"Fracking ist eine Risikotechnologie"
In "Promised Land", der bei der Berlinale im Programm läuft, geht es um Fracking. Oliver Krischer, der Fachmann für Energiewirtschaft der Bundestagsfraktion der Grünen, sieht in dem Film keinen Propaganda-Film gegen diese Rohstoffgewinnung, sondern ein Werk, das zur Beschäftigung mit dem Thema anregt.
Ulrike Timm: Ein Film ist gerade bei der Berlinale zu Ende gegangen, der in den USA viel Staub aufgewirbelt hat. Einmal natürlich, weil Matt Damon mitspielt, vor allem aber, weil "Promised Land", "Versprochenes Land", ein Umweltthema aufgreift und auch kritisiert, das in den USA derzeit den Energiemarkt entscheidend mitbestimmt, Fracking nämlich. Da wird aus tiefsten Schieferschichten Gas gewonnen, indem man große Mengen Sand und Wasser und wohl auch allerhand Chemikalien ins Gestein schleudert. Die Hoffnung: Riesen-Vorräte zu bergen und dadurch unabhängig zu werden. Matt Damon spielt nun einen Unternehmensvertreter der Gasindustrie, der den verarmten Farmern Land abkaufen soll für diese Form der Energiegewinnung, der sich erst freut, wie leicht das geht und der zunehmend in Schwierigkeiten gerät, auch mit dem eigenen Gewissen, als sich nämlich herausstellt, wie groß die Umweltbelastung durch dieses Fracking ist. "Promised Land", gerade gezeigt bei der Berlinale, und Matt Damon sagte dazu:
"Wir wollten nur zeigen, was passiert. Es war interessant für uns. Wir sind in den Westen von Pennsylvania gefahren, dort ist das Fracking ein sehr akutes Thema. Jeder hat eine Meinung. Am ersten Drehtag kamen gleich Leute zu uns und fragten: Machen Sie einen Film über das Fracking? Sagen Sie nichts Schlimmes! Diese Pachtverträge haben uns gerettet. Am nächsten Tag kam jemand und sagte: Das Fracking ist fürchterlich, es polarisiert. Das wollten wir einfangen. Wir wollten kein Urteil abgeben, sondern zeigen, was in diesen Orten passiert."
Timm: Matt Damon, gerade eben bei der Berlinale über seinen Film "Promised Land", in dem er, ja, ein bisschen vom Saulus zum Paulus wird, denn der Unternehmensvertreter kriegt zunehmend Skrupel wegen der Sache, die er vertritt, dieser neuen Energiegewinnungsform Fracking. Wir sprechen darüber mit Oliver Krischer, der Fachmann für Energiewirtschaft der Bundestagsfraktion der Grünen. Ihm brennt natürlich das Thema auf der Seele. Ob auch der Film, das sagt er uns gleich. Schönen guten Tag, Herr Krischer.
Oliver Krischer: Hallo, Frau Timm!
Timm: Herr Krischer, das ist ja eine ungewohnte Rolle für Sie: Sie saßen bis vor ein paar Minuten noch im Kinosessel bei der Berlinale, der Sessel ist fast noch warm - wie hat Ihnen der Film gefallen? Ist es der angekündigte Öko-Thriller gewesen?
Krischer: Ja, es ist völlig unerwartet für mich gewesen. Ich habe einen Öko-Thriller erwartet, aber der Film ist ganz anders. Ich würde eher sagen, es ist ein Stück weit eine sehr interessante, auch sehr unterhaltsame, aber eher eine Milieustudie über den ländlichen Raum, über das ländliche Amerika. Das Thema Fracking, wer da einen Dokumentarfilm oder Bohrtürme erwartet oder viel Action, der wird sicherlich bei diesem Film enttäuscht sein. Es ist ein sehr ruhiger Film, aber auch ein sehr wendungsreicher Film, aber es wird schon deutlich, was so eine Rohstoffgewinnung mit einer Gemeinde, mit einer kleinen Gemeinde, die bisher, ja, hauptsächlich von der Landwirtschaft gelebt hat, machen kann, wie da, bevor überhaupt eine Rohstoffgewinnung los geht, alles verändert wird.
