Frances Spalding: "Virginia Woolf"

Ein Leben zwischen Kunst und Vision

Die Kunsthistorikerin Frances Spalding neben einem Porträt der Schriftstellerin Virginia Woolf, aufgenommen am 9.7.2014 in der Virginia-Woolf-Ausstellung in der National Portrait Gallery in London, die von ihr kuratiert wurde.
Die Kunsthistorikerin Frances Spalding neben einem Porträt der Schriftstellerin Virginia Woolf in der National Portrait Gallery in London. © imago / i Images
Von Edelgard Abenstein |
Im Zentrum dieser Biografie steht das Visuelle: "Virginia Woolf" von Frances Spalding ist wunderbar illustriert. Anschaulich zeigt die Kunsthistorikerin, welchen Einfluss Malerei und bildende Künste auf das Werk der britischen Schriftstellerin hatten.
An Biografien über Virginia Woolf herrscht kein Mangel. Über die Avantgardistin, die ganz für ihre Arbeit lebte, eine "Märtyrerin der Empfindsamkeit", die wild lachen konnte, depressiv war, eine Schar von Freunden hatte, sich das Leben nahm und zeitweilig zur prominentesten Galionsfigur der Frauenbewegung aufstieg.

Facettenreiches Erscheinungsbild

Von all dem erzählt auch die neue Biografie der englischen Kunsthistorikerin Frances Spalding. Im Zentrum des Buches aber steht das Visuelle. In vielen Facetten zeigt es auf, wie Virginia Woolf im Lauf ihres Lebens ihr Erscheinungsbild veränderte und welchen Einfluss die Malerei, die bildenden Künste auf ihr Werk hatten.
Schon in der Kindheit war sie umgeben von lauter Berühmtheiten, lebenden und abgebildeten. Ihre Großtante, eine Pionierin des neuen Mediums, fotografierte Charles Darwin und den Historiker Thomas Carlyle. Ihre Mutter, eine melancholische Schönheit, war eine Muse der Präraffaeliten. Während Virginia früh mit dem Schreiben beginnt, wird ihre ältere Schwester Vanessa, der sie heimlich nacheifert, zu einer bekannten Malerin. Gelegentlich fragt sie sich, ob sie je so wunderbar satirisch Geschichten erzählen könnte, wie Vanessa malt.

Gründerin des Bloomsbury-Zirkels

Ausführlich schildert Spalding den Bloomsbury-Zirkel, den die Schwestern mitbegründeten, benannt nach dem Londoner Stadtteil, in dem sich Verleger, Schriftsteller, Kritiker, Philosophen und vor allem Maler wie der berühmte Roger Fry trafen. Dort spielte Virginia Woolf ihr Lieblingsspiel, das Jonglieren mit verschiedenen Ichs, das ihre literarischen Figuren auszeichnen sollte. Dort wurde auch über Kunst debattiert, über Cézanne und Matisse, deren Bilder damals zum ersten Mal in London zu sehen waren. Bilder, die nicht die Natur nachahmten, sondern aus Farbe und Form eine eigene Wirklichkeit schufen, wie Virginia Woolf das in ihrer Literatur unternahm.
Spaldings Buch ist wunderbar reich illustriert. Da sind die ikonischen Fotos von dem jungen, in weiße Spitze gekleideten Mädchen, träumerisch, versponnen und sehr schön. Auch die Porträts von Gisèle Freund fehlen nicht: eine Autorin auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes, von Schwermut gezeichnet, in der grazilen Hand eine lange Zigarettenspitze balancierend. Da posiert die Autorin des "Orlando" unter dem Einfluss der Geliebten Vita Sackville-West in der neuesten französischen Mode oder auch in einem Ballkleid ihrer Mutter.

Auferstehung zum 75. Todestag

Vor allem aber sind viele unbekannte Gesichter der Virginia Woolf zu entdecken, gemalt von ihrer Schwester Vanessa, von den Freunden Roger Fry und Duncan Grant, die damals unter dem Einfluss Cézannes standen.
Leider gerät der Kunsthistorikerin Spalding die Schilderung des Geflechts aus Leben und Werk manchmal allzu steif und holzschnittartig. Auch hätte man sich ein anderes Vorwort gewünscht, das sich auf eine Londoner Ausstellung vor zwei Jahren bezieht. Als schöne Monographie in Bildern kann das Buch ohne diesen Anlass bestehen. Es lässt Virginia Woolf zu ihrem 75. Todestag wieder auferstehen, forever young.
Frances Spalding: Virginia Woolf. Leben, Kunst & Visionen
Aus dem Englischen von Ursula Wulfekamp
Sieveking Verlag. München 2016
200 Seiten, 39,90 Euro
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