Das vollständige Interview mit Alexander Skipis könne Sie hier hören: Audio Player
Eingeschränkt, europäisch, virtuell
05:20 Minuten
Die Frankfurter Buchmesse soll wie geplant vom 14. bis 18. Oktober stattfinden. Allerdings mit einigen Einschränkungen und einem großen virtuellen Angebot. Man rechnet mit weniger Besuchern und weniger Verlagen. Und man kalkuliert ein Defizit.
Breitere Gänge zwischen den Verlagsständen, mehr Abstand an den Ständen selbst und maximal 20.000 Besucher gleichzeitig auf dem Messegelände – mit diesen Maßnahmen will die Geschäftsführung der Buchmesse das Coronavirus eindämmen. Die Frankfurter Buchmesse soll vom 14. bis 18. Oktober 2020 stattfinden. Das hat der Aufsichtsrat der Buchmesse am Mittwoch entschieden.
Wie viele Menschen genau auf das Gelände dürfen, könnte sich noch ändern – abhängig davon, wie viele Aussteller letztlich einen Stand aufbauen werden. Bei vielen Verlagen herrscht Skepsis, ob sich ein eigener Messestand in diesem Jahr lohnt. Buchmessedirektor Juergen Boos rechnet damit, dass etwa ein Drittel der Aussteller kommen wird.
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst
Neben den Fachbesuchern soll am Wochenende auch wie gewohnt das öffentliche Publikum auf die Messe dürfen. Die Belüftungsanlagen in den Messehallen seien geeignet, die Gefahr durch virushaltige Aerosole zu bannen, so Buchmesse-Direktor Juergen Boos.
"Wir werden nicht selektieren", betont Boos. "First come, first serve. Wer da ist, ist da." Publikumstickets werden bereits verkauft, die Fachtickets voraussichtlich ab 1. August.
Es werde trotzdem eine andere Messe werden: "Wir wissen, dass viele nicht teilnehmen können. Insbesondere aus Nordamerika, Lateinamerika oder Asien, weil wir nicht wissen, wie die Reisebeschränkungen aussehen werden. Insofern rechne ich mit einer stark verminderten Präsenz." Auch aus dem Gastland Kanada werden wohl kaum Verlage nach Frankfurt kommen können.
Virtuelles Konzept
Man plane deswegen eine "europäische Messe", so Boos. Aus den europäischen Ländern gebe es großes Interesse – unter anderem haben Verlage aus Frankreich und Italien ihr Kommen angekündigt.
Boos geht "stark von einem virtuellen Konzept" aus. Viele Veranstaltungen sollen aber nur im Internet stattfinden. Andere sollen nicht auf dem Messegelände, sondern an "dutzenden Orten" im Raum Frankfurt verteilt stattfinden.
Absage bei zweiter Pandemie-Welle
Die Stadt Frankfurt am Main unterstützt die Buchmesse, indem sie repräsentative Räume und ein zusätzliches ÖPNV-Angebot bereitstellen will. Das Land hat zugesichert, Kosten zu übernehmen, falls die Messe doch noch wegen einer zweiten Pandemiewelle abgesagt werden muss.
"Sollte es eine zweite Welle geben, gehe ich davon aus, dass wir sofort die körperliche Messe absagen werden", sagt Boos. "Dann wird alles virtuell stattfinden."
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, geht von einem "enormen Defizit" aus. "Aber das ist unser Beitrag für die Branche, den wir unbedingt leisten wollen."
Die Frankfurter Buchmesse als größte ihrer Art erfülle über den Buchmarkt hinaus eine wichtige gesellschaftlichen Funktion, sagte Skipis im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Sie habe einen starken Symbolgehalt als "Ort der intellektuellen Auseinandersetzung", von der ein "großer Impuls in die Gesellschaft" ausgehe.
Beispielsweise als sichtbares Zeichen dafür, dass das Buch ein "Ausdruck für eine freie und plurale Gesellschaft ist". Dies sei auch vor dem Hintergrund wichtig, dass in diesem Jahr wegen der Coronakrise die Leipziger und auch Londoner Buchmesse sowie viele Literaturfestivals hätten abgesagt werden müssen.
Sonderedition als Perspektive in unsicherer Zeit
Die Zusage für das Sicherheitskonzept sei bereits von virologischer Seite, dem Gesundheitsamt sowie der Stadt Frankfurt am Main und dem Land Hessen gegeben worden, erklärt Skipis. Es werde auch Lesungen geben, allerdings in einer "etwas entfernteren Form". Dazu zählten die dezentralen Veranstaltungen in der Stadt als auch Lesungen, die weltweit gestreamt werden sollen.
Die geplante Messe sei natürlich eine "Sonderedition" im Vergleich zu den vorangegangenen. Aber auch diesmal wolle man "Begeisterung für das Buch" auslösen und "eine Perspektive aufzeigen in einer stark verunsicherten Zeit", so Skipis.
"Ein gutes Signal"
Andreas Rötzer vom Berliner Verlag "Matthes & Seitz" lobt die Entscheidung, die Frankfurter Buchmesse stattfinden zu lassen. Gerade erst wurde der Verlag von Kulturstaatsministerin Grütters mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet.
"Ich finde es erstmal ein gutes Signal, dass daran festgehalten wird", sagt Rötzer. Er glaube, dass die Messe ein wichtiger Faktor sei, auch wenn sie nur digital stattfinde. "Ich kann mir allerdings noch schwer vorstellen wie das in der Praxis aussehen soll und bin sehr gespannt auf die digitalen Lösungen, die angekündigt sind." Jetzt überlege er, wie viel Personal er überhaupt nach Frankfurt schicken soll.
Im Vorjahr waren mehr als 300.000 Besucher nach Frankfurt gekommen und fast 7.500 Aussteller aus über 100 Ländern angereist.