Franz Dobler: Ein Schlag ins Gesicht
Tropen Verlag, Stuttgart 2016
385 Seiten, 19,95 Euro
Unverwechselbarer Sound, irrsinniger Humor
Franz Dobler hat einen Krimi geschrieben, der sich den Erwartungen an das Genre komplett entzieht. Dennoch lobt unser Rezensent Martin Becker den Roman uneingeschränkt: Der sei ein "großes, verschrobenes und finsteres Stück Literatur".
Irgendwann ist dieser Fallner am Ende. Er liegt im Krankenhaus nach mehr als nur einem Schlag ins Gesicht. Und sagt diesen Satz, der das Motto des ganzen Romans sein könnte: "Es ist, als würde aus deiner Vergangenheit 'ne Hand kommen und dich ganz tief reinziehen."
Um mit einigen Erwartungen gleich aufzuräumen: "Ein Schlag ins Gesicht" ist ein Kriminalroman, der keiner ist. Mit einem Bullen als Hauptfigur, der seinen Job an den Nagel gehängt hat. Mit einer Handlung, bei der es existenziell wird – und die eigentlich gar nicht so spannend sein will.
Dobler verweigert sich geradezu plakativ
Das alles sind keine Kritikpunkte, im Gegenteil: Erst die geradezu plakative Verweigerung all der Merkmale eines üblichen Krimis macht aus Franz Doblers "Ein Schlag ins Gesicht" einen durch und durch lesenswerten Roman.
Die Geschichte ist so trashig wie trist: Robert Fallner hat als Polizist einen Typen erschossen. Er hatte keine andere Wahl. Nimmt er seine Knarre jetzt in die Hand, dann zittern ihm die Finger. So sehr, dass er nicht mal mehr im Notfall abdrücken könnte. Also scheidet er freiwillig aus dem Polizeidienst aus und wird Privatdetektiv – in der Firma seines Bruders.
Sein Spezialauftrag: Er soll das ehemalige Softporno-Sternchen Simone Thomas, berühmt geworden durch ihre Rolle in "Die Satansmädels von Titting", vor ihrem Stalker beschützen. Und das tut er – auf seine ganz eigene Art.
Ohne Unterhose im Bett - aus unerklärlichen Gründen
So liegt der ehemalige Polizist irgendwann aus für ihn unerklärlichen Gründen ohne Unterhose im Bett neben der gealterten Schmuddelfilm-Actrice – aber alles bleibt vollkommen keusch, versteht sich. Aus dem Job entwickelt sich eine seltsame Freundschaft. Zwei hundseinsame Menschen, verloren in dieser eiskalten Welt, geben sich gegenseitig ein bisschen Wärme. Auch das ist "Ein Schlag ins Gesicht".
Franz Dobler schreibt bitterböse und rotzig, seine Sprache ist direkt und unfassbar komisch – noch dazu spickt er seine Geschichte mit lauter Bezügen zu Literatur, Film und Musik der letzten Jahrzehnte.
Nicht jede Anspielung muss man verstehen – und doch freut man sich sehr, wenn man beim Lesen merkt, dass man hier weit mehr als die vertrashte Geschichte einer verkrachten Existenz vor sich hat.
Der Ex-Bulle ist nur selten freundlich
Ja, man muss mitunter viel aushalten, denn dieser Ex-Bulle ist selten ein freundlicher Mensch. So hat er die schwärzesten und bösesten Gedanken über seinen jungen Detektivkollegen im Rollstuhl – doch kann man diesem Robert Fallner seine Bosheit einfach nicht übel nehmen: Der Roman erzählt so von einem schier unerträglichen Typen, dass man ihn vom ersten Satz an schier unerträglich liebt.
Doblers unverwechselbarer Sound, die große Zuneigung zu seinen Figuren, der irrsinnige Humor: "Ein Schlag ins Gesicht" ist mehr als nur ein kleiner, verschrobener und finsterer Kriminalroman. Es ist ein großes, verschrobenes und finsteres Stück Literatur.