Frankfurt am Main

50 Jahre erste jüdische Schule im Nachkriegsdeutschland

Isaak Emil Lichtigfeld-Schule in Frankfurt am Main
Isaak Emil Lichtigfeld-Schule in Frankfurt am Main. © picture-alliance / dpa / Foto: Arne Dedert
Von Ludger Fittkau |
Nach der Befreiung von Auschwitz wurde vor 50 Jahren erstmals in Deutschland wieder eine jüdische Schule eröffnet. Eine der ersten Schülerinnen der Emil-Lichtigfeld-Schule in Frankfurt erinnert sich.
Aufritt einer Musical-Truppe in der Aula der Emil Lichtigfeld-Schule in Frankfurt am Main: Auf der Bühne agieren israelische Jugendliche aus Heimerziehungsprojekten. Viele der jungen Schauspieler haben äthiopische Wurzeln. Die rund 200 Schülerinnen und Schüler im Saal der jüdischen Schule in Frankfurt am Main sind vor allem begeistert über die Tanz-Präsentationen. Nach Ende der Aufführung fragen die jungen Zuschauer der Frau Löcher in den Bauch, die den Auftritt der jungen Israelis organisiert hat - Pava Raibstein.
Schüler: "Wo leben die denn, wie lang sind die jetzt noch hier?"
Pava Raibstein: "Die leben in Israel - und zwar in sechs verschiedenen Jugenddörfern?"
Schülerin: "Leben die nicht bei den Eltern?"
Pava Raibstein: "Nein. Die haben nicht so gute Elternhäuser. Und die fahren nur an den Wochenenden im besten Fall nach Hause und dann haben die vielleicht nur eine Mama oder einen Papa. Und die wohnen überwiegend in einem Jugenddorf."

Die jüdische Organisation Kinder- und Jugend-Aliyah

Pava Raibstein ist Diplom-Kommunikationswirtin und arbeitet für die Kinder- und Jugend-Aliyah in Frankurt am Main. Das ist eine Organisation, die 1933 in Berlin gegründet wurde, um jüdische Kinder vor der Nazi-Gefahr zu retten, indem sie nach Palästina in Kibbuzim gebracht wurden. Bis heute kümmert sich die Kinder- und Jugend-Aliyah um die Jugenddörfer in Israel.
Pava Raibstein war aber auch eine der ersten Schülerinnen der Emil-Lichtigfeld-Schule. Sie wurde heute vor 50 Jahren als erste jüdische Schule nach der Ermordung der europäischen Juden durch die Nazis in Deutschland wiedergegründet.
Am 18. April 1966 betrat die sechsjährige Pava mit einer großen Zuckertüte die Synagoge im Frankfurter Westend, wo damals der Schulbetrieb losging - knapp zwei Jahrzehnte nach der Befreiung von Auschwitz:
"Unsere Eltern hatten einen anderen Abstand, sie hatten es geschafft, schon ein bisschen Distanz zwischen sich und die Traumatisierung und die Erfahrungen zu bringen und auch die Deutschen haben ein bisschen Abstand dazwischen bekommen. Man hat zu einer gewissen Ruhe gefunden. Ich würde nicht sagen, dass unsere Generation schon völlig entspannt híer groß geworden ist.
Auch wir waren noch nicht die Generation, wo man gesagt hat: Kinder, wir werden hier bleiben in Deutschland. Auch wir hatten noch ein bisschen gepackte Koffer. Aber schon gesettelter. Und der Anspruch war von unseren Eltern sehr, dass wir eine gute deutsche Erziehung bekommen."

Von Beginn an auch Hebräisch-Unterricht

Allerdings bekamen die Kinder an der neugegründeten Schule von Beginn an auch Hebräisch-Unterricht.
Pava Raibstein: "Wir hatten in der Tat, was heute sowas Innovatives ist und immer noch umstritten, eine erste Fremdsprache ab der ersten Klasse, ja. Wir haben Hebräisch auch als Fremdsprache gelernt. Mit einem überschaubaren Erfolg, muss ich über die Jahre sagen."
Dass Hebräisch eine schwere Sprache ist, zeigt sich auch beim Musical der jungen Israelis auf der Schulbühne. Der elf Jahre alter Leo Wagner und Sophie Barm sind schon ganz froh, dass die hebräischen Textpassagen mit deutschen Zwischenmoderationen erklärt wurden:
"Durch die Zwischenrufe, die die Frau auf Deutsch gemacht hat, konnte ich das jetzt schon verstehen und auch von der Körpersprache her."
Schülerin: "Und wir sind jetzt in der sechsten Klasse. Und bei uns gibt es jetzt ein Projekt, da lernen wir auch ein bisschen zu schauspielern und da werden wir auch noch ein Stück hier an der Schule aufführen."
Leo Wagner, Sophie Barm auch die ein Jahr ältere Chelma Jerczyk sind stolz darauf, dass ihre jetzt 50 Jahre alte Schule demnächst auch eine Oberstufe bekommen soll. Bisher endet der Schulbetrieb mit der sechsten Klasse. Dann geht auf andere, weiterführende Schulen.
"Ich finde es toll, dass die Schule jetzt schon 50 Jahre alt ist und dann gibt es noch eine Oberstufe. Das finde ich sehr toll, so groß und dann schon 50 Jahre lang, das ist eine sehr lange Zeit."

Für Schule besteht Terrorgefahr

Ganz und gar nicht selbstverständlich, nach dem was noch zwei Jahrzehnte vor der Schulneugründung geschah. Pava Raibstein bedauert es sehr, dass die Schule von ihrer Neugründung 1966 bis heute wegen Terrorgefahr unter verschärften Sicherheitsbedingungen arbeiten muss. Normalität ist das noch lange nicht:
"Und ich würde mir wünschen, wie wir heute selbstbewusst als Deutsche jüdischen Glaubens in Deutschland leben, dass wir ein Teil Normalität sein dürfen. Aber wir sind es trotz allem im Kopf der Bürger nicht."
Ein Schuss Bitternis also zum Jubiläum. Gleichzeitig aber auch überschwängliche Lebensfreue, wie sie am Ende des Musicals der jungen Israelis zum Ausdruck kommt, als auch das Publikum kaum mehr zu halten ist.
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