Biopic über Franz Beckenbauer

Der Kaiser und die Krise des Fußballs

08:42 Minuten
Kapitän Franz Beckenbauer hebt bei der Siegerehrung 1972 stolz den EM-Pokal hoch.
Kapitän Franz Beckenbauer 1972 mit EM-Pokal: Lange galt er als "Lichtgestalt" des deutschen Fußballs. © picture-alliance / dpa / Werner Baum
Jochen Werner im Gespräch mit Ramona Westhof |
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Unter dem Titel "Der Kaiser" hat der Pay-TV-Sender Sky das Leben von Franz Beckenbauer verfilmt. Dabei gibt er auch den Schattenseiten und Eitelkeiten des Profifußballs Raum, allerdings nur recht oberflächlich.
Zwei Tage vor dem WM-Finale sollte Deutschland eigentlich in Fußball-Euphorie schwelgen, trotz Boykottaufrufen gegen das Gastgeberland Katar: Das war vermutlich das Kalkül des Pay-TV-Senders Sky, der das Leben der deutschen Fußballlegende Franz Beckenbauer verfilmt hat und nun unter dem Titel „Der Kaiser“ ausstrahlt.
Aber es ist anders gekommen: Die Euphorie ist ausgeblieben, Deutschland frühzeitig aus dem Wettbewerb ausgeschieden, und so kommt die Veröffentlichung dieses Beckenbauer-Biopics mitten in eine große Krisenstimmung im deutschen Fußball hinein und so ein bisschen zur Unzeit – obwohl eigentlich der Werdegang von Franz Beckenbauer einige durchaus interessante und aktuelle Hintergründe zur derzeitigen Krisenstimmung liefern könnte.
Früher galt er als „Lichtgestalt des deutschen Fußballs“ mit makellosem Image. 1974 holte er den WM-Titel als Spieler, 1990 als Trainer. Doch das Image ist seit den Korruptionsermittlungen rund um die Vergabe der WM 2006 nach Deutschland deutlich angekratzt, und der 77-Jährige hat sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Auch generell wird zurzeit sehr viel über die schon weit fortgeschrittene Kommerzialisierung des Fußballs gestritten. Der gerade zurückgetretene Teammanager der deutschen Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff, stand seit Jahren dafür in der Kritik, dass er die Kommerzialisierungsschraube immer noch ein Stück weitergedreht hat und durch diese Vermarktung eine Entfremdung des Fußballs von seinen Fans bewirkt hätte.

Wie Spieler sich durchvermarkteten ließen

Der Konflikt rund um die zunehmende Kommerzialisierung ist alt und der Spieler Franz Beckenbauer sowie sein Manager Robert Schwan waren Vorreiter dieser Entwicklung. Beckenbauer war nämlich der erste deutsche Fußballspieler, der in dem ehemaligen Arbeitersport überhaupt einen eigenen Manager hatte und sich gnadenlos durchvermarkten ließ, durchaus mit nicht ganz so hundertprozentig legalen Tricksereien.

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Jahre später fliegt das Konstrukt auf und trägt dazu bei, dass Beckenbauer vor der negativen Presse in die damals neu gegründete amerikanische Fußballliga flüchtet, bevor er dann später mit dem WM-Titel 1990 als Trainer wieder alle versöhnt und endgültig zum Nationalheiligtum wird.
Aber es geht eben auch nicht nur um diese persönliche Durchvermarktung, sondern auch darum, dass die Spieler selbst damals mehr Macht in die Hand genommen und sowohl die Vereine als auch den DFB mit immer höheren Gehalts- und Prämienforderungen unter Druck gesetzt haben. Auch dafür war Beckenbauer eine Galionsfigur. Angesichts der anhaltenden Diskussionen um explodierende Ablösesummen und Spielergehälter im internationalen Fußball ein aktuelles Thema.

Kommerzialisierung des Fußballs

Der Film reißt das Thema Kommerzialisierung des Fußballs nur an und bleibt letztlich an der Oberfläche. Stattdessen inszeniert Regisseur Tim Trageser das Biopic vor allem als eine Anekdotenparade, so als hätte er Angst, eine der vielen überlieferten Episoden auszulassen oder irgendeinen Satz zu vergessen, der in all diesen kleinen Büchlein mit den besten Fußballsprüchen drinsteht. Das hat zur Folge, dass all die berühmten Sätze aufgesagt und der Film etwas fake wirkt. Es soll aussehen wie ein 70er-Jahre-Kostümfilm, aber am Ende meint man nur Komparsen in Kostümen aus dem Theaterfundus zu sehen.
Trotzdem muss man dem Film zugutehalten, dass er diesen Schattenseiten und Eitelkeiten des Profifußballs überhaupt Raum gibt. Insgesamt ist er aber auf mittlerem Fernsehniveau gehalten, und trotz einiger interessanter thematischer Ansätze viel zu oberflächlich. Wirklich zu empfehlen ist der Film höchstens für die verbliebenen Hardcore-Beckenbauer-Fans.

Ab dem 16.12. ist „Der Kaiser“ bei Sky zu sehen.

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