"Menschliche Krise" rund um Calais
Mehrere tausend Menschen hausen im "Dschungel" von Calais, in der Hoffnung, die Überfahrt nach Großbritannien zu schaffen. Nun reisten französische Politiker dorthin und es zeigt sich: Der Küstenort kommt mit den ankommenden Menschen kaum zurecht, Politik und Helfer fühlen sich von Paris im Stich gelassen.
Manuel Valls und Bernard Cazeneuve sind in die Hafenstadt gefahren, um das Signal zu senden: Auch Frankreich tut etwas für Flüchtlinge. Natascha Bouchart, die Bürgermeisterin von Calais, die der konservativen Partei "Die Republikaner" angehört, sieht das allerdings anders:
"Es ist ja schön und gut Flüchtlingslager in Europa zu fordern, allerdings muss man sich ansehen, wie die Migranten in Frankreich selbst empfangen werden."
Die Bürgermeisterin von Calais fordert seit einem Jahr, dass die wilden Camps und Zeltstädte rund um ihre Stadt beseitigt werden, damit ein Flüchtlingslager entstehe, das diesen Namen wirklich verdiene. Auch heute sagt Natascha Bouchart, es muss Taten geben, nicht nur politische Reden.
Die humanitären Probleme häufen sich
Zwar hatte die sozialistische Regierung im vergangenen Jahr mit dem Zentrum "Jules Ferry" einen Ort mit befestigten Räumen geschaffen, bessere sanitäre Bedingungen, rund 120 Schlafplätze vor allem für die Frauen und die Kinder. Aber das Zentrum ist völlig ausgebucht:
"Wir müssen immer mehr Bewerber abweisen, es gibt Wartelisten", ...
...sagt Stephane Duval, der Leiter des Zentrums. So stauen sich die humanitären Probleme im großen Zelt-Camp, das "der neue Dschungel" genannt wird. Etwa 3500 Menschen hausen dort, die Hilfsorganisationen schlagen seit langem Alarm, der Hohe Kommissar für Flüchtlingsfragen der Vereinten Nationen hatte an Frankreich appelliert, die menschliche Krise in Calais endlich anzugehen.
"Bislang haben wir vor allem über Sicherheitsfragen gesprochen", beklagt die Bürgermeisterin. "Unsere Stadt hat Vorschläge gemacht, um die humanitären Probleme zu lösen, was bis heute nicht geschehen ist."
Die wilden Zeltstädte beseitigen, winter- und wetterfeste Unterkünfte fordert die Bürgermeisterin von Calais seit langem, da viel Zeit verloren gegangen und die Zahl der Flüchtlinge gestiegen ist, würde allein die Umsiedlung der Menschen nun vermutlich 10 Millionen Euro kosten.
Die Stadt Calais fordert darüber hinaus ökonomische Hilfe für die lokale Wirtschaft und den Tourismus, Zweige, die unter den Flüchtlingsströmen leiden.
Frankreich will nicht auf den Kosten sitzen bleiben
Frankreichs Finanzminister Michel Sapin stellte klar, dass die Finanzierung des Problems insgesamt "solidarisch" ablaufen müsse. Frankreich will nicht auf Kosten sitzen bleiben, hofft auf europäische Hilfe. Premierminister Manuel Valls hatte die Bundeskanzlerin gestern ausdrücklich für ihre Position in der Flüchtlingsfrage gelobt. Sein Land werde sich ebenso großzügig zeigen: "Die die vor Krieg, Folter, Verfolgung, Diktaturen fliehen, müssen aufgenommen werden."
Die französische Regierung will, bei allem Lob für die Haltung der Bundesregierung, nun aber nicht als das Land da stehen, dass Deutschland in dieser Frage folgt. So stellte Finanzminister Sapin heute früh vorsorglich die Behauptung auf:
"Deutschland betreibt Aufwand wie alle anderen Länder auch. In etwa das, was wir hier in Frankreich auch tun, wir sollten keine Unterschiede machen zwischen zwei Ländern, die in etwa das Gleiche leisten."
Frankreich rechnet in diesem Jahr allerdings nur mit 60.000 Asylbewerbern.
Der französische Außenminister legte sich unterdessen mit der ungarischen Regierung an.
"Man respektiert nicht die Werte Europas, indem man Zäune errichtet, die man selbst für Tiere nicht errichten würde."
Auf die Frage, ob der Zaun, den Ungarn errichtet habe, abgebaut werden müsse, sagte Laurent Fabius: "Selbstverständlich!"