"Frank" von Richard Ford

Mit dem Romanhelden altern

Der US-amerikanische Schriftsteller Richard Ford, aufgenommen 2013
Der US-amerikanische Schriftsteller Richard Ford © picture alliance / dpa / Marlene Awaad
Von Joachim Scholl |
Seit 1986 blickt Richard Ford in regelmäßigen, wenn auch großen Abständen auf das Leben seines Romanhelden Frank Bascombe. Im neuen vierten Band ist er 68 Jahre alt, im Ruhestand, genervt von seinem Heimatland USA - und trotzdem zu beneiden.
Er ist wieder da, Gott sei Dank! Frank Bascombe reitet wieder, das heißt er fährt in seinem Hyundai durch sein New Jersey, denkt nach über sich, das Leben, die Liebe, den Tod und zerlegt nebenbei in seiner herrlich schnoddrigen Art alles, an was Amerikaner so gern glauben: Vaterland, Familie, Religion. Und dabei ist er wieder echt in Form!
1986 hat Richard Ford diesen Helden zum ersten Mal losgeschickt: In der "Sportreporter" startete Frank hoffnungsvoll als Romancier, er ging damit baden und wurde eben Sportreporter. Dann sattelte er um auf ein lukrativeres Gebiet, Frank wurde Immobilien-Makler und machte in Fords Opus Magnum "Independence Day" von 1996 ordentlich Kleinholz aus dem amerikanischen Traum. Der Roman wurde in den USA aus Zufall zum Bestseller, weil viele Käufer dachten, es sei das Buch zum gleichnamigen Hollywood-Blockbuster, der damals in den Kinos Furore machte!
Einiges hatte Frank persönlich durchzustehen: den Tod seines ersten Sohnes durch eine seltene Krankheit, das Scheitern seiner ersten Ehe. Und dann den Prostata-Krebs, den Frank erfolgreich in "Die Lage des Landes" (2006) meisterte. In Zehn-Jahres-Sprüngen also sah und sieht Richard Ford nach seinem Frank: Jetzt ist er 68 Jahre alt, im Ruhestand, lebt mit seiner zweiten Frau Sally weiterhin in New Jersey, glücklicherweise aber nicht mehr in seiner tollen Strandvilla in Haddam, denn diese ist gerade von Hurrikan Sandy weggepustet worden. Und deshalb klingelt eines Morgens das Telefon, der unglückliche Hausbesitzer ist dran und bittet Frank, doch mal vorbeizukommen und sich das Desaster anzuschauen …
Kluger, selbstironischer Kopf
Das ist die erste von vier Episoden, die Richard Ford lose miteinander verknüpft: In einer zweiten bekommt Frank Besuch von einer unbekannten Dame, die früher in seinem jetzigen Haus wohnte und ziemlich furchtbare Erinnerungen auffrischt. Dann macht Frank einen Abstecher in ein exklusives Altenheim, wo seine erste Frau Ann inzwischen lebt, als Parkinson-Patientin, aber noch immer mit genug Energie, um Franks Männlichkeit herunterzuputzen. Und schließlich steht Frank am Totenbett eines früheren Kumpels, der ihm was Böses beichten will.
Zusammen ergibt sich ein waschechter vierter Frank-Bascombe-Roman, den man genauso schnell liebgewinnt wie seine Vorgänger. Frank ist einfach einzigartig in seiner reschen Art, auf die Welt zu sehen und sie zu kommentieren. Sein Land, die USA, geht ihm mittlerweile gewaltig auf den Keks, in seiner Oberflächlichkeit, den zerfallenden sozialen Strukturen und dem sturen Festhalten an der Ideologie von "God’s own country".
Frank ist immer noch ein kluger Kopf, ohne sich etwas drauf einzubilden. Und er verfügt über genug Selbstironie, die eigene Existenz, die persönlichen Sorgen, gerade auch die beginnende Altersmelancholie zu relativieren. Man möchte genauso altern wie dieser Frank: Ganz zufrieden, klar in der Birne und immer gut für einen flotten Spruch. Hoffentlich lässt Richard Ford seinen Helden nicht erst in zehn Jahren wieder antreten, wir brauchen ihn dringend auch als 70-Jährigen. Vielleicht im Altenheim, beim Bingo-Spielen oder sonstwas, ganz egal. Mit Frank Bascombe erträgt man alles.

Richard Ford: Frank
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Frank Heibert
Verlag Hanser, Berlin 2015
224 Seiten, 19, 90 Euro

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