Marburger Marxist Frank Deppe

Ein Linker, der aus der Geschichte zu lernen versucht

29:37 Minuten
Frank Deppe, kurze helle Haare und Brille, schaut seitlich an der Kamera vorbei.
Frank Deppe © Ot
Von Sebastian Friedrich |
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Im Kalten Krieg hat wohl nicht die DDR die überzeugtesten Marxisten hervorgebracht, sondern die Bundesrepublik – mit der 68er-Bewegung. Einer von ihnen: der Marburger Professor Frank Deppe. Auch er wurde 1989 aus dem Reich der Träume gerissen.
Frank Deppe gehört zu den Privilegierten der (west-)deutschen Gesellschaft. Durch den Druck der Studentenbewegung schaffte er es, 1972 als Marxist auf einen Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Universität Marburg berufen zu werden.
„Marx an die Uni – Deppe auf H4“: Der Schlachtruf war sogar unter einer Brücke in Marburg zu lesen. Deppe hatte eine westdeutsche Nachkriegsjugend hinter sich. Sein Vater traf sich regelmäßig zum Stammtisch mit alten SA-Kameraden und reagierte verständnislos darauf, dass der Sohn den Kriegsdienst verweigerte.

Teil der Linken in Marburg

Nach dem Auszug aus dem Elternhaus in Frankfurt am Main 1964 landete er in Marburg – und blieb dort. Wolfgang Abendroth, der politische Kopf der marxistisch inspirierten Linken in Marburg, wurde sein Mentor, dessen marxistische Überzeugungen ihn lebenslang geprägt haben.
„Vergesst nie, dass diese Universität Teil des bürgerlichen Herrschaftssystems ist. Als Intellektueller musst du dich mit dem linken Flügel der real existierenden Arbeiterbewegung verbünden.“
Das hatte Abendroth ihn gelehrt, und so landete Deppe auf dem linken Flügel der Arbeiterbewegung, bei der DKP und ihrer Hoffnung, dass im Osten eines Tages die sozialistische Utopie verwirklicht werde.
„Wir wuchsen praktisch in eine Konstellation hinein, die bis Ende der 70er-Jahre weitgehend grob angehalten hat, in der wir unsere sozialistischen Perspektiven sowohl in der wissenschaftlichen Arbeit als auch in der praktischen Arbeit als Erfolgsgeschichte erfahren haben.“

Der Trümmerhaufen als Aussichtsturm

So denkt Deppe heute an die 70er-Jahre als sein Jahrzehnt der Hoffnung zurück. Doch der Prozess der Desillusionierung folgte in seinem westdeutschen Politik-Kosmos bereits in den frühen 80ern – schon vor dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989/90 und der Durchsetzung des Kapitalismus auch dort.
Von Lenin hält er trotzdem heute noch viel und bekennt: „Es war natürlich eine Illusion zu glauben, dass die sozialistischen Länder unter der Führung der Sowjetunion und darin eingeschlossen die DDR, dass die stalinistische Periode eine Zwischenperiode ist, die aber notwendig mit der Entwicklung auch ihrer ökonomischen Entwicklung der Verbesserung der Lage der Bevölkerung überwunden werden kann und dass durch innere Reformen sozusagen auch Sozialismusperspektiven sich entwickeln können.“
Eine Festschrift, die 1991 für Deppe verfasst worden ist, trägt den vielsagenden Titel: „Der Trümmerhaufen als Aussichtsturm“. Während andere Alt-Linke der 68er-Generation Zyniker geworden oder nach rechts gewandert sind, gehört Deppe allerdings zu denen, die aus dem Scheitern der Utopie zu lernen versuchen.

Heute für die Rosa-Luxemburg-Stiftung aktiv

Deppe ist ein gewerkschaftsnaher Linker geblieben, der für die Rosa-Luxemburg-Stiftung aktiv ist und die Hoffnung nicht aufgibt, dass es eine Alternative zum real existierenden Kapitalismus geben kann. Nur in einer Beziehung ist er vorsichtig geworden: Große Apparate machen ihn misstrauisch.
Er sagt, „dass wir als Intellektuelle hüten müssen, uns in die Machtmaschinen von großen Organisationen einbinden zu lassen.“
Das ist heute die Skepsis dieses Traditionslinken, der allen Widrigkeiten zum Trotz seinen Überzeugungen treu geblieben ist.

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