Franz Kafka: "Das Schloss"

Nichts ist erreichbar, das Ziel unendlich fern

Undatiertes Porträt des Schriftstellers Franz Kafka.
Undatiertes Porträt des Schriftstellers Franz Kafka. © picture-alliance / dpa / CTK
Von Julia Riedhammer |
Vor einigen Jahren hat der Hörbuch-Regisseur Klaus Buhlert "Der Process" von Franz Kafka vertont – sehr minimalistisch und pur. Jetzt hat er sich "Das Schloss" vorgenommen. Und wieder ist ihm Hervorragendes gelungen. Das Hörerlebnis ist dennoch beklemmend.
Spätabends. Das Dorf. Schnee, Nebel und Finsternis.
Wie ein Drehbuch - so beginnt dieses Hörspiel.
"K. auf der Holzbrücke blickte in scheinbare Leere empor. Dann ging er."
Es entstehen Bilder im Kopf, die einen beim Zuhören ganz unmittelbar in die Szenerie versetzen. Dieses Hörspiel schafft eine Nähe zum Geschehen, die nicht immer angenehm ist.

Das Kafkaeske ist fast körperlich zu spüren

Das Kafkaeske ist fast körperlich zu spüren: Wie K., der Landvermesser, in das fremde Dorf kommt. Wie er beäugt und nur ungern eingelassen wird. Und: Wie er schließlich alles daran setzt, ein Ziel zu erreichen: das Schloss. Doch Bürokratie scheint in diesem Dorf alles zu beherrschen.
"Nirgends noch hatte K. Amt und Leben so verflochten gesehen, wie hier."
"So verflochten, dass es manchmal scheinen konnte, Amt und Leben hätten ihre Plätze gewechselt."
Die Stimmen in diesem Hörspiel wechseln so schnell, wie die Blickwinkel des Erzählers. Und so ist nichts gewiss. Wer spricht? Wer vertritt welche Meinung? Und was bedeutet das für K.? Stimmen, die mal ganz nah sind, dann wieder unendlich fern. Es ist die akustische Umsetzung seines Ringens, das Unmögliche zu erreichen. Wie in dieser Szene:
"Der Vorsteher. Freundlich, dick, ein glattrasierter Mann."
"Der Landvermesser ..."
"Krank. Im Bett."
"Also, was ihren Fall betrifft, so will ich …"
"Das ist also unser Landvermesser. Wollte sich zur Begrüßung aufrichten. Konnte es nicht. Setzen Sie sich."
"Wir brauchen keinen Landvermesser."
"Setzen Sie sich, Herr Landvermesser."
"Es wäre nicht die geringste Arbeit für ihn da."
"Das überrascht mich sehr. Das wirft alle meine Berechnungen über den Haufen."

Ein Hörbuch mit hervorragender Besetzung

Mit großer Genauigkeit trifft der Schauspieler Devid Striesow die Nuancen von K`s Verzweiflung. Überhaupt ist die Besetzung dieses Hörbuchs hervorragend: Da gibt Jens Harzer mit knorriger Stimme die Gehilfen …
"Da du nicht zu uns in die Wirtsstube kamst - Wir mussten Dich doch suchen."
… Michael Rotschopf einen Erzähler mit skeptisch distanzierter Haltung …
"K. nahm das Bild von der Wand und hing den Brief an den Nagel."
… und Corinna Harfouch die herrische Wirtin.
"Wahrhaftig, sagte die Wirtin. Und sah K. von hochherab an. Sie erinnern mich manchmal an meinen Mann."
"So trotzig und Kindlich wie er. Sind sie auch."
"Sie sind ein paar Tage im Ort und schon wollen sie alles besser kennen als die Eingeborenen."
Egal wer spricht, eines wird immer deutlich: K. ist und bleibt ein Fremder. Einer, der ankommt und nicht mehr zurück kann. Der dafür kämpft, bleiben zu können.

Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Es ist eine Geschichte, die unweigerlich auch an die Situation vieler Flüchtlinge erinnert: Der Kampf mit der Bürokratie, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, der Wunsch, einen Platz in der Gesellschaft zu finden.
Und so wird "Das Schloss” zum Symbol für die Unerreichbarkeit all dessen. Auch deshalb ist es so beklemmend, sich diesem zehn Stunden langen Hörspiel auszusetzen.
Das Schloss. Umrisse. Still wie immer. Niemals das geringste Zeichen von Leben. Nicht möglich aus dieser Ferne etwas zu erkennen.

Franz Kafka: "Das Schloss"
Hörspiel
Inszenierung: Klaus Buhlert
Mit Devid Striesow, Werner Wölbern, Michael Rotschopf, Corinna Harfouch und vielen anderen
Hörverlag, 12 CD's, Laufzeit 10 Stunden 15 Minuten

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