Timm: Und Matt Damon geht, ganz buchstäblich, von Tür zu Tür und versucht, Land zu kaufen für diesen Energiekonzern, der dann bohren will. Und er wird nach und nach immer nachdenklicher. Haben Sie ihm das abgenommen, diese Filmrolle?
Krischer: Ja, es ist schon so, dass er natürlich merkt, dass das, was er da tut, eigentlich dazu führt, dass es den Leuten am Ende nicht viel bringt. Da erlebt man dann so Szenen, wo plötzlich arme Bauern, die am Existenzminimum wirtschaften, zu Reichtum kommen oder zu Geld kommen und das dann in einen Sportwagen investieren. Und die Auseinandersetzungen im Ort beginnen, also wo der Zusammenhalt dann auch droht zu kippen, weil es unterschiedliche Meinungen gibt. Ich glaube, er verkörpert das schon ganz authentisch, dass er zu zweifeln beginnt, ob das die richtige Rolle ist, die er wahrnimmt. Und spätestens dann, als er merkt, dass der Konzern ziemlich doppelbödig arbeitet, bei dem er da sein Geld verdient, spätestens da, glaube ich, ist es sehr authentisch, dass er nachdenklich wird und ein Stück weit da auch die Seiten wechselt.
Timm: In Amerika waren die Kritiken nicht besonders gut. Zum einen, weil die Staaten derzeit sehr auf Fracking setzen, und zwar von rechts bis links. Also die Gewinnung von Gas, indem man den Boden beschießt, fasziniert dort sehr, weil man sich Unabhängigkeit von der Energieversorgung erhofft, stärkere Unabhängigkeit. Nun hat Matt Damon diesen Film aber auch sehr pädagogisch bestritten. Das war ein Kritikpunkt in den USA. Sehen Sie das ähnlich? Sollten wir die ganze Zeit was lernen oder hat sich Ihnen auch die Story mitgeteilt?
Krischer: Ja, es ist gar nicht so, dass jetzt das Thema Fracking oder Umwelt im Vordergrund steht, natürlich spielt das immer im Hintergrund mit, sondern es ist eher dann, ich würde sagen, etwas moralisch. So das Gute und Böse und die guten Menschen und die schlechten Menschen. Das steht ein Stück weit im Vordergrund. Also da kann ich die Kritik schon verstehen. Das ist sehr amerikanisch, das ist etwas, wie man es auch aus dem Hollywood-Kino kennt. Man muss allerdings dazu sagen, der Film bezieht am Ende gar nicht so klar Stellung, ob jetzt Fracking gut oder schlecht für die Region, für die USA ist. Wer da eine klare Aussage erwartet, dass das in die eine oder andere Richtung geht, der wird sicherlich enttäuscht, weil der Zuschauer bleibt ein bisschen nachher dann zurück und denkt über das Thema nach: Was ist jetzt die Botschaft, wie würde ich mich in der Situation verhalten. Ich persönlich finde das aber gar nicht schlecht, weil es regt zum Nachdenken an, es regt zur Beschäftigung mit dem Thema an.
Timm: Eben hat das ja Matt Damon ähnlich formuliert: Wir zeigen die beiden Seiten, die es gibt, und wir wollten vielleicht auch gar nicht so werten. Wir sprechen mit Oliver Krischer, dem Fachmann für Energiewirtschaft der grünen Bundestagsfraktion, über den gerade gezeigten Film von Gus Van Sant, "Promised Land" mit Matt Damon in der Hauptrolle, gerade bei der Berlinale zu sehen. Und Oliver Krischer brachte ihm natürlich auch fachliches Interesse entgegen. Sie sind ein ganz dezidierter Gegner dieser Form der Energiegewinnung, des Frackings. Warum? Ist doch klasse, wenn die Vorräte geradezu unendlich sind und das Gas billiger wird.
