Frankreichs wichtigster Literaturpreis

Nicolas Mathieu gewinnt den Prix Goncourt

Das Foto zeigt den französischen Schriftsteller Nicolas Mathieu im September 2018.
Das Foto zeigt den französischen Schriftsteller Nicolas Mathieu im September 2018. © AFP / Joel Saget
Von Dirk Fuhrig |
Als stünde er im Scheinwerferlicht eines Autos. So hat sich der Autor Nicolas Mathieu bei der Verleihung des Prix Goncourt gefühlt. Die vergangenen 18 Monate hatte er einsam in seinem Zimmer über Kleinstadt-Cowboys und Halbstarke in der Provinz geschrieben.
Nicolas Mathieu wurde 1978 in Lothringen geboren, in Epinal südlich von Nancy. In Frankreich war er bislang nicht sonderlich bekannt. Er hat einige Kriminalromane geschrieben. Dann hat er sich irgendwann 18 Monate in seinem Zimmer verkrochen, um zu schreiben. Für das Ergebnis wurde er nun mit Frankreichs wichtigstem Literaturpreis ausgezeichnet, dem Prix Goncourt. Mathieu erhält ihn für einen Roman über seine Heimat: "Les enfants après eux", zu deutsch etwa "Ihre Kinder nach ihnen".
"Les enfants après eux" ist im besten Sinne ein Provinz-Roman, der von der Perspektivlosigkeit der Heranwachsenden Anfang der 90er-Jahre im Osten Frankreichs handelt: Kleinstadt-Cowboys, Halbstarke, Mofa-Rocker. Mathieu selbst ist in diesem Provinzmilieu aufgewachsen, das er im Buch mit rassistischem Gerede, Saufereien oder der Schrebergarten-Mentalität der Erwachsenen beschreibt.

Das industrielle Frankreich ist am Ende

Nicolas Mathieu sagte in einem Interview zu dem autobiografischen Hintergrund seines Buches: "Die Feuer in den Hochöfen sind ausgegangen, das industrielle Frankreich ist am Ende. Und so ähnlich ist es mit den Menschen, auch sie sind erloschen. Wie gehen die Jugendlichen mit damit um, mit ihrer Wut … sie rasen mit ihren Mofas durch die Gegend und rauchen nachmittags ihre Joints. Wie kommen sie raus aus dieser Situation? Ich bin selbst in so einem Provinzmilieu aufgewachsen und wollte raus um jeden Preis. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass das trotz allem auch mein Zuhause ist."
Das beschriebene Milieu erinnert an Edouard Louis' "Das Ende von Eddy", ist dabei nur nicht ganz so radikal. Mathieu nähert sich der Provinz liebevoller, weil er sich dort selbst heimisch fühlt. "Les enfants après eux" fängt die Traurigkeit von Autobahnraststätten ein, die Hölle der Gleichförmigkeit, ist tief melancholisch. Gleichzeitig zieht sich durch die Seiten ein besonderer Sound, durch die kraftvolle Alltagssprache und viel Jugendsprache.

Buch über aktuelle Situation von Journalisten in der Türkei erhält Prix Renaudot

Mit dem Prix Goncourt wurde in Frankreich heute parallel der Gewinner eines weiteren wichtigen Buchpreises verkündet: der Prix Renaudot. Er geht an die erst 33-jährige Autorin Valérie Manteau. Ihr Buch "Le sillon" handelt von dem armenischen Journalisten Hrant Dink der 2007 in der Türkei auf offener Straße in Istanbul worden ist. Die Entscheidung ist insoweit bemerkenswert, als dass Manteaus Buch gar nicht auf der Liste der Endauswahl zu diesem Preis gestanden hatte.
Valérie Manteau war früher Journalistin bei dem französischen Satiremagazin Charlie Hebdo. "Le sillon" ist ein Buch, das die aktuellen Konflikte mit der Türkei beschreibt. Es geht um die Verletzung der Meinungsfreiheit, die Verfolgung von Journalisten.

Mediales Spektakel

Die Vergabe der Literaturpreise sind in Frankreich jedes Jahr mit einem medialen Spektakel verbunden. Wer mit dem nur mit einem symbolischen Preis von zehn Euro dotierten Prix Goncourt erhält, kann auf den Verkauf von bis zu 400.000 Büchern hoffen. Für gewöhnlich bringen auch deutsche Verlage innerhalb kurzer Zeit nach der Preisvergabe eine deutsche Übersetzung der Gewinner heraus.
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