François-Xavier Fauvelle: Das goldene Rhinozeros – Afrika im Mittelalter
C.H. Beck, München 2017
320 Seiten, 29,95 Euro
Wie sich das mittelalterliche Afrika entschlüsseln lässt
Irreführende Mythen, unzuverlässige Quellen: Über Afrika im Mittelalter ist wenig bekannt. Wie es dennoch gelingen kann, mehr über den Kontinent zu erfahren, zeigt der Historiker François-Xavier Fauvelle auf meisterhafte Weise.
Über Afrika im Mittelalter ist sehr wenig bekannt, das lädt zu Fehldeutungen ein. Für Hegel war Afrika ein geschichtsloser Kontinent, afrikanische Historiker strickten dagegen seit den 1960er-Jahren im Überschwang der Dekolonisierung an der Legende eines goldenen Zeitalters für die Afrikaner.
Der französische Historiker François-Xavier Fauvelle lässt sich weder auf die eine noch auf die andere Lesart ein: Er bringt die vielmehr auf grandiose Art die Quellen zum Sprechen. Punktuell und präzise, wie mit einer Taschenlampe, bringt er Licht in die vergessene Zeit zwischen dem 8. und dem 15. Jahrhundert. Seine Geschichte Afrikas im Mittelalter ist daher keine Aufzählung großer Reiche, die es gegeben haben mag, sondern die Suche nach stichhaltigen Belegen. In 34 elegant geschriebenen kurzen Kapiteln – manche sind nur fünf Seiten lang – beschreibt er die Quellen, geht darauf ein, wie sie entdeckt wurden und wie sie entschlüsselt werden können. Dabei räumt er archäologischen Überresten wie dem goldenen Rhinozeros von Mapungubwe den gleichen Platz ein wie schriftlichen Quellen. Vorgehen und Stil erinnern dabei an Neil MacGregors wunderbare "Geschichte der Welt in 100 Objekten".
Der französische Historiker François-Xavier Fauvelle lässt sich weder auf die eine noch auf die andere Lesart ein: Er bringt die vielmehr auf grandiose Art die Quellen zum Sprechen. Punktuell und präzise, wie mit einer Taschenlampe, bringt er Licht in die vergessene Zeit zwischen dem 8. und dem 15. Jahrhundert. Seine Geschichte Afrikas im Mittelalter ist daher keine Aufzählung großer Reiche, die es gegeben haben mag, sondern die Suche nach stichhaltigen Belegen. In 34 elegant geschriebenen kurzen Kapiteln – manche sind nur fünf Seiten lang – beschreibt er die Quellen, geht darauf ein, wie sie entdeckt wurden und wie sie entschlüsselt werden können. Dabei räumt er archäologischen Überresten wie dem goldenen Rhinozeros von Mapungubwe den gleichen Platz ein wie schriftlichen Quellen. Vorgehen und Stil erinnern dabei an Neil MacGregors wunderbare "Geschichte der Welt in 100 Objekten".
Verbindungen nach Asien?
Das Rhinozeros von Mapungubwe gibt noch heute Rätsel auf. Gefunden wurde das knapp 15 Zentimeter lange Kunstwerk 1932 im Osten Südafrikas, wobei gefunden eigentlich ein Euphemismus für einen ordinären Grabraub ist. Für viele weiße Südafrikaner in Zeiten der Apartheid war es unvorstellbar, dass es das Werk einer alten afrikanischen Kultur gewesen sein könnte. Heute ist man etwas schlauer: Das Nashorn wurde zwischen dem 10. und dem 13. Jahrhundert in der Region hergestellt. Aber warum hat das Rhinozeros nur ein Horn, wo doch das afrikanische Nashorn zwei hat? Stand hier ein einhörniges asiatisches Rhinozeros Modell? Die Vermutung liegt nahe. Sie verweist auf den Kontakt mit größeren Handelsnetzwerken rund um den Indischen Ozean. Diese Handelsnetze waren eng verknüpft mit der Ausbreitung des Islams.
Das Gros der Textzeugen, derer Fauvelle sich bedient, sind daher arabische Reiseberichte und geschäftliche Korrespondenzen wie die einer jüdischen Kaufmannsfamilie (auf Arabisch in hebräischen Buchstaben), die im 12. Jahrhundert ein Netzwerk gespannt hatte, das sich von Indien bis zum südwestlichen Rand der Sahara erstreckt. Nicht alle dieser Texte sind sonderlich zuverlässig. Wenn ein arabischer Autor im 10. Jahrhundert schreibt: "Im Land Ghana wächst das Gold wie Pflanzen im Sand, so wie Karotten wachsen. Man erntet es bei Sonnenaufgang", wird deutlich, dass weder der Autor noch seine Gewährsleute jemals im sagenumwobenen Reich Ghana waren. Aber das Gold, das von dort kam, war sehr real.
Das Gros der Textzeugen, derer Fauvelle sich bedient, sind daher arabische Reiseberichte und geschäftliche Korrespondenzen wie die einer jüdischen Kaufmannsfamilie (auf Arabisch in hebräischen Buchstaben), die im 12. Jahrhundert ein Netzwerk gespannt hatte, das sich von Indien bis zum südwestlichen Rand der Sahara erstreckt. Nicht alle dieser Texte sind sonderlich zuverlässig. Wenn ein arabischer Autor im 10. Jahrhundert schreibt: "Im Land Ghana wächst das Gold wie Pflanzen im Sand, so wie Karotten wachsen. Man erntet es bei Sonnenaufgang", wird deutlich, dass weder der Autor noch seine Gewährsleute jemals im sagenumwobenen Reich Ghana waren. Aber das Gold, das von dort kam, war sehr real.
Alltag bleibt im Dunkeln
Neben Sklaven war Gold das wichtigste Exportprodukt Afrikas in dieser Zeit. Allein darauf bezieht sich Fauvelle, wenn er von "goldenen Jahrhunderten" spricht. Ein kluger Trick, der ein unauflösbares Problem kaschiert. Die Geschichte großer Teile Afrikas bleibt im Dunkeln. Darüber, was den Alltag von Afrikanern im Mittelalter ausmachte, erfährt man wenig. Seriöse Geschichtsschreibung kann dieses Problem nicht beheben, was sie aber vermag, zeigt Fauvelles Buch auf meisterhafte Weise.