Frankreich

Prostitution verbieten, Freier bestrafen

Von Ursula Welter |
"Abschaffung der Prostitution" - diese Stimmung gibt es schon lange in Frankreich. Nun befasst sich die Nationalversammlung mit diesem Thema. Gegner und Befürworter sitzen in allen politischen Lagern. Auch Intellektuelle und Künstler haben sich eingeschaltet.
"Ich habe von diesem Gesetz gehört", sagt eine asiatische Prostituierte im Parlamentskanal.
"Mein erster Gedanke war, wie soll ich dann meine Miete bezahlen."
Die Frau bietet ihre Dienste in den östlichen Wäldern am Stadtrand von Paris an.
Viele andere stehen Abend für Abend an den Bordsteinen des westlich gelegenen „Bois de Boulogne“, die Wagen der Freier fahren auf den breiten Ausfallstraßen traditionell langsam, Zuhälter machen ihre Runde, die Frauen stehen hier bei nahezu jedem Wetter und bis weit in die Nacht.
Auch sie habe in den Wäldern und Parks begonnen, als sie nach Frankreich kam, berichtet die junge Chinesin. Jetzt empfange sie die Freier in einer Wohnung, aber das Risiko sei nach wie vor sehr hoch.
Bordelle sind in Frankreich verboten, seit 1946. Prostitution ist es nicht, aber die Gesetze, die das Gewerbe einschränken, sind zahlreich. So müssen die Frauen an den Straßenrändern und in den einschlägigen Lokalen schon heute mit Strafe rechnen, wenn sie aktiv oder auch nur passiv Kunden anwerben.
Und auch den Freiern droht schon jetzt Bußgeld und bis zu 15 Stunden Gewahrsam. Vor zwei Jahren nahm die französische Nationalversammlung einstimmig eine Erklärung unter der Überschrift "Feminismus und Menschenrechte" an, die als "Erklärung zur Abschaffung der Prostitution" bewertet wurde.
Darauf, auf die gänzliche Abschaffung der Prostitution, zielt nun auch der Gesetzentwurf, den das Parlament derzeit berät. Dazu sollen ausschließlich die Freier belangt werden 1500 bis 3000 Euro sieht der Text vor, das schwedische Modell stand Pate:
"Denn der Kunde ist der aktive Teil. Er ist Akteur und es ist eindeutig sein Geld, das zu den Menschenhändlern fließt", erklärt die sozialistische Abgeordnete Maud Olivier, die das Gesetz im Parlament, Seite an Seite mit konservativen Abgeordneten, verteidigt.
"Weitreichende Folgen für die Gesundheit"
Zwangsprostitution und Menschenhandel sind auch in Frankreich ein Problem, sagt die Politikerin. Der Gegenwind weht allerdings heftig. "Prostitution verbieten und die Freier in die Pflicht nehmen", dagegen jagt ein Aufruf den anderen. 343 namhafte Franzosen lancierten vor Kurzem in einer Zeitschrift einen Aufruf „Hände weg von meiner Nutte“ und bekannten sich öffentlich zum regelmäßigen Besuch auf dem Strich. Zwar rückten einige der Unterzeichner später wieder davon ab, aber die sogenannte "Petition der Dreckskerle", wie sie sich selbst nannten, verfehlte ihre Wirkung nicht:
"343 Dreckskerle" - erklärt Gil Mihaely für die Zeitschrift - "das ist ein Aufruf in Anlehnung an jenen von 1971 , als die Frauen sagten, mein Bauch gehört mir , als es um das Abtreibungsrecht ging. Wenn aber eine Frau frei ist, über ihren Körper zu entscheiden, dann können wir ihr nicht verbieten, sich zu prostituieren, es geht um Handlungen , auf die sich Erwachsene geeinigt haben.“
Ein paar Tage später, in einer anderen Publikation, äußern sich namhafte Künstler im gleichen Sinn. Von Charles Aznavour bis Catherine Deneuve sind alle dagegen, dass die Prostitution verboten und die Freier bestraft werden sollen. Der Staat habe sich da nicht einzumischen.
Das Hauptargument der Hilfsorganisationen ist anders gelagert. Die Organisation "Ärzte der Welt", „Médecins du monde“, die in den Abendstunden einen Bus durch die einschlägigen Viertel fahren läßt, und den Prostituierten Hilfe, Informationen, aber auch Kondome anbiete, ist aus anderem Grund gegen das geplante Gesetz:
"Man muss weitreichende Folgen für die Gesundheit der Betroffenen befürchten", erklärt Irene Aboudaram, "weil sie in noch abgelegenere Gegenden gehen werden, noch weiter in den Untergrund."
Verlässliche Statistiken gibt es nicht. Wie groß der Anteil der Frauen ist, die zur Prostitution gezwungen werden, lässt sich auch für Frankreich nicht sagen.
"Es gibt Frauen, die sich freiwillig prostituieren" , sagt auch die Journalistin Annette Levy-Willard, die viel zum Thema gearbeitet und geschrieben hat. "Es gibt solche,, die keine Wahl haben, weil sie ihre Kinder ernähren müssen, andere, die schnelles Geld machen wollen, aber eben auch die vielen , die entführt, missbraucht , vergewaltig werden - und wenn man, wie in alle den Aufrufen zur Verteidigung der Prostitution, nur eine Seite der Medaille sieht, dann ist das bösgläubig."
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