Franz Kafkas "Das Schloss" als Hörbuch

Unterdrückung durch Bürokratie

04:42 Minuten
Ein Schloss liegt auf einem Berg. Im Vordergrund das Cover des Hörbuches "Das Schloss".
In Franz Kafkas Roman "Das Schloss" reicht die Stimmung von komischer Bedrückung bis hin zu bedrückender Komik. © Picture Alliance /dpa / Martin Sterba
Von Tobias Wenzel |
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Mit dem Hörbuch von Franz Kafkas Roman "Das Schloss" wurde Weltliteratur wunderbar vertont. Dies liegt – trotz kleinerer Patzer – an der Stimme von Christian Brückner, die die Atmosphäre des Romans meisterhaft transportiert.
Spät abends im Winter kommt K. in einem Dorf an. Das Schloss, das er sucht und das irgendwo über ihm auf einem Berg stehen muss, kann er bei Dunkelheit und Nebel nicht erkennen. Also legt er sich erst einmal in einem Gasthaus schlafen. So lässt Franz Kafka seinen Roman "Das Schloss" beginnen. Der Sohn des Schlosskastellans weckt K., weil der als Fremder eine Erlaubnis zum Übernachten im Dorf brauche. K. schlägt vor, den Grafen darum zu bitten.

Bedrückende Komik

Ein Verwirrspiel beginnt. Zwar gibt sich K. als vom Schloss bestellter Landvermesser zu erkennen, was durch Telefongespräche mit der Schlossbehörde schließlich bestätigt wird, aber je mehr K. sich dem Schloss räumlich und gedanklich zu nähern versucht, desto weiter entfernt es sich von ihm.
Christian Brückner, die deutsche Synchronstimme von Robert de Niro und zudem ein Star unter den Hörbuchsprechern, gelingt es meisterhaft, mit seiner unvergleichlich nuancenreichen Stimme die Atmosphäre des Romans zu transportieren, die von komischer Bedrückung bis zu bedrückender Komik reicht. So behaupten zwei junge Männer, K.s Landvermesserassistenten zu sein, auf die er schon gewartet hat.

Sehnsucht nach Freiheit

Es scheint, als hätte die unnahbare Schlossbehörde die beiden geschickt, um K., den Landvermesser, der nicht zum Vermessen kommt, zu überwachen. Dieser Roman wirft einen bitterbösen Blick auf die Bürokratie, die Kafka als Mitarbeiter von Versicherungen selbst gut kannte, und thematisiert gleichzeitig die Sehnsucht nach Freiheit in einer Welt der Unterdrückung.
Christian Brückner lässt diesen und den vielen anderen Deutungsmöglichkeiten, die der Text hergibt, ihren Raum und der Fantasie des Hörers freien Lauf. Allerdings spricht er einige Male unsauber, sagt zum Beispiel nicht "Schloss", sondern "Schlosch". Bei einer 14-stündigen Lesung kann das natürlich mal passieren. Aber der Regisseur hätte da eingreifen müssen, anstatt die Aufnahme, vielleicht aus Ehrfurcht vor der Sprecherlegende, einfach durchzuwinken.

Rätselhaftigkeit erfahrbar

Abgesehen von solchen Irritationen hängt man an Brückners Lippen, verfolgt gebannt, wie der hohe Beamte Klamm zu K.s Obsession wird, umso mehr, als K. im Dorf eine Beziehung mit Klamms ehemaliger Geliebten Frieda eingeht.
Dieses Hörbuch ist eine wunderbare Gelegenheit, den Roman "Das Schloss", ein Stück Weltliteratur, in seiner ganzen Rätselhaftigkeit zu erfahren.

Franz Kafka: Das Schloß. Ungekürzte Lesung von Christian Brückner
Parlando Verlag, CD, Gesamtlänge: 14 Stunden
EVP: 24,95 Euro

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