"Große Gruppen verhöhnen die Demokratie"
Vor drei Jahren hat sich der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering aus der aktiven Politik zurückgezogen. Er übt seitdem zahlreiche Ehrenämter aus - die Krise der SPD und den Erfolg der AfD verfolgt er dennoch genau.
Zwischen Machtpoker und Herzensangelegenheiten: Lange galt Franz Müntefering als emotionsarmer, in der Sache oftmals harter Spitzenpolitiker der SPD. Erst Ende 2007 offenbarte er einer breiten Öffentlichkeit sein anderes Gesicht: Er trat von allen politischen Ämtern zurück, um seine an einer schweren Krebserkrankung leidende zweite Ehefrau zu unterstützen. Erst nach ihrem Tod kehrte er im August 2008 wieder in die Politik zurück.
Mit den Höhen und Tiefen seines Lebens ist Müntefering häufig offener umgegangen als andere Spitzenpolitiker - beim Coming Out seiner Tochter reagierte er ebenso souverän wie bei der Eheschließung mit seiner 40 Jahre jüngeren jetzigen Ehefrau. Seit drei Jahren hat er sich aus der aktiven Politik zurückgezogen und bekleidet zahlreiche Ehrenämter. Die derzeitige Existenzkrise der SPD ist dennoch im Hause Müntefering ein großes Thema.
Fast jeden Posten in der Politik innegehabt
"Ich wollte Dinge beeinflussen, wollte Dinge verändern können und das ist nach wie vor mein Motiv, mich zu engagieren, Einfluss zu nehmen, weil ich glaube, dass Menschen Dinge verändern können."
Jahrzehntelang engagierte sich Franz Müntefering in der SPD und hatte im Laufe seiner Karriere fast jeden Posten inne, den man in der Politik haben kann. Sein wichtigstes Amt sei der Fraktionsvorsitz der SPD gewesen, sein liebstes der Posten des SPD-Generalsekretärs, sagt er. Seit drei Jahren hat er sich aus der aktiven Politik zurückgezogen und bekleidet zahlreiche Ehrenämter, so ist er Präsident des Arbeiter-Samariter-Bundes. Die tiefe Krise seiner Partei verfolgt Müntefering dennoch genau. Weder sei die Zeit des SPD-Vorsitzenden Gabriel zu Ende noch die der Sozialdemokraten:
"Wenn die vorne einigermaßen vernünftig sich bewegen, dann haben sie eine große Chance, wieder gewählt zu werden, weil die Menschen Sicherheit wollen, sie wollen nichts anderes, sie wollen bei all der Unruhe, die es in der Welt gibt, an der Stelle Sicherheit und Kontinuität und deshalb ist es schwer, aus der Rolle des Juniorpartners in einer großen Koalition nach vorne zu kommen aber da muss man abwarten, es ist jetzt die 65. oder 66. Minute des Spiels und das dauert 90 Minuten."
"Gruppen, die gezielt die Demokratie verhöhnen"
Dennoch habe sich die Stellung der etablierten Parteien verändert, weil das Spektrum der Parteien insgesamt breiter geworden sei:
"Aber das eigentliche Problem ist nicht die AfD, sondern ist eine Entwicklung bei uns im Land, dass es große Gruppen gibt, die ganz gezielt die parlamentarische Demokratie verhöhnen und verspotten und die ganz gezielt Teile des Grundgesetzes nicht wollen. Das geht um Europa, das steht im Grundgesetz, das geht um die Würde des Menschen, um das Asylrecht und das ist ein prinzipieller Unterschied, der da ist, wo ich glaube, dass CDU und SPD und Grüne und auch FDP eindeutig auf einer Seite sind und andere auf der anderen Seite und da kann man keinen Spaß mit machen."
Einer Koalition mit der Linkspartei steht er wegen der pazifistischen Außenpolitik weiterhin sehr kritisch gegenüber. Sein Favorit bleibt eine rot-grüne Koalition.