Frankfurter Buchmesse 2011 eröffnet

Von Ruthard Stäblein |
Die Frankfurter Buchmesse öffnet wieder ihre Pforten und es gibt zwei dominierende Themen: Digitalisierung und Island. Für ersteres müssen die Verlage und die Nutzer ihr Verhalten noch anpassen, letzteres präsentiert sich in einem gemütlichen Lesepavillon mit Brandwein.
Der Direktor der Frankfurter Buchmesse verkündete den "Aufbruch in eine neue Welt", bedingt durch die digitalisierten Medien und die sozialen Netzwerke. Jürgen Boos sprach auf der Eröffnungs-Pressekonferenz vom "Ende einer klaren Arbeitsteilung."

"Es ist ein Aufbruch im doppelten Sinne. Einerseits bricht bei uns die Verwertungskette an ihren Schnittstellen auf. Gleichzeitig aber erfindet sich diese Branche auch neu. Autoren, Lektoren, Verleger, Produzenten, Übersetzer produzieren neu. Sie packen ihr sprichwörtliches Hab und Gut zusammen und brechen auf in eine neue Ära des Publizierens. Die Liebesromane werden auf dem iPad gelesen."

41 Prozent der Verlage bieten mehr als nur ein Buch an: Interaktive Applikationen, Sprungstellen vom Text zum Internet über das Handy zurück zum Buch. "Cross Media" heißt das Schlagwort, verschiedene Medien werden miteinander verknüpft und überkreuzt.

Und so kündigte Boos stolz Filmproduzenten wie Roland Emmerich und David Heymann an. Der machte aus dem Buch Harry Potter den Film. Ist es das Zeichen dieses "Überlappens" von Medien, des Aufbruchs in eine "neue Welt", dass ein Autohersteller den zentralen Platz der Messe, die Agora, bespielen lässt und der Buchmesse seine Marke aufdrückt.?

Der Vorsteher des Börsenvereins sieht jedenfalls in der Digitalisierung und konkreter in der Zunahme von E-Books auch eine Bedrohung für den Buchmarkt. Gottfried Honnefelder nannte Zahlen:

"In Deutschland werden zur Zeit 60 Prozent der genutzten elektronischen Bücher illegal heruntergeladen. Und das, obwohl der Markt noch sehr klein ist. Jedes Buch, das es digital gibt, wird es irgendwann auch illegal geben. Es muss auch genügend Mediennutzer und Leser geben, die sich legal verhalten, wenn das so ist. Doch dafür brauchen wir nicht nur hervorragende Angebote von Verlagen, sondern auch spürbare Sanktionen für rechtswidriges Verhalten und Handeln."

Sonst blüht dem Buchmarkt ähnliches wie der Musikbranche. Honnefelder griff in seiner Eröffnungsrede direkt die Piratenpartei an. Sie würde mit ihren Forderungen nach freiem Zugang zu Angeboten im Internet, also auch zu elektronischen Büchern, das geistige Eigentum missachten. Honnefelder warnte vor weiteren Erfolgen der Piraten und gar Zugeständnissen an die Piratenpartei.

"Wer sich vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen in Berlin und aus wahltaktischen Gründen einer kleinen Gruppe von lautstarken Netzaktivisten annähert, aus der Angst heraus, diese neue Gruppierung könnte Wählerstimmen kosten, handelt nicht nur kurzsichtig, sondern unverantwortlich."

Bundesaußenminister Guido Westerwelle bekannte sich in seiner Rede in Frankfurt zum Schutz des Urheberrechts, auch im Internet:

"Wenn ich als Außenminister in anderen Ländern Wert darauf lege, dass das geistige Eigentum geschützt werden muss, vor Plagiaten, vor der Abschrift, vor der Raubkopie, dann sollten wir uns auch alle darüber im Klaren sein, wie wichtig das ist, dass wir im eigenen Lande s geistige Eigentum und damit die kulturelle Vielfalt schützen. Wer das geistige Eigentum ignoriert, nimmt den Autoren die Grundlage zum Leben."

Nach den Reaktionen von Honnefelder zu schließen, bringt Westerwelle hier nur ein Lippenbekenntnis zustande, statt konkrete Maßnahmen zu fördern. Westerwelle begrüßte in seiner Funktion als Außenminister das diesjährige Gastland der Frankfurter Buchmesse, Island. Das Land - mit etwa 320.000 Einwohnern etwas mehr als Besucher in Frankfurt erwartet werden - war durch den Staatspräsidenten Olafur Grimmson vertreten

"Islands Auftritt als Ehrengast in Frankfurt ist ein Zeichen dafür, dass selbst der kleinste Garten der Welt Blumenschmuck und Nutzpflanzen bescheren kann, Literatur, Dichtung und wissenschaftliche Arbeiten, die den Vergleich mit den Früchten aus größeren Sprachgemeinschaften nicht zu scheuen brauchen."

Der isländische Staatspräsident wies mit besonderem Stolz auf die Edda-Lieder und die Isländersagas hin, die für den Auftritt neu übersetzt wurden. Insgesamt 230 Bücher über und aus Island erscheinen zur Messe. Die Schriftsteller bewiesen dagegen die Fähigkeit zur Selbstkritik. Wie Gudrun Minervudottir:

"Eine Auswirkung unserer Provinzialität war der berüchtigte Bankencrash, der mit den Banken auch unser Selbstbild zum Einsturz brachte. Beim notwendigen Aufbau eines neuen Selbstbildes sollten wir nicht der Versuchung nachgeben, uns auf die Krücke des Nationalismus zu stützen, denn dieser ist ein lächerliches und unzeitgemäßes Phänomen, egal von welcher Seite man es betrachtet. Und an dieser Stelle kommt die Literatur ins Spiel. Sie ist ein Spiegel, der alles zeigt; sowohl das Schöne als auch das Hässliche."

Im isländischen Pavillon zeigt sich die Nordmeerinsel dagegen von ihrer schönsten Seite. Mit einem beeindruckenden Naturfilm, rundum in einem Würfel zu sehen, aus dem man in Räume tritt, mit Bücherregalen und bequemen Sesseln, und man sich wohlfühlt wie in einem Wohnzimmer. Auch Branntwein, Brinnewin, wird ausgeschenkt. So gemütlich war noch kein Gastlandauftritt. Es ist das Gegenprogramm zur digitalen Benutzeroberfläche.

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Sendungen zur Frankfurter Buchmesse 2011 - Programm von Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk auf einen Blick
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Gespräche auf dem Blauen Sofa - Live von der Frankfurter Buchmesse
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