfahrtschiff oder ein Massengutschiff, die also auf der Elbe sich nicht mehr begegnen können. Und wir also mehr oder weniger einen Einbahnstraßenverkehr haben zu den engen Tidezeiten, die wir haben, dann wird natürlich die Flexibilität weiter eingeschränkt!"
Und dann könnten Reeder irgendwann dem Hamburger Hafen den Rücken kehren und Rotterdam, einen Tiefwasserhafen anlaufen. Ende des Jahres wird eine Entscheidung des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts darüber erwartet, ob eine erneute, die dann zehnte Elbvertiefung mit dem europäischem Naturschutzrecht vereinbar ist. Schon heute leiden die Flora und Fauna der Elbe unter den Ausbaggerungen der letzten Jahrzehnte. Andererseits rechnen die Terminalbetreiber durch die heute sehr enge Taktung der Schiffsverkehre, die den Hafen oft nur auf der Flutwelle erreichen können, mit Zusatzkosten im zweistelligen Millionenbereich. Torsten Engelhardt, der Sprecher der Hamburger Hafen- und Logistik AG, der HHLA, warnt:
"Bei uns führt das inzwischen, zusammen mit Rahmenbedingungen, über die wir schon geredet haben, zu Mengenverlusten. Mengenverluste führen zu Einnahmeverlusten und das sind am Ende des Tages auch Einnahmeverluste für die Stadt Hamburg. Und für die Region. Wir haben im Jahr 2015 mehr als eine halbe Milliarde an Wertschöpfung für die Volkswirtschaft geleistet. Das sind Gehälter, das sind Steuern, das sind Dividenden, die sehr stark auch in der Stadt Hamburg landen."
Und die würden, wenn das Gericht die Baggerarbeiten in der Elbe stoppen sollte, geringer ausfallen. Falls der Fluss doch vertieft und verbreitert werden darf, wird es aller Voraussicht nach aber der letzte große Eingriff ins Ökosystem der Elbe sein. Kann Hamburg also auf lange Sicht dem Wettbewerber Rotterdam mit seinem Tiefwasserhafen trotzen? Torsten Engelhardt von der HHLA bejaht das:
"Es gibt Standortvorteile von Hamburg, die wird Rotterdam auch nicht kompensieren können. Wir sind 150 Kilometer im Inland. Und der Transport mit dem Schiff ist immer noch der günstigste, verglichen mit der Bahn oder dem LKW oder anderen Verkehrsmitteln. Wenn ich diese Fracht dann aber in Rotterdam ablege, dann muss ich von Rotterdam aus mit dem Zug nach Mittel- oder Osteuropa, da steigen die Transportkosten."
Außerdem, so Torsten Engelhardt würde rund ein Drittel der Schiffsladungen, die im Hafen gelöscht werden, in und um Hamburg weiterverarbeitet. Diese Ladung komme also in jedem Fall in der Hansestadt an. Und drittens, so Torsten Engelhardt, könnte der Rotterdamer Hafen nicht mit der Bahnanbindung im Hamburger Hafen konkurrieren:
"Allein von Hamburg aus fahren pro Tag mehr als 200 Züge. Das heißt, ich kriege meine Fracht relativ schnell von Hamburg aus zu bestimmten Zielen und zwar mit einem relativ günstigen Verkehrsmittel verglichen mit dem LKW."
Und aus diesen Gründen stehe die HHLA der Konkurrenz in Rotterdam und Antwerpen ganz gelassen gegenüber. Zu kämpfen haben alle Hafenstädte mit der schwächelnden Weltwirtschaft. Die einstigen Prognosen aus Vorkrisen-Zeiten von jährlich 25 Millionen in Hamburg umgeschlagenen Containern sind einer neuen Nüchternheit gewichen. Heute sind die Hamburger Hafenbetriebe froh, wenn es knapp neun Millionen Stahlboxen sind, die hier gelöscht oder verladen werden.