Können wir auf die Schreibschrift verzichten?
Druckschrift reicht doch: Beim Schreiben spielen Tastaturen eine immer größere Rolle. Finnland will es Schülern künftig freistellen, ob sie Schreibschrift noch lernen wollen. Aber geht so nicht auch ein Kulturgut verloren? Es sei dramatisch, wenn das Handschreiben aufgegeben werde, sagt der Handschrift-Experte Christian Marquardt.
Finnland gilt seit Jahren als Vorreiter und Musterschüler in Bildungsfragen. Doch jetzt gehen die Finnen vielleicht zu weit: Finnland will zum Herbst 2016 die Schreibschriftpflicht abschaffen, das kündigte jedenfalls ein Sprecher des finnischen Bildungsministeriums an. Schüler können sich zukünftig aber weiterhin freiwillig für das Erlernen der Technik entscheiden. Das Land schaut in die moderne Welt und setzt auf Tastaturen. Auch in Deutschland lernen viele Erstklässler nur noch Druckschrift.
Doch es stellt sich die Frage, ob da nicht auch ein Kulturgut verloren geht. Deshalb lautet unsere Frage des Tages im Kompressor: "Können wir auf die Schreibschrift wirklich verzichten?"
Dabei müsse man unterscheiden, wozu das Schreiben benötigt werde, sagte Christian Marquardt, Experte für Motorik und Handschrift, im Deutschlandradio Kultur. Er erforscht diese Zusammenhänge wissenschaftlich. "Die Informationseingabe ist digital über Tastaturen natürlich gut möglich." Das Handschreiben unterscheide sich aber deutlich von der Informationseingabe. "Handschreiben ist etwas sehr Persönliches." Viele Studien zeigten, dass beim Handschreiben im Gehirn viel passiere. "Wir erinnern uns besser an Handgeschriebenes, wir können uns Rechtschreibung besser merken."
"Eingebettet in komplexes System"
Es werde ein Nebeneinander von Handschrift und Schreiben über Tastatur geben. Es gebe Situationen, wo das Schreiben mit der Tastatur eher gebraucht werde. "Möglicherweise muss man das dann auch in der Zukunft in der Schule mehr unterrichten." Aber auch das Handschreiben habe seine Berechtigung. Es wäre dramatisch, wenn das Handschreiben aus Gründen der Bequemlichkeit aufgegeben würde. Der Gebrauch von Tastaturen und Touchpads habe eine Auswirkung auf das Handschreiben. Es werde mehr eine Rolle im Privaten spielen.
Aus bildungspolitischen Gründen könne beim Lese-Rechtschreiberwerb zumindest momentan nicht auf die Handschrift verzichtet werden. "Weil es eingebettet ist in ein komplettes System von kognitiven und koordinativen Fähigkeiten, die da entwickelt werden." Es sei im Moment nicht absehbar, was passiert, wenn man das jetzt über Bord wirft.