Protest gegen das neue Arbeitsrecht
Die französische Regierung will das Arbeitsrecht ändern und Unternehmen mehr Spielräume gewähren. Studenten und Gewerkschaften sehen in der Arbeitsmarktreform eine Gefahr und wollen sie mit allen Mitteln stoppen.
Heftig sind die Proteste und sie haben mehrheitlich nur ein Ziel: dass der vorliegende und vom Kabinett schon beschlossene Gesetzentwurf zur Arbeitsmarktreform zurückgezogen wird. Das französische Arbeitsrecht ist komplex und bietet Unternehmen wenig Spielraum. Zudem gelten die Arbeitsrichter als nicht eben unternehmerfreundlich, so sind die Betriebe bei Neueinstellungen sehr zögerlich: befristete Verträge sind für junge Leute die Regel.
Flexibler soll der Arbeitsmarkt werden: Der Kerngedanke der Reform ist, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei sich im Unternehmen Regelungen zur Arbeitszeit ausarbeiten. So sollen die Betriebe auf die wirtschaftliche Lage besser reagieren können, sollen mehr Mut zu Festanstellungen bekommen, ist doch die Zahl der Arbeitslosen ist mit über zehn Prozent seit Jahren gleichbleibend hoch. Doch viele sehen in den Reformplänen einen Angriff auf die 35-Stunden-Woche - mancher Gewerkschafter mag zudem auch um seinen Einfluss bangen.
Die Änderungen, die Premierminister Manuel Valls nach den ersten Protestwellen in tagelangen Gesprächsrunden mit Arbeitgebern, Gewerkschaften, Studenten- und Jugendverbänden ausgehandelt hat, haben die Kritiker nicht zufriedengestellt, für einen Großteil der Demonstranten auf der Straße sind sie völlig uninteressant: Das ganze Projekt soll gestoppt werden.
Droht vielen der Weg ins Prekariat?
William Martinet, Präsident der Studierendenorganisation UNEF befürchtet, das Gesetz bedeute für viele junge Leute den Weg ins Prekariat:
"Früher hat man hat immer gesagt, um modern zu sein, müssten wir flexibler werden und prekäre Arbeitsbedingungen eben auch mal akzeptieren. Inzwischen hat sich die Debatte etwas verändert, die Regierung hat gemerkt, dass das Wort von der Flexibilität schlecht ankommt, und also spricht Manuel Valls vom 'sozialen Dialog'. Das ist aber nur eine sprachliche Maßnahme, denn jetzt sollen wir im Namen des 'sozialen Dialogs' prekäre Arbeitsbedingungen akzeptieren!"
Alexandre Leroy, Präsident der Studierendenorganisation FAGE zeigte sich nach den Gesprächen mit der Regierung etwas optimistischer:
"Wir haben heute einen sehr wichtigen Begriff gehört, die Rede war vom 'universellen Recht auf einen persönlichen Ausbildungsplatz'. Das wäre das erste Mal in unserem Land: Man will jedem Franzosen garantieren, eine bestimmte Qualifikation zu erreichen."
Den Konservativen gehen die Reformen nicht weit genug
Den Arbeitgebern sowie der Mehrheit der konservativen Opposition sind die geplanten Änderungen viel zu umfangreich. François Fillon, von 2007 bis 2012 Premierminister Frankreichs und einer der konservativen Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur - er hält einen "psychologischen Schock" für notwendig, um die wirtschaftliche Entwicklung Frankreichs anzustoßen – und dazu ging ihm schon der erste Entwurf nicht weit genug, von der jetzt vorliegenden Fassung hält er gar nichts mehr:
"Der jetzige Text bietet den Unternehmen so gut wie keine Vorteile mehr. Kleine Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten können selber keine Tagespauschalen mehr verhandeln, sie sind immer auf die mehrheitliche Zustimmung der großen Gewerkschaften angewiesen. Betriebsbedingte Kündigungen werden nur in geringem Maße vereinfacht, immerhin: Das ist ein kleiner Vorteil – dem aber eine ganze Reihe von Maßnahmen gegenüber steht, die es den Unternehmen schwerer machen. Über kleine und mittelständische Betriebe findet sich gar nichts mehr im Text! Und dabei ist das genau die zentrale Frage: Bringt dieses Gesetz den kleinen und mittleren Unternehmen mehr oder weniger Freiheit? Ich würde sagen: weniger."
Im Zentrum der Kritik sieht François Fillon auch Präsident Hollande:
"Sehen Sie sich François Hollande an. Vier Jahre lang hat er genau das Gegenteil von dem propagiert, was jetzt Gesetz werden soll. Am Ende hat er eingesehen, dass er sich getäuscht hat, große Pläne werden gemacht und was passiert? Die Demonstrationen eines Tages und dann der große Aufschrei in der Sozialistischen Partei haben bewirkt, dass die Regierung sofort eingeknickt ist."
Der Entwurf für ein neues Arbeitsrecht dürfte das letzte große Reformvorhaben der Amtszeit Hollandes werden. Nach dem Scheitern seines Projektes, den Ausnahmezustand und die Aberkennung der Staatsbürgerschaft für Terroristen in der Verfassung zu verankern, ist es noch wichtiger geworden, beim Arbeitsrecht etwas wirklich Großes zu schaffen. Dass das gelingt, scheint aber eher unwahrscheinlich zu sein: Die Entschlossenheit vieler Franzosen, das Projekt zu Fall zu bringen, ist nicht zu unterschätzen.