Frank Vorpahl: Der Welterkunder - Auf der Suche nach Georg Forster
Galiani-Berlin 2018, 544 Seiten, 32 Euro
In der Südsee auf der Suche nach dem Glück
Frank Vorpahls Buch über Georg Forster ist eine Hommage an einen der ganz großen Entdecker - ein Buch voll Wärme und Klugheit.
Georg Forster war ein Weltreisender, Gelehrter und Querdenker. Zusammen mit seinem Vater hatte er James Cook auf dessen zweiter Weltumsegelung begleitet. Drei Jahre lang dauerte diese Reise. Gemeinsam hatten sie Tier- und Pflanzenwelt beobachtet, gezeichnet und klassifiziert. Forster wurde zu einem Pionier der Länder- und Völkerkunde. Seine Reiseeindrücke hielt er in seinem Werk "Reise um die Welt". In Wörlitz erinnert derzeit eine Ausstellung an diese unkonventionelle Persönlichkeit.
"Also hier haben wir es zu tun mit einem Hiwa-Kostüm einer tahitianischen Prinzessin. Forster hat sich einen Bastschurz, ein Tanzröckchen schenken lassen." Das Baströckchen aus hellbraunen Gräsern, Halm für Halm aufgefächert und ausgelegt, ist ein Objekt von eigenartigem Reiz "und ein anderes Requisit, das zum Tanz benötigt wurde, das war Haarzopf, der gesammelt wurde, …" dagegen der Ring aus schwarzen, sehr dick erscheinenden Haaren würde sich auch in einer kriminalistischen Sammlung gut machen.
"… und in diesen Turban aus Menschenhaar hinein hat man dann Tiaré-Blüten gegeben und Georg Forster beschreibt, wie großartig diese Tänzerinnen nach diesen Tiaré-Blüten rochen. Und wir versuchen hier in der Ausstellung einen Eindruck davon zu geben, wie die Musik klang, denn er hat uns auch die Noten aus der Südsee mitgebracht …" Die Musik, die sich Georg Forster auf der Insel Raiatea von einem musikalisch geschulten Mitreisenden aufnotieren ließ, hat der Berliner Komponist Henrik Schwarz zu einem ganz eigenen Sound erweitert. Wir stehen im Dachgeschoss des Schlosses Wörlitz in Sachsen-Anhalt, wo endlich die erste Dauerausstellung um Georg Forster eingerichtet wurde. Sie wurde kuratiert von Frank Vorpahl, der sich seit mehr als 20 Jahren mit Georg Forster beschäftigt.
Aus Begeisterung für Georg Forster
Georg Forster, der 1794 verstarb, wurde berühmt - wenn auch nicht berühmt genug - als Verfasser des Buches "Reise um die Welt", in dem er die dreijährige Weltumsegelung erzählt, die er zusammen mit Kapitän Cook unternommen hatte. Goethe war begeistert, Humboldt war begeistert und nun auch Frank Vorpahl: "Also mich hat ja schon die Lektüre gepackt. Er schreibt ja nicht akademisch oder bräsig, sondern schreibt sehr kurz, sehr modern, sehr anschaulich, ja?"
Nahezu zeitgleich zur Eröffnung der ersten Forster-Dauerausstellung hat Kurator Frank Vorpahl ein neues Buch über den deutschen Forscher herausgebracht. Der promovierte Historiker und ZDF-Journalist drehte mehrere Filme über das Objekt seiner Leidenschaft und gab einen Band heraus, in dem er neu entdeckte Zeichnungen von Forster veröffentlichen konnte.
Was er an ihm bewundert, ist dessen unglaublich intensives Leben. Forster wurde nur knapp 40 Jahre alt, aber was hat er in diese wenigen Jahrzehnte gepackt!
Er übersetzte aus mehreren Sprachen. Er nahm als Elfjähriger mit seinem immer cholerischen Vater an einer Expedition entlang der Wolga teil. Er ist zusammen mit seinem Vater nach London ausgewandert, von dort segelten sie mit Kapitän Cook um die Welt und veröffentlichten ein gewaltiges naturwissenschaftliches Werk. Forster wurde Professor in Wilna und später in Kassel, er hat sich als ganz junger Mann mit den deutschen Aufklärern wie Emanuel Kant herumgestritten und war einer der führenden Köpfe der Mainzer Revolution von 1793, die den ersten demokratischen Staat auf deutschem Boden schuf.
"Ich kenn' eigentlich keinen Deutschen, der ein so intensives Leben hatte, und das hat mich von Anfang an fasziniert."
Dem Idol auf der Spur
Über Jahre hinweg ist Frank Vorpahl seinem Idol nachgereist und hat dafür mehr Meilen und Kilometer zurückgelegt als Forster selbst. Er hat die Orte aufgesucht, die Forster gesehen und beschrieben hatte. Seine Beschreibungen dieser Orte hat Frank Vorpahl jetzt veröffentlicht.
"Also vor 259 Jahren ist Georg Forster auf die Reise mit Cook um die Welt gegangen und hat über 50 Inseln mit entdeckt, vor allen Dingen erkundet. Und er stellt die Frage: Bringen wir den Menschen der Südsee Glück? Und das ist eine Frage, die wir heute beantworten können, 250 Jahre später. Wir wissen, was aus diesen Entdeckungen geworden ist, und ich glaub, dieser Vergleich: Was hat Forster gesehen - was sehen wir heute? Was ist noch da von dem, was er entdeckt hat, erkundet hat, und was ist verloren gegangen? Für mich als Journalisten und als Historiker ist das eine sehr interessante Frage."
Was Forster in der Südsee mit Enthusiasmus und Begeisterung, aber auch mit kritischem Blick, als nahezu kleines Paradies beschreiben hat, ist heute natürlich von moderner Technik und modernem Tourismus überzogen. Hat die westliche Entdecker-Zivilisation ein Paradies zerstört? Frank Vorpahl zögert in der Bewertung.
"Also das Glas ist halbvoll, aber es ist auch halb leer."
Vorpahls Buch ist eine Suche nach Forster. Es erscheint wie eine Recherche nach einem Vorbild, nach einer bewunderten Figur, auch nach einem alter ego. Als ZDF-Mann hat Vorpahl in Mainz gewohnt. Aus seinem Fenster konnte er auf die Rückseite des Hauses schauen, in dem einst Georg Forster gelebt hat. Für mich als Leser war es dann fast ein wenig zu viel Nähe zum Gegenstand des Buches, als Vorpahl die ehelichen Schwierigkeiten, die Forster in Mainz erlitt, mit seinen eigenen ehelichen Schwierigkeiten nur wenige Meter Luftlinie vom Forster´schen Haus entfernt vergleicht.
Beim Lesen die Probleme Fosters vor sich sehen
"Für mich ist es nicht so. Also ich meine, ich lese Forster und sehe: Ah, der hat jetzt ein Problem mit seiner Frau Therese, die will sich scheiden lassen, dann geht der Kampf um die Kinder, das ist ja etwas, was uns total vertraut ist in unseren heutigen Patchwork-Familien. Man findet sich zusammen, die Ehe geht auseinander, die Liebe ist verflogen, was wird mit den Kindern? Georg Forster hat sich in seinen Nachbarn Sömmering verliebt - alles Sachen, die mir auch vertraut sind, aus der Mainzer Nachbarschaft sozusagen. Zu glauben, dass junge Leute vor 250 Jahren wesentlich andere Triebe, Interessen, Wünsche hatten als wir heute ist eine absurde Vorstellung."
Vorpahl erzählt eine interessante Geschichte: Kapitän Cooks Soldaten hatten an einem Strand auf der Insel Tanna eine Linie in den Sand gezogen, um ihr Territorium abzustecken. Als ein Eingeborener, der dieses Verhalten der Fremden nicht hinnehmen wollte, die Linie überschritt, wurde er erschossen. Für Forster ein klarer Mord. Aber nach seiner Wahrnehmung hatten schon am nächsten Morgen die Einheimischen diesen Mord vergeben.
Erklärungsmuster zweier Welten
Alles falsch: Zwanzig Jahre später wurde dieser Vorfall einem Missionar berichtet. Dabei stellte sich heraus, dass Kapitän Cook kurz vor dem tödlichen Schuss einen kranken Häuptling besucht hatte. Nach Meinung der Einheimischen hatte Cook dann mit seiner Spiritualität den Mann ausfindig gemacht, der den Häuptling durch einen Zauber krank gemacht hatte. Es war der Mann, der von Cooks Leuten erschossen wurde. Der Bösewicht war neutralisiert, der Häuptling genas nach kurzer Zeit.
Derselbe Vorfall, wie er sich in zwei unterschiedlichen Denkmustern abgespielt hat.
"Es ist die Quintessenz auch meiner Reise. Einerseits gibt es Erklärungen, die wir Europäer finden nach den Mustern, wie wir sie erlernt haben und durch Sozialisation gewonnen haben. Und dann gibt es aber Erklärungsmuster, die mit unseren überhaupt nicht übereinstimmen. Also die Vorstellungswelt eines Aborigine, dass er in einer Traumzeit lebt, - die ist so weit weg von unserem europäischen Verständnis, dass wir sie erst sehr genau studieren müssen, bis wir sie erfassen. Und deshalb ist die Welt viel größer als unsere Klischees. Das ist so ein endloser Wettlauf, unseren Klischees zu entkommen und offen zu bleiben für das Andere, und das Andere ist meistens viel fantastischer - das ist Quintessenz meines Buches: Das Andere ist viel fantastischer als wir es uns in unseren kühnsten Träumen vorstellen können."
Frank Vorpahls "Suche nach Georg Forster" ist ein Reisebuch fast um die Welt, ist eine Hommage an den großen Entdecker und Bruder im Geiste Georg Forster und gut lesbar gerade in diesen Zeiten, in denen es um Konflikte zwischen Kulturen geht, die sich fremd gegenüber stehen. Ein Buch voll Wärme und Klugheit.