Anarchist, Popstar, Workaholic
Frank Zappa zerstörte Amerikas Mittelklasse-Mythen, später schockierte er seine Fans mit ernster Musik, dann kam der Krebs. An diesem Montag wäre der legendäre Musiker 75 Jahre alt geworden.
Er muss ein echt seltsamer Typ gewesen sein damals, 1963, in dieser sonnenbeschienenen kalifornischen Mittelklassewelt, als er 300 Dollar von seinem eigenen Geld ausgab, um ein paar Musikstudenten anzuheuern, damit sie in einer katholischen Schule seine Musik aufführten - Frank Zappas Musik!
Bis dahin hatte dieser Zappa noch keinen einzigen Rocksong geschrieben. Hatte zwar in Bands gespielt, aber sein musikalischer Held, auf dessen Spuren er komponierte, war der Avantgardist Edgar Varèse.
Natürlich interessiert sich dieser Zappa auch für die schönen Mädchen, die Kalifornien auch in den ärmeren Gegenden hervorbringt, aber die wollten irgendwie mit einem sizilianisch-griechisch-arabisch-französischen Mischling nichts zu tun haben. Dafür ging Zappa dann mit seinem Schulfreund Don Van Vliet, später bekannt als Captain Beefheart, immer wieder in den Horrorfilmklassiker "Freaks" von 1932, in dem missgebildete Menschen als Kuriositäten im Zirkus eine verschworene mordende Gemeinschaft bilden. Und so entstand sein kulturpolitisches Programm, nach dem er dann auch das erste Album seiner Band The Mothers Of Invention von 1966 benannte: "Freak out!"
Frank Zappa stand für unversöhnliches Außenseitertum
Das bedeutete: unversöhnliches Außenseitertum, keine Kompromisse! Und für ihn erstaunlicherweise: keine Drogen! Kein Marx und kein Pop, und vor allem mochte er keine undisziplinierten Hippies.
"Vorsichtige Gemüter seien gewarnt!", schrieb die Berliner B.Z. ein paar Tage vor einem Mothers-Konzert: "Die Truppe ist nicht zimperlich! Sie wirft Eier und Tomaten ins Publikum! Man darf gespannt sein auf das Shock-In demnächst im Sportpalast." (Naja, shocking fanden die Westberliner Revolutionäre später, dass der sexistische Provokant Zappa beleidigt war, als Feministinnen mit Eiern zurückwarfen.)
Der Lärm, den Zappa veranstalten ließ, wirkte auf seine Jünger wie purer Exorzismus. Ausgetrieben wurde alles Regelrechte, alles Uniforme, Zappa zerlegte sogar die Musik in kaum noch konsumierbare Einzelteile - mischte alles, was er bei den Neutönern gelernt hatte, mit seiner ironisch-klaren Weltsicht und der Comic-Kultur. Ästhetische Vollendung prallte auf Nonsense, ein Kammerensemble stolperte über Rockband oder Geräuschbänder.
Aber daneben kultivierte Zappa schockierendes Verhalten als Rock'n'Roll-Stil, und der anspruchsvolle Untergrund-Oberschüler jener Jahre verehrte Zappa dafür!
Zu Lebzeiten veröffentlichte er mehr als 60 Alben
Mit seinen ersten drei Platten erspielte Frank Zappa sich den Ruf des anarchistischen Zerstörers der amerikanischen Mittelklasse-Mythen. Später schockierte er sein Publikum, indem er seiner Band gegen überstand und dirigierte! Er war ein Popstar und schrieb Stücke über das Dilemma der Zahnhygiene, Kongressanhörungen oder Schweißfüße oder Schweine mit Flügeln - wennicht gar über richtig unflätige und unanständige Themen.
Und mit so was veröffentlichte der Workaholic zu Lebzeiten mehr als 60 Musikalben, inzwischen sind es exakt 100, und davon arbeitete er zehn Jahre lang mit den Mothers of Invention – in 18 verschiedenen Besetzungen! Und er schrieb auch weiter ernste Musik für Orchester, und die wurde dirigiert von keinem geringeren als Pierre Boulez, aber der wollte sich partout nicht zu der Qualität der Zappa-Werke auslassen.
Doch zuletzt war Zappas Musik so weit im Mainstream angekommen, dass der Provo-auf-Lebenszeit nicht mehr provokant war. Am 4. Dezember 1993 starb Frank Zappa dann im Alter von 52 Jahren an Prostatakrebs. Seine Erbe aber und sein unruhiger Geist wirken bis heute – was man auch an dem steten Strom von Wiederveröffentlichungen, Livemitschnitten, Gitarrensolosammlungen oder verstaubten Entdeckungen aus seinem Studiokeller durch den Zappa Family Trust merkt.