Krischer: Ja, die Frage ist ja, zu welchem Preis erkauft man sich das? Fracking ist ja eine Methode, wo Chemikalien in den Untergrund mit Wasser gepresst werden. Man sprengt Gesteinsschichten auf, Gifte können unter Umständen ins Trinkwasser gelangen. Das ist eine Risikotechnologie, das muss man einfach so sagen. Und in den USA wird das ja inzwischen in vielen Bundesstaaten praktiziert, und die Probleme sind an vielen Stellen auch schon erkennbar. Und wie bei solchen Rohstoffförderungen das oft so ist, am Ende machen einzelne Konzerne dann die Gewinne und dann, wenn die Vorräte ausgebeutet sind, bleiben die Altlasten in Form von vergiftetem Trinkwasser, vergiftetem Grundwasser zurück. Und die Menschen, die dort weiter leben müssen, haben die entsprechenden Schwierigkeiten. Das ist das ganz große Problem mit dieser Technologie, dass sie eigentlich einen Gas-Boom auslöst, aber das wahrscheinlich nur sehr kurzzeitig wird und dann zum Wohle einiger Weniger, und später dann bleiben halt die Altlasten da.
Timm: Matt Damon ist einer der Ersten, der mit diesem Film - wenn auch meistens indirekt, das haben Sie uns beschrieben - dieses Thema in Amerika auch mal zur Diskussion stellt. Denn, wenn man sich ein bisschen einliest, dann waren die letzten Jahre sich doch alle ziemlich einig, Demokraten wie Republikaner: Es ist eine gute Alternative! Dass diese Alternative zu starker Umweltbelastung führen kann, das hat man sich gar nicht so klar gemacht. In dem Film "Promised Land" gibt es eine Szene, wo ein Lehrer seiner Schulklasse vorführt, wie man ja mit Gas und Matsch das macht. Und da geht dann ein Spielzeugbauernhof in die Luft, wird abgefackelt. Fanden Sie das ein gutes Bild oder ist Ihnen das zu niedlich gewesen?
Krischer: Ja, das ist sehr überpointiert. Also das ist eine Form, wo jeder seriöse Fachmann sagen würde, ja nun, so einfach ist es nicht. Aber um anschaulich zu machen, das da auch Probleme mit Fracking verbunden sind, was in der Tat in den USA lange Zeit zumindest von der breiten Öffentlichkeit nicht gesehen worden ist, ist es vielleicht ganz anschaulich und führt dazu, dass die Leute sich schon fragen: Warum macht der das, warum wird das so dargestellt? Also ich denke, in den USA ist der Film durchaus auch ein Beitrag dazu, auch die Debatte über Fracking und über das, was das langfristig bedeutet, tatsächlich zu befördern. Wir hatten in den USA ja sogar zeitweise eine Situation, dass Umweltschützer, Umweltverbände das gut fanden. Dann sagen die: Okay, wir wollen diese Gasgewinnung mittels giftiger Chemikalien, weil dadurch der Kohleabbau zurückgedrängt werden kann. Das hat sich in der Zwischenzeit aber auch verändert. Es gibt inzwischen auch in den USA, zumindest auf der Fachebene und in vielen Umweltorganisationen eine sehr, sehr kritische Debatte dazu. Es ist auch eine kritische öffentliche Diskussion in Zeitungen, in Nachrichtensendungen inzwischen da. Und ich denke, der Film ist ein Stück weit auch Ausdruck dessen, aber es ist kein Film, der sich jetzt fachlich detailliert mit der Technik und im Detail den Risiken auseinandersetzt. Da muss man einen Dokumentarfilm gucken. Sondern er ist ein Film, der einfach zeigt, was die Menschen mit einem solchen Rohstoff-Boom - was mit den Menschen dort geschieht.
Timm: Matt Damon ist ein erklärter Öko, und er hat an diesem Film "Promised Land" auch selber mit geschrieben. Er ist vielleicht auch ein guter Werbeträger für ökologische und politische Themen in den USA. Was meinen Sie, "Promised Land" - hätte dieser Film die Chance, als, ja, ich sag mal, Werbevorführung gegen die Gasindustrie bei den Grünen?
Krischer: Also ich glaube, gerade dadurch, dass der Film eben nicht klar Stellung bezieht, und dass man eben gar nicht so sehr jetzt das, was ich erwartet hatte, Bohrtürme sieht oder dass man politische Debatten oder sonst etwas gar nicht so erkennt, sondern dass er von einer ganz anderen Seite daran kommt, die Menschen zeigt, die auf der einen Seite den Konzern vertreten, dann die Betroffenen, die in einer, ja, in einem Zwiespalt, in einer Zwickmühle sind: Opfern sie ihr Land für die Rohstoffgewinnung oder bleiben sie weiter arm? Dadurch regt er zur Beschäftigung an, und ich denke, auch in Deutschland kann das interessant sein, und man kann diesen Film durchaus auch in Gegenden zeigen, wir haben ja eine Reihe Regionen in Deutschland, in Niedersachsen, im Münsterland, in Nordrhein-Westfalen, in Hessen, in Teilen von Thüringen und Sachsen-Anhalt, da wo Fracking, ja, wo Unternehmen dabei sind, diese Technik anzuwenden oder anwenden wollen -, dass das schon noch mal einen ganz anderen Zugang eröffnet, auch gerade für Leute, die jetzt gar nicht so sehr mit der Technik im Detail beschäftigen wollen, sondern einfach auch wissen wollen, was passiert denn hier bei uns, was wird das denn heißen für unser Dorf, für unsere Gemeinschaft, wenn da plötzlich so Leute von einem Konzern vor der Tür stehen und sagen: Ja, hier hast du so und so viel Tausend Dollar, du wirst mit so und so viel Prozent am Gewinn aus der Gasgewinnung beteiligt. Würdest du dann unterschreiben oder würdest du nicht unterschreiben. Und das, glaube ich, ist schon eine spannende Frage und ein Film, der da auch zum Nachdenken anregen könnte.
Timm: Oliver Krischer, Fachmann für Energiewirtschaft der Bundestagsfraktion der Grünen in ungewohnter Doppelrolle. Hat ihm aber, glaube ich, Spaß gemacht. Er war bei uns, für uns bei der Berlinale und sah den Film "Promised Land" über die Energiegewinnung, das Fracking, mit Matt Damon in der Hauptrolle. Herr Krischer, ich danke Ihnen und wünsche noch viel Spaß auf der Berlinale!
Krischer: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
"Wir wollten nur zeigen, was passiert. Es war interessant für uns. Wir sind in den Westen von Pennsylvania gefahren, dort ist das Fracking ein sehr akutes Thema. Jeder hat eine Meinung. Am ersten Drehtag kamen gleich Leute zu uns und fragten: Machen Sie einen Film über das Fracking? Sagen Sie nichts Schlimmes! Diese Pachtverträge haben uns gerettet. Am nächsten Tag kam jemand und sagte: Das Fracking ist fürchterlich, es polarisiert. Das wollten wir einfangen. Wir wollten kein Urteil abgeben, sondern zeigen, was in diesen Orten passiert."
Timm: Matt Damon, gerade eben bei der Berlinale über seinen Film "Promised Land", in dem er, ja, ein bisschen vom Saulus zum Paulus wird, denn der Unternehmensvertreter kriegt zunehmend Skrupel wegen der Sache, die er vertritt, dieser neuen Energiegewinnungsform Fracking. Wir sprechen darüber mit Oliver Krischer, der Fachmann für Energiewirtschaft der Bundestagsfraktion der Grünen. Ihm brennt natürlich das Thema auf der Seele. Ob auch der Film, das sagt er uns gleich. Schönen guten Tag, Herr Krischer.
Oliver Krischer: Hallo, Frau Timm!
Timm: Herr Krischer, das ist ja eine ungewohnte Rolle für Sie: Sie saßen bis vor ein paar Minuten noch im Kinosessel bei der Berlinale, der Sessel ist fast noch warm - wie hat Ihnen der Film gefallen? Ist es der angekündigte Öko-Thriller gewesen?
Krischer: Ja, es ist völlig unerwartet für mich gewesen. Ich habe einen Öko-Thriller erwartet, aber der Film ist ganz anders. Ich würde eher sagen, es ist ein Stück weit eine sehr interessante, auch sehr unterhaltsame, aber eher eine Milieustudie über den ländlichen Raum, über das ländliche Amerika. Das Thema Fracking, wer da einen Dokumentarfilm oder Bohrtürme erwartet oder viel Action, der wird sicherlich bei diesem Film enttäuscht sein. Es ist ein sehr ruhiger Film, aber auch ein sehr wendungsreicher Film, aber es wird schon deutlich, was so eine Rohstoffgewinnung mit einer Gemeinde, mit einer kleinen Gemeinde, die bisher, ja, hauptsächlich von der Landwirtschaft gelebt hat, machen kann, wie da, bevor überhaupt eine Rohstoffgewinnung los geht, alles verändert wird.
Timm: Und Matt Damon geht, ganz buchstäblich, von Tür zu Tür und versucht, Land zu kaufen für diesen Energiekonzern, der dann bohren will. Und er wird nach und nach immer nachdenklicher. Haben Sie ihm das abgenommen, diese Filmrolle?
Krischer: Ja, es ist schon so, dass er natürlich merkt, dass das, was er da tut, eigentlich dazu führt, dass es den Leuten am Ende nicht viel bringt. Da erlebt man dann so Szenen, wo plötzlich arme Bauern, die am Existenzminimum wirtschaften, zu Reichtum kommen oder zu Geld kommen und das dann in einen Sportwagen investieren. Und die Auseinandersetzungen im Ort beginnen, also wo der Zusammenhalt dann auch droht zu kippen, weil es unterschiedliche Meinungen gibt. Ich glaube, er verkörpert das schon ganz authentisch, dass er zu zweifeln beginnt, ob das die richtige Rolle ist, die er wahrnimmt. Und spätestens dann, als er merkt, dass der Konzern ziemlich doppelbödig arbeitet, bei dem er da sein Geld verdient, spätestens da, glaube ich, ist es sehr authentisch, dass er nachdenklich wird und ein Stück weit da auch die Seiten wechselt.
Timm: In Amerika waren die Kritiken nicht besonders gut. Zum einen, weil die Staaten derzeit sehr auf Fracking setzen, und zwar von rechts bis links. Also die Gewinnung von Gas, indem man den Boden beschießt, fasziniert dort sehr, weil man sich Unabhängigkeit von der Energieversorgung erhofft, stärkere Unabhängigkeit. Nun hat Matt Damon diesen Film aber auch sehr pädagogisch bestritten. Das war ein Kritikpunkt in den USA. Sehen Sie das ähnlich? Sollten wir die ganze Zeit was lernen oder hat sich Ihnen auch die Story mitgeteilt?
Krischer: Ja, es ist gar nicht so, dass jetzt das Thema Fracking oder Umwelt im Vordergrund steht, natürlich spielt das immer im Hintergrund mit, sondern es ist eher dann, ich würde sagen, etwas moralisch. So das Gute und Böse und die guten Menschen und die schlechten Menschen. Das steht ein Stück weit im Vordergrund. Also da kann ich die Kritik schon verstehen. Das ist sehr amerikanisch, das ist etwas, wie man es auch aus dem Hollywood-Kino kennt. Man muss allerdings dazu sagen, der Film bezieht am Ende gar nicht so klar Stellung, ob jetzt Fracking gut oder schlecht für die Region, für die USA ist. Wer da eine klare Aussage erwartet, dass das in die eine oder andere Richtung geht, der wird sicherlich enttäuscht, weil der Zuschauer bleibt ein bisschen nachher dann zurück und denkt über das Thema nach: Was ist jetzt die Botschaft, wie würde ich mich in der Situation verhalten. Ich persönlich finde das aber gar nicht schlecht, weil es regt zum Nachdenken an, es regt zur Beschäftigung mit dem Thema an.
Timm: Eben hat das ja Matt Damon ähnlich formuliert: Wir zeigen die beiden Seiten, die es gibt, und wir wollten vielleicht auch gar nicht so werten. Wir sprechen mit Oliver Krischer, dem Fachmann für Energiewirtschaft der grünen Bundestagsfraktion, über den gerade gezeigten Film von Gus Van Sant, "Promised Land" mit Matt Damon in der Hauptrolle, gerade bei der Berlinale zu sehen. Und Oliver Krischer brachte ihm natürlich auch fachliches Interesse entgegen. Sie sind ein ganz dezidierter Gegner dieser Form der Energiegewinnung, des Frackings. Warum? Ist doch klasse, wenn die Vorräte geradezu unendlich sind und das Gas billiger wird.
Krischer: Ja, die Frage ist ja, zu welchem Preis erkauft man sich das? Fracking ist ja eine Methode, wo Chemikalien in den Untergrund mit Wasser gepresst werden. Man sprengt Gesteinsschichten auf, Gifte können unter Umständen ins Trinkwasser gelangen. Das ist eine Risikotechnologie, das muss man einfach so sagen. Und in den USA wird das ja inzwischen in vielen Bundesstaaten praktiziert, und die Probleme sind an vielen Stellen auch schon erkennbar. Und wie bei solchen Rohstoffförderungen das oft so ist, am Ende machen einzelne Konzerne dann die Gewinne und dann, wenn die Vorräte ausgebeutet sind, bleiben die Altlasten in Form von vergiftetem Trinkwasser, vergiftetem Grundwasser zurück. Und die Menschen, die dort weiter leben müssen, haben die entsprechenden Schwierigkeiten. Das ist das ganz große Problem mit dieser Technologie, dass sie eigentlich einen Gas-Boom auslöst, aber das wahrscheinlich nur sehr kurzzeitig wird und dann zum Wohle einiger Weniger, und später dann bleiben halt die Altlasten da.
Timm: Matt Damon ist einer der Ersten, der mit diesem Film - wenn auch meistens indirekt, das haben Sie uns beschrieben - dieses Thema in Amerika auch mal zur Diskussion stellt. Denn, wenn man sich ein bisschen einliest, dann waren die letzten Jahre sich doch alle ziemlich einig, Demokraten wie Republikaner: Es ist eine gute Alternative! Dass diese Alternative zu starker Umweltbelastung führen kann, das hat man sich gar nicht so klar gemacht. In dem Film "Promised Land" gibt es eine Szene, wo ein Lehrer seiner Schulklasse vorführt, wie man ja mit Gas und Matsch das macht. Und da geht dann ein Spielzeugbauernhof in die Luft, wird abgefackelt. Fanden Sie das ein gutes Bild oder ist Ihnen das zu niedlich gewesen?
Krischer: Ja, das ist sehr überpointiert. Also das ist eine Form, wo jeder seriöse Fachmann sagen würde, ja nun, so einfach ist es nicht. Aber um anschaulich zu machen, das da auch Probleme mit Fracking verbunden sind, was in der Tat in den USA lange Zeit zumindest von der breiten Öffentlichkeit nicht gesehen worden ist, ist es vielleicht ganz anschaulich und führt dazu, dass die Leute sich schon fragen: Warum macht der das, warum wird das so dargestellt? Also ich denke, in den USA ist der Film durchaus auch ein Beitrag dazu, auch die Debatte über Fracking und über das, was das langfristig bedeutet, tatsächlich zu befördern. Wir hatten in den USA ja sogar zeitweise eine Situation, dass Umweltschützer, Umweltverbände das gut fanden. Dann sagen die: Okay, wir wollen diese Gasgewinnung mittels giftiger Chemikalien, weil dadurch der Kohleabbau zurückgedrängt werden kann. Das hat sich in der Zwischenzeit aber auch verändert. Es gibt inzwischen auch in den USA, zumindest auf der Fachebene und in vielen Umweltorganisationen eine sehr, sehr kritische Debatte dazu. Es ist auch eine kritische öffentliche Diskussion in Zeitungen, in Nachrichtensendungen inzwischen da. Und ich denke, der Film ist ein Stück weit auch Ausdruck dessen, aber es ist kein Film, der sich jetzt fachlich detailliert mit der Technik und im Detail den Risiken auseinandersetzt. Da muss man einen Dokumentarfilm gucken. Sondern er ist ein Film, der einfach zeigt, was die Menschen mit einem solchen Rohstoff-Boom - was mit den Menschen dort geschieht.
Timm: Matt Damon ist ein erklärter Öko, und er hat an diesem Film "Promised Land" auch selber mit geschrieben. Er ist vielleicht auch ein guter Werbeträger für ökologische und politische Themen in den USA. Was meinen Sie, "Promised Land" - hätte dieser Film die Chance, als, ja, ich sag mal, Werbevorführung gegen die Gasindustrie bei den Grünen?
Krischer: Also ich glaube, gerade dadurch, dass der Film eben nicht klar Stellung bezieht, und dass man eben gar nicht so sehr jetzt das, was ich erwartet hatte, Bohrtürme sieht oder dass man politische Debatten oder sonst etwas gar nicht so erkennt, sondern dass er von einer ganz anderen Seite daran kommt, die Menschen zeigt, die auf der einen Seite den Konzern vertreten, dann die Betroffenen, die in einer, ja, in einem Zwiespalt, in einer Zwickmühle sind: Opfern sie ihr Land für die Rohstoffgewinnung oder bleiben sie weiter arm? Dadurch regt er zur Beschäftigung an, und ich denke, auch in Deutschland kann das interessant sein, und man kann diesen Film durchaus auch in Gegenden zeigen, wir haben ja eine Reihe Regionen in Deutschland, in Niedersachsen, im Münsterland, in Nordrhein-Westfalen, in Hessen, in Teilen von Thüringen und Sachsen-Anhalt, da wo Fracking, ja, wo Unternehmen dabei sind, diese Technik anzuwenden oder anwenden wollen -, dass das schon noch mal einen ganz anderen Zugang eröffnet, auch gerade für Leute, die jetzt gar nicht so sehr mit der Technik im Detail beschäftigen wollen, sondern einfach auch wissen wollen, was passiert denn hier bei uns, was wird das denn heißen für unser Dorf, für unsere Gemeinschaft, wenn da plötzlich so Leute von einem Konzern vor der Tür stehen und sagen: Ja, hier hast du so und so viel Tausend Dollar, du wirst mit so und so viel Prozent am Gewinn aus der Gasgewinnung beteiligt. Würdest du dann unterschreiben oder würdest du nicht unterschreiben. Und das, glaube ich, ist schon eine spannende Frage und ein Film, der da auch zum Nachdenken anregen könnte.
Timm: Oliver Krischer, Fachmann für Energiewirtschaft der Bundestagsfraktion der Grünen in ungewohnter Doppelrolle. Hat ihm aber, glaube ich, Spaß gemacht. Er war bei uns, für uns bei der Berlinale und sah den Film "Promised Land" über die Energiegewinnung, das Fracking, mit Matt Damon in der Hauptrolle. Herr Krischer, ich danke Ihnen und wünsche noch viel Spaß auf der Berlinale!
Krischer: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.