"Wo ich noch nie war, fühlt sich mein Kopf am wohlsten"
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Mit "Der Schwarm" erreichte er international ein Millionenpublikum. Doch Bestseller-Autor Frank Schätzing bewegt sich gern in fremden Welten und liebt es, Neuland zu betreten. Jetzt möchte er als Musiker durchstarten. Sein Idol: David Bowie.
Wenn Frank Schätzing sich selbst beschreibt, dann als einen optimistischen Menschen, getrieben von unstillbarer Neugier und fasziniert vom Unbekannten. Auch wenn der Mann, der über die Tiefen des Meeres ebenso schreibt wie über fremde Galaxien, eine irrationale Flugangst hat – zum Mond würde er schon reisen, sagt der Schriftsteller halb ernsthaft, halb amüsiert. Denn seine Schwiegereltern schenkten ihm dort ein Grundstück.
"Wir haben sogar eine super Lage: Wir sind in Laufweite von Armstrongs Fußabdruck. Ich denke auch eigentlich schon über eine Wurstbude nach und eine Aussichtsterrasse und ein Drehkreuz, aber es sind halt die Anfahrtswege. Spaß machen würde mir das schon. Aber die Tickets sind mir noch ein bisschen zu teuer."
Die Idee kam im Schlaf
Seine Romane, darunter "Der Schwarm", "Die Tyrannei des Schmetterlings" oder "Breaking News", sind eine Mischung aus Fiktion, Wissenschaft und Krimi. Meeresbiologie, künstliche Intelligenz, Raumfahrt – die Wissenschaft ist die Grundlage von Schätzings Romanen. Immer wieder steckte der Autor auch herbe Verrisse ein. Mit seinen Sachbüchern möchte er unterhalten und aufrütteln. So auch mit dem aktuellen Werk zur Klimakrise: "Was, wenn wir einfach die Welt retten?"
Mit der Schriftstellerei begann Frank Schätzing erst in den 1990er-Jahren. Er verfasste mehrere Krimis, die alle in seiner Heimatstadt Köln spielen. Der Durchbruch kam dann 2004 mit "Der Schwarm", seinem sechsten Buch. Die Idee zu dem Thriller, in dem eine unbekannte intelligente Lebensform aus dem Meer die Menschheit bedroht, kam Frank Schätzing im Schlaf.
"Die Grundidee hatte ich geträumt, nämlich, dass ich über einem Ozean schwebe, und da waren Millionen Fische, Meeresbewohner aller Art. Die machten den Eindruck, dass sie sich plötzlich zusammenrotteten und auf das Ufer zuschwammen. Und ich dachte im Traum: Oh, das Leben in den Meeren hat sich gegen die Menschheit verschworen, die versuchen, uns loszuwerden. Mit dem Gedanken bin ich aufgewacht, habe das schnell auf einen Zettel geschrieben. Das war morgens um drei, und ich habe gedacht, daraus musst du irgendwann mal was machen, ein Buch, und das nennst du dann 'Der Schwarm'."
Von Köln in fremde Galaxien
Auch wenn Frank Schätzing für seine Bücher überall auf der Welt recherchiert und normalerweise viel unterwegs ist – seine Heimat ist Köln. Dort wurde er 1957 geboren und dort lebt er heute noch mit seiner Frau Sabina Valkieser-Schätzing. Seit 20 Jahren sind die beiden ein Paar, sie arbeiten auch zusammen. Heute kaum vorstellbar: Als Kind und Jugendlicher war der medienversierte Frank Schätzing schüchtern und verträumt.
"Mein Kopf fühlt sich immer da, wo ich noch nie war, am wohlsten. Das gilt eben zum Teil auch für Plätze, wo man nicht hingelangt, also zum Beispiel andere Galaxien oder eben im Marianengraben. Da habe ich mich geistig bevorzugt rumgetrieben. Das hat sich dann so mit 16, 17, 18 geändert, und ich entdeckte das pralle Leben. Aber bis dahin war ich eher ein bisschen zurückhaltend und einzelgängerisch."
Seine Träume vom Kunst- und Musikstudium zerschlagen sich, auch die Wirtschaft sagt ihm nicht zu. "Ich habe das alles nicht kapiert." Nach einigen Umwegen klappt es mit Kommunikationswissenschaften. Ein Job als Texter in einer Werbeagentur schließt sich an, bald hat er seine eigene Agentur.
"Wir hatten das Glück, eine Weile sehr erfolgreich zu sein, Sie kommen in große Konzerne, schreiben Unternehmensstrategien. Aber am Ende all Ihrer Kreativität, die schönste Idee endet mit einer Werbung für ein Inkontinenzmittel, eine Biermarke, eine Versicherung oder irgendetwas anderes. Und ich wollte einfach irgendwann nur meine eigenen Geschichten erzählen, egal ob in Songs oder in Büchern."
Model für Unterhosen
Immer wieder etwas Neues ausprobieren – damit ist Frank Schätzing bisher gut gefahren. Auch als Schauspieler versucht er sich, spielt eine Nebenrolle im "Tatort", liest Hörbücher ein. 2009 posiert er als Ü50-Model für Unterhosen. Das amüsiert ihn heute.
"Ich würde es deswegen heute nicht mehr machen, weil Sie mich heute nicht in der Unterhose sehen wollen. Heute müsste ich doch noch mal sehr ins Training gehen. Damals habe ich einen Wahnsinnsspaß an der Sache gehabt. Ich habe mich ja immer ungern in eine Schublade sperren lassen. Ich weiß, der arrivierte Kulturbetrieb hat aufgeschrien. Ich habe immer gesagt: Leute, das sind mein Leben und meine Interessen. Und ich mache das, was mir gerade Spaß macht."
Das war und ist das Schreiben – sehr erfolgreich. Sein Roman "Der Schwarm", in 27 Sprachen übersetzt und mit einer Gesamtauflage von 5,5 Millionen Exemplaren, beschert ihm finanzielle Unabhängigkeit – ein Zustand, für den er dankbar ist und den er genießt.
Der große Traum – die Musik
Aber eigentlich, sagt Frank Schätzing, ist sein großer Traum die Musik. Schon mit 15 Jahren spielt er in vielen Schülerbands, wartet auf Plattenverträge und hofft auf den Durchbruch. In seinem Zimmer hängt ein Plakat der Rocksängerin Suzie Quatro – "die fand ich ungeheuer sexy". Er träumt als Teenie davon, mit ihr zusammen zu sein. Letztlich macht Frank Schätzing länger Musik, als dass er schreibt.
Sein großes Vorbild ist David Bowie. "Was ich bei Bowie so toll fand und weswegen ich ihm als Fan auch 50 Jahre die Treue gehalten habe, war eben genau diese Neuerfindung. Die allermeiste Zeit war er vorne, hatte die Trends eigentlich mitbestimmt."
Als Teenager lernt er Bowies Musik kennen und begeistert sich für dessen Wandlungsfähigkeit. Jetzt, gut 45 Jahre später, verwirklicht Frank Schätzing seinen Traum vom eigenen Musikalbum: In "Taxi Galaxi" legt er sein Debüt als Musiker, Sänger und Songschreiber vor. Mit dabei ist David Bowies langjähriger Pianist Mike Garson.
Die Klimakrise verständlich erklären
Handeln in der Klimakrise, so lautet der Untertitel von Frank Schätzings aktuellem Sachbuch "Was, wenn wir einfach die Welt retten?" Sein Thema – die Klimakrise – stellt er darin verständlich dar, er spricht seine Leser direkt an. Die Welt, so meint er, könnte 2050 die Klimakrise gelöst haben. Dass die Grünen derzeit im Aufwind sind, gefällt Frank Schätzing, der selbst nie einer Partei beigetreten ist. "Was ich kann mit meinen Möglichkeiten, ist, sehr komplexe Sachverhalte so erklären, dass Menschen erstens Spaß daran haben, sie verstehen zu wollen. Und zweitens, dass sie die auch verstehen. Gerade bei so einer unfassbar komplexen Sache wie dem Klimawandel ist das meine Rolle."
(svs)