Paris berät über Steuerreform
Mit einer radikalen Steuerreform möchte Frankreichs Premierminister Jean-Marc Ayrault die Zustimmung der Bevölkerung gewinnen. Die Opposition spricht von einem Ablenkungsmanöver.
Als die Proteste auf den Straßen gegen LKW-Maut und Steuerlast immer lauter wurden, führte er ein langes Telefonat mit dem Präsidenten. Der stimmte von Israel aus zu, stärkte damit seinem Premier den Rücken und erstickte damit Gerüchte über eine baldige Regierungsumbildung. So beginnt Jean-Marc Ayrault heute Gespräche mit den Sozialpartnern.
"Für uns muss das Rückgrat der Reform darin bestehen, der Einkommenssteuer mehr Gewicht zu verschaffen, also den progressiven Regeln."
... fordert Jean-Claude Mailly für die Gewerkschaft Force Ouvrière. Wer mehr hat, soll mehr zahlen.
Streit gibt es um die Ausgestaltung der Sozialsteuer
Schon jetzt gibt es progressive Regeln im französischen Einkommenssteuergesetz mit einem Spitzensatz von 45 Prozent plus Reichensteuer. Weil darin aber Familienkomponenten stecken, zahlen weniger Haushalte Einkommenssteuer als Sozialsteuer. Die aber ist nicht progressiv.
Auch deshalb fordern Gewerkschaften und der linke Parteiflügel der Sozialisten seit langem, beide Steuerarten zu verbinden, um so auch für die Sozialsteuer sagen zu können: Wer mehr hat, zahlt mehr. Das führe zur Belastung der Mittelschicht, sagen die Konservativen. Auch sie sind vom Premier zu Gesprächen über die Reform eingeladen.
"Es ist schon erstaunlich, seine Minister weiht er nicht ein, noch nicht einmal seinen Finanzminister. Und jetzt verlangt der Premier von uns, dass wir Steuervorschläge machen."
... sagt Nadine Morano für die Oppositionspartei UMP.
"Ich denke, wir können nicht zu Gesprächen gehen, solange auf Regierungsseite nicht der Wille besteht, die Steuerbelastung zu senken."
Konservative wollen Steuerbelastung senken
Das aber hatte der Premier ausgeschlossen. Die Reform werde nicht am Steueraufkommen rütteln, hatte Jean-Marc Ayrault gesagt. Sein Budgetminister Bernard Cazeneuve der von den Plänen seines Chefs ebenfalls überrascht worden war, gibt sich an diesem Punkt geschmeidiger:
"Selbstverständlich müssen die Steuern sinken, dazu sind wir schon gegenüber Brüssel in der Pflicht. Das heißt aber öffentliche Ausgaben kürzen und Strukturreformen."
Die Protestbewegung in der Bretagne sieht in der geplanten Steuerreform ein Ablenkungsmanöver. Die Abschaffung der LKW-Maut bleibe die zentrale Forderung, deshalb würden am Samstag die roten Mützen wieder aufgesetzt.
Auch die Linksfront will am Marsch Richtung Finanzministerium Ende der Woche festhalten und die Landwirte bleiben ebenfalls dabei: Die Verkehrsadern nach Paris werden am Freitag wieder blockiert, die Steuer- und Abgabenlast sei zu hoch, die Hilfe aus Brüssel zu gering, sagen sie.
So ändert sich an der aufgeladenen Stimmung vorerst nichts, auch deshalb wird der Vorstoß einer großen Steuerreform als hochriskant angesehen. Denn der Teufel steckt im Detail, die Interessen sind vielschichtig, und die Durchsetzungskraft der Regierung für einen Herkulesplan dieser Art ist womöglich zu gering. In jedem Fall wird die Reform Zeit brauchen. Wie viel, ist offen.