Frank Castorf über Kästners "Fabian"

Der Flaneur auf seiner letzten Reise

09:04 Minuten
Die Schauspieler Sina Martens (l-r), Marc Hosemann und Andreas Döhler stehen bei einer Fotoprobe zu Frank Castorfs neuer Inszenierung «Fabian oder Der Gang vor die Hunde» auf der Bühne vom Berliner Ensemble.
Die Geschichte von einem, der starb, weil er versuchte, etwas zu tun, das er nicht kann: Frank Castorf inszeniert Erich Kästners "Fabian" am Berliner Ensemble. © picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
Frank Castorf im Gespräch mit Ute Welty |
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Nach mehreren pandemiebedingten Verschiebungen feiert Frank Castorfs Inszenierung von Erich Kästners "Fabian" am Berliner Ensemble Premiere. Den Regisseur haben das Aphorismenhafte des Stoffs und die Anklänge an Baudelaire interessiert.
Eine Warnung vor dem Abgrund, dem sich Deutschland und Europa angesichts des heraufziehenden Faschismus näherten – so beschreibt Erich Kästner die Absicht hinter seinem Anfang der 1930er-Jahre geschriebenen Roman "Fabian oder Der Gang vor die Hunde" . Lange Zeit zensiert, erschien das Buch erst 2013 in seiner Urfassung.
Jetzt hat Regisseur Frank Castorf die Geschichte des Werbetexters Jakob Fabian, der in der Wirtschaftskrise seinen Job verliert, ziellos durch Berlin streift und sich allerlei Ausschweifungen hingibt, auf die Bühne des Berliner Ensemble gebracht.
Aber anders als bei Kästner nicht als Warnung vor drohenden gesellschaftlichen Zuständen, sagt Castorf. "Ich bin ja kein Volksschullehrer und auch kein Journalist, keine Edelfeder."

Die letzte Reise des Flaneurs ist der Tod

Offenbar sind es eher die Anklänge an die literarische Figur des Flaneurs bei Baudelaire, die Castorf an dem Stoff gereizt haben: "Ich habe mich ja in letzter Zeit viel mit Baudelaire beschäftigt. Er hat die Melancholie und die Großstadt Paris zu seinem Thema gemacht und auch das Weib und das Bild des Todes", betont der Regisseur.
"Und Baudelaire sagte so, die letzte Reise des Flaneurs ist der Tod und ihr Ziel das Neue. Darum ging es eigentlich auch immer wieder diesem Jakob Fabian."
Jakob Fabian findet am Ende dann auch den Tod, weil er als Nichtschwimmer ins Wasser springt, um ein vermeintlich ertrinkendes Kind zu retten. "Er ist ja ein Flaneur und ein Schwadroneur und er denkt mit einem Mal, er kann was, was er gar nicht kann - nämlich schwimmen -, und ersäuft. Und das Kind lacht und geht an Land", so Castorf.
"Das sind die tragischen Missverständnisse, die nach 1931/32 dann ja immer furchtbarer wurden in der historischen Erfahrung von einem Land der Hoffnung, das Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg lange Zeit ja war."

"Immer auf der richtigen assoziativen Seite"

Darüber hinaus ist es gerade die fehlende "Folgerichtigkeit" des Buches, die Castorf gereizt hat:
"Das ist ja kein Roman, das ist ja wie eine Sammlung von Aphorismen, Epigrammen. Man kann an einer Seite aufschlagen, macht den Finger rein und ist immer auf der richtigen assoziativen Seite", sagt er. "Das ist natürlich das, was mich interessiert."
(uko)

Unser Theaterkritiker Peter Claus ist enttäuscht von Castorfs Inszenierung [AUDIO] . In Erich Kästners "Fabian" geht es darum, wie der einzelne Mensch zwar nicht in die große Politik eingreifen, aber dennoch Haltung beziehen und ganz bewusst Nein zu den Entwicklungen von rechts sagen kann.

Doch dieser Weg der Hauptfigur vom Unpolitischen zum Politischen gehe hier in Kartoffelsalat, Senf und Slapstick-Nummern unter, so Claus. Alles in allem handle es sich bei dieser Inszenierung vor allem um eine Liebeserklärung von Frank Castorf an Frank Carstorf. Das grandiose Bühnenbild könne den Abend dann auch nicht mehr retten.

Foto von der Inszenierung: Die Hand der Schauspielerin wird durch den Fleischwolf gedreht.
© Matthias Horn

"Fabian oder Der Gang vor die Hunde"
Premiere am 12.6. um 19.30 Uhr im Berliner Ensemble

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