Die Ausstellung
"NATHALIE DJURBERG & HANS BERG. A JOURNEY THROUGH MUD AND CONFUSION WITH SMALL GLIMPSES OF AIR"
ist vom 28. Februar bis 26. Mai 2019 in der SCHIRN Frankfurt a.M. zu sehen.
Bunte Knetfiguren erzählen haarsträubende Dinge
05:15 Minuten

"Eine Reise durch Schlamm und Verwirrung, mit kleinen Luftlöchern" - so nennen Nathalie Djurberg und Hans Berg ihre Ausstellung in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. In ihren Stop-Motion-Filmen agieren bunte Knetfiguren - eine Kinderwelt zeigen sie allerdings nicht.
Der Begriff "Zwangshandlung" ist zweifellos zu spröde, um zu beschreiben, was in den Filmen der beiden schwedischen Künstler vor sich geht. Da wird kopuliert, vergewaltigt, genötigt, aufgefressen, zerstückelt. Und das von Figuren aus bunter Knetmasse, bekleidet mit Textilfetzen, ausstaffiert mit Kunsthaar. Von Tieren wie dem Krokodil, dem Wolf oder durchgeknallten Vögeln aller Art. Oder von Priestern in schwarzen Soutanen oder purpurnen Umhängen. Figuren und Ambiente wirken wie kindliches Kasperletheater, die Handlung mit ständiger Figurenmetamorphose wie ein Fall für den Psychiater. Wie ein beklemmendes Traumgeschehen, das einfach kein Ende nehmen will. Was würde wohl Freud zu all dem sagen, Frau Djurberg?
"Er würde mich lieben. Mehr als ich mich selbst. Weil ich ein menschliches Wesen bin, und kein Mensch geht durch die Welt als unbeschriebenes Blatt. Vielleicht kommen wir noch nicht mal so auf die Welt."

Aus der Ausstellung "A JOURNEY THROUGH MUD AND CONFUSION WITH SMALL GLIMPSES OF AIR"© Nathalie Djurberg & Hans Berg / VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Die Schirn Kunsthalle Frankfurt hat ungeheuren Aufwand betrieben, um die Blumen des Bösen, die künstlichen Paradiese, die Reise auf die dunkle Seite des Bewusstseins Gestalt annehmen zu lassen. 40 Videoarbeiten sind umzingelt von Skulpturen wie von einem ausgelassenen Fastnachtszug. Eine riesige begehbare Kartoffel lädt in ihre Höhlungen ein. Schmuckbehängte Knackwürste und Bananen drehen sich an der Wand auf kleinen Sockeln und erinnern an den frühen Claes Oldenburg. Eine Ausstellung für die ganze Familie? Nur wenn die Eltern ihre Kinder fest bei der Hand nehmen. Kuratorin Katharina Dohm:
"Ich glaube, dass das grundsätzlich keine Kinderfilme sind. Dass es keine Knetfiguren-Ausstellung ist und wir hier keine Wallace-and-Gromit-Weiterführung im Kunstbereich darstellen, sondern dass das Medium da anders benutzt, anders eingesetzt wird."
Skulpturen-Dschungel aus giftigen Pflanzen
Die beeindruckendste Arbeit, "The Experiment" von 2009, wirkt geradezu wie ein Kommentar zur akutellen Missbrauchsdebatte der katholischen Kirche. Man befindet sich in einem Skulpturen-Dschungel aus giftigen und üppig sich spreizenden Pflanzen. Im zugehörigen Film "Greed" belästigen drei Männer im Priesterornat einige junge nackte Frauen, die sich buchstäblich umkrempeln, um es ihnen recht zu machen. Harter Stoff, sogar im Medium der Knete. Manchmal erscheinen die Skulpturen der Ausstellung eher wie Dekoration, wie überflüssiger Pomp, wie inflationäre Zutat. Hier allerdings wirken sie kraftvoll, giftig, obszön und notwendig.
Nathalie Djurberg: "Die Skulpturen sind einfach physischer, man spürt den Dialog zwischen ihnen und dem eigenen Körper. Aber wenn dann die Musik dazu kommt, dann spürst Du das noch viel mehr im Innern. Eigentlich seltsam, denn die Musik ist das Flüchtigste bei allem."

Die Künstler Nathalie Djurberg und Hans Berg. © David Neman
Man könnte behaupten, dass es in vielen der gezeigten Videos um Liebe, Eifersucht, Wut, Aggression gehe. Aber das wäre zu einfach. Da ist immer auch die Überschreitung solcher Begriffe, Zustände und Zuständigkeiten. Ungeheuerlichkeiten werden geboren unter dem Anschein harmloser Experimentierlust. Man kann nachvollziehen, wie viel perversen Spaß diese Arbeit an der Erschaffung der Figuren und ihrer Animation gemacht haben muss.
Kunst als Kampf und Faszination
Nathalie Djurberg: "Für mich bedeutet Kunst das Herstellen der Kunst. Und das ist immer beides: ein Kampf und Faszination, pure Freude. Und dann kommt eine Phase, wo ich mich dafür schäme. Was werden die Leute denken, wie werden sie reagieren, habe ich vielleicht jemanden verletzt? Aber mit der Zeit klärt sich das, und dann wird es zu etwas, das einfach nur existiert."
Die Frankfurter Schirn zeigt es jetzt: haarsträubende Dinge, erzählt mit Unschuldsmiene und kindlicher Lust an der bunten, gekneteten Form.