Eine Ohrfeige für Hollande
Heute erscheint eines der ersten Bücher des politischen Literaturherbstes in Frankreich. Die Ex-Ministerin Cecile Duflot rechnet ab und wirbelt damit Staub auf. Eine Innenansicht, nennt die Ex-Ministerin ihr Buch.
Eine Innenansicht, nennt die Ex-Ministerin ihr Buch. "Reise in das Land der Enttäuschung", lautet der Untertitel.
"Es haben so viele Leute in meinem Namen gesprochen. Jetzt wollte ich freimütig meine Wahrheit sagen."
Freimütig ist das Buch. Für den Präsidenten und seinen Premier kommt es einer Ohrfeige gleich. Die Frontfrau der Grünen rechnet mit zwei Jahren Regierungsbeteiligung ab.
2012 waren die Vertreter der ökologischen Bewegung Frankreichs ins Regierungsbündnis mit den Sozialisten gegangen, inzwischen haben die beiden Minister, darunter Duflot, das Kabinett verlassen. Die Fraktion stimmt nur noch von Fall zu Fall mit der Mehrheit.
Hollande als Präsident von Niemandem
François Hollande habe der Präsident aller Franzosen sein wollen, stattdessen sei er nun der Präsident von Niemandem, schreibt Duflot. Er sei zu zögerlich, er warte lieber, bis Entscheidungen von selbst fielen und bis alle einverstanden seien. Das sei komfortabler.
Auch sage Hollande nie, was er denke, eine prinzipielle Schwäche. Der Sozialist vertue Zeit mit Zielen, die er doch nicht erreichen könne, so beim Schuldenabbau, beklagt die Ex-Ministerin in ihrem Buch, das den literarischen Herbst in Frankreich einläutet.
Auch der Premier bekommt seinen Teil ab: Manuel Valls, schreibt Duflot, sei ein Mann von rechts, Abschaffung der 35-Stunden-Woche, Umgang mit den Roma, all das lässt die grüne Spitzenpolitikern vermuten, der neue Regierungschef Frankreichs habe das falsche Parteibuch.
"Ich sage die Dinge mit Respekt, in aller Offenheit, das ist keine Abrechnung", meint Duflot.
Duflot verließ die Regierung
Als der Präsident nach der schweren Niederlage bei den Kommunalwahlen im Frühjahr sein Kabinett umbilden ließ, da hatte der neue Premier der Bauministerin Duflot das Umweltministerium angeboten. Die aber lehnte ab und verließ mit dem zweiten grünen Minister die Regierung. Sie habe sich mit dem Posten nicht ködern lassen wollen, an die Energiewende Hollandes nicht geglaubt, schreibt Duflot in ihrem Buch.
Aber auch mit der Wirtschaftspolitik der Sozialisten macht die Ex-Ministerin ihren Frieden nicht. Hollandes "Mantra", Reformen müssten noch schneller greifen und noch weiter reichen, ähnele Luftnummern, die sie sie aus den Comic-Filmen von Tex Avery kenne, vertraute Duflot der Zeitung "Le Monde" an, als die Vorabdrucke ihres Buches den ersten Staub aufwirbelten.
"Ich will, dass sich wirklich etwas bewegt", sagt die Grüne, die eine neue linke Mehrheit zimmern möchte und dafür an diesem Wochenende auf dem Kongress ihrer Partei nahe Bordeaux auch warb.
"Wenn wir die politische Linie nicht ändern, werden sich die sozialen und wirtschaftlichen Probleme fortsetzen."
Mit geballter Faust an die Atlantikküste
Duflots Buch, das heute erscheint, wird allerdings weniger inhaltlich debattiert, als in der Form. Denn die Ex-Ministerin zieht über ihre früheren Kollegen ebenso her wie über Präsident und Premier, beschreibt wie im innersten Zirkel der Macht Maulkörbe verteilt wurden, wie enttäuscht sie von Hollande sei, der stets nach Lösungen suche, die keine hohen Wellen schlagen.
"Das ist ein sehr strenges Urteil", sagt selbst Duflots Parteifreund, Jean-Vincent Placé, der als Vertreter der Grünen im Senat eigentlich für seine scharfe Kritik an der Politik der Sozialisten bekannt ist.
Wenige in den Reihen der Grünen fürchten aber, mit Duflots polemischem Text schlage die frühere Ministerin die Türen zu, die sich manch Grüner lieber offen gehalten hätte. Innerhalb der Regierungsmehrheit lasse sich die ökologische Linie besser durchsetzen, als außerhalb, sagen sie.
Das Buch der Ex-Ministerin verhagelt in jedem Fall der Regierung die Rückkehr nach der Sommerpause. François Hollande hätte es lieber gesehen, wenn über seine Reformanstrengungen gesprochen würde. Reformen allerdings, die in seiner eigenen Partei umstritten sind, am kommenden Wochenende tagen die Sozialisten in La Rochelle und mancher reist mit geballter Faust an die Atlantikküste.