Franz Orghandl: Der Katze ist es ganz egal
Illustrationen von Theresa Strozyk
Klett Kinderbuch, Leipzig 2020
104 Seiten, 13 Euro
Aus Leo wird Jennifer
06:12 Minuten
"Der Katze ist es ganz egal" von Franz Orghandl befasst sich unaufgeregt mit dem Thema Transsexualität. Keine Botschaft, kein erhobener Zeigefinger, kluge Bemerkungen, überraschende Einsichten, lustig erzählt: ein grandioses Kinderbuch!
Der flotte Titel "Der Katze ist es ganz egal" lässt auf ein nettes Katzen-Kinderbuch schließen - ein Fehlschluss, wie sich schnell herausstellt. Und trotzdem trifft dieser Titel ins Schwarze, denn der Katze ist es eben ganz egal, dass der neunjährige Leo ab sofort Jennifer heißt, weil ihm/ihr plötzlich klar wurde, dass sie sich wie ein Mädchen fühlt.
Leos Eltern ist das aber ganz und gar nicht egal, und damit stecken wir schon mittendrin in einer ebenso turbulenten wie heiteren Geschichte um ein schwieriges, aber immer aktueller werdendes Thema.
Einer großen Verwechslung auf der Spur
Erstaunlich selbstbewusst erzählt Leo seiner Familie, seinen Freundinnen und Freunden, den Großeltern und der Lehrerin, dass er in Wirklichkeit ein Mädchen ist. Die Reaktionen sind unterschiedlich: Der Vater schäumt, die Mutter nimmt ihr Kind ernst, der Opa poltert, die Oma möchte keinen Streit, die Lehrerin ist besorgt und nur die Freundinnen und Freunde haben kein Problem damit.
Es ist berührend und glaubhaft, wie sicher sich Jennifer ist, dass ihr Leben bisher ein großes Missverständnis war. Sie ist einer Verwechslung auf die Spur gekommen. Dass hier nicht nur ein Name verwechselt wurde, sondern auch ein Geschlecht, und dass das alles viel mit ihrem Körper zu tun hat, wird ihr erst mit der Zeit klar.
Nicht jeder, der einen Penis hat, ist ein Junge
Undramatisch ist Jennifers Geschichte erzählt, obwohl das Kind von seinem konventionellen Vater unter Druck gesetzt wird. "Nicht jeder mit Penis ist ein Bub" - davon ist sie überzeugt, und ihre Freundin Anne unterstützt sie: "Auf die Seele kommt es an!" Zwischen Jennifers Selbst-Entdeckung und dem Happy End gibt es jede Menge komischer und schwieriger Situationen, dazu viele kluge Bemerkungen und erstaunliche Einsichten.
Franz Orghandl erzählt - kindgerecht - keine Problemgeschichte, sondern eine lustige Geschichte. Der leise, ironische Ton und die herzliche Atmosphäre erinnern dabei sehr an die Franz-Bücher der großen Wiener Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger.
Theresa Strozyks Illustrationen passen dazu wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge! Schon die Litfaßsäule auf der Titelseite mit Plakaten einer Travestie-Schau und eines Marathonlaufs auf Händen macht klar, dass hier ