Frankreich

Wie Michel Houellebecq die Presse gängelt

Porträtfoto des französischen Autors Michel Houellebecq, der am 19.01.2015 in Köln seinen Roman "Unterwerfung" im Rahmen des internationalen Literaturfestival Lit.Cologne vorstellt.
Der französische Autor Michel Houellebecq © dpa / picture alliance / Horst Galuschka
Von Katja Petrovic |
Frankreichs Skandalautor Michel Houellebecq stiehlt mal wieder allen die Show, obwohl er gar kein neues Buch herausbringt. Es geht um seinen rüden Umgang mit einer "Le Monde"-Journalistin. Eine Reaktion auf die vernichtende Kritik seines jüngsten Romans?
"Mit Ihnen rede ich nicht", antwortete der Schriftsteller auf die Email von "Le Monde"-Journalistin Ariane Chemin, als sie ihn für ihre Sommerreihe "Die sechs Leben des Michel Houellebecq" um ein Gespräch bat. Er kannte sie nicht, und dass sich ein Autor der Presse verweigert, ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Houellebecq jedoch ging noch einen, für die Journalistin überraschenden Schritt weiter, denn in Kopie setzte er von Bernard-Henri Lévy bis Michel Onfray rund 30 führende Intellektuelle, denen er ebenfalls den Mund verbieten wollte:

"Er hat sein gesamtes Umfeld, also Verleger, Freunde, Wissenschaftler, Schriftstellerkollegen, wichtige Medienvertreter und Philosophen dazu aufgefordert, mich nicht zu treffen und auch nicht zu zögern, mich zu verklagen, sollte ich etwas über sein Privatleben schreiben."
Houellebecqs Feindin Nummer eins
Nicht zum ersten Mal schüchtert Michel Houellebecq Journalisten auf diese Weise ein. Er misstraut ihnen, und sollten sie unaufgefordert über ihn schreiben wollen, setzt er alles daran, um das zu verhindern, weiß Denis Demonpion, Journalist beim Magazin "Le Nouvel Observateur", der 2005 eine von Houellebecq nicht autorisierte Biographie veröffentlichte: "Houellebecq schickte mir zunächst seinen Verleger, der verlangte, dass sein Autor alles kontrollieren und sogar Fußnoten setzen darf, um zu sagen: 'Das ist okay, das nicht.' Anschließend schickte er mir einen seiner engen Schriftstellerfreunde, der mich am Telefon verhörte. Und dann versuchte seine Frau, mir Informationen zu entlocken. Er selbst drohte schließlich damit, alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit mein Buch untergeht. Er gab vor, gerade an seiner Autobiographie zu schreiben, die meine Biographie in den Schatten stellen würde."

Jetzt ist "Le Monde"-Journalistin Ariane Chemin zu - wie sie sagt - "Houellebecqs Feindin Nummer eins" geworden, obwohl sie sein Privatleben gar nicht interessiert. Sie enthüllt in ihrer Sommerserie Skurriles und Prägendes im Leben des Schriftstellers. Wer etwas über den Privatmenschen Houellebecq erfahren wolle, so die Journalistin, brauche nur seine Romane zu lesen, denn dort gebe er viel von sich preis und auch über sein Werk hinaus, geize der Autor nicht mit Interviews:
"Houellebecq liebt das Spiel mit der Presse. Schauen Sie: Allein in diesem Sommer war er zwei Mal auf der Titelseite von 'Le Monde', dazu kommen im Kulturteil sechs Doppelseiten und eine Serie im 'Figaro Magazin' - er ist doch überall und ganz und gar nicht diskret, er ist kein Modiano!"
Abrechnung mit Frankreichs linken Intellektuellen
Vielmehr scheint Houellebecq ein Problem mit der linksliberalen Zeitung "Le Monde" zu haben. Lieber nämlich gab er diesen Sommer dem konservativen "Figaro Magazin" eine Reihe von Interviews über "sein Leben, seine Bücher, politische Fragen und seine geheimen Leidenschaften". Im dritten Teil der Serie: Houellebecq im Gespräch mit Philosoph Alain Finkielkraut, der in Frankreich zu den "neuen Reaktionären" zählt, so wie Houellebecq selbst auch. Offen äußerte er dem konservativen Intellektuellen Bernhard Henri-Lévy gegenüber seine Sympathien für Nicolas Sarkozy und sein jüngster Roman "Unterwerfung" ist eine klare Abrechnung mit François Hollande. Und trotzdem, meint Ariane Chemin, bekenne der Autor diesen Sommer noch mehr Farbe als sonst:

"Bisher sagte er: 'Ich bin kein Intellektueller, sondern Schriftsteller'. Und wie man jetzt im 'Figaro' sieht, hat er seine Attitüde geändert. Er diskutiert dort mit Alain Finkielkraut, ist absolut mit ihm einverstanden und verankert sich damit in der rechten, neo-reaktionären Ecke."

Vielleicht ist der Streit mit "Le Monde" eine Reaktion auf die vernichtende Kritik der Zeitung an seinem Roman "Unterwerfung", in dem Houellebecq sich den Untergang der französischen Demokratie zu Gunsten eines islamischen Gottesstaates ausgemalt hatte. Houellebecqs Abrechnung mit Frankreichs linken Intellektuellen, von denen ihn viele lange Zeit niederschrieben oder ignorierten. Und so zelebriert und überwacht Michel Houellebecq seine Selbstinszenierung wie ein Superstar, zu dem er auch in seiner Heimat seit langem geworden ist.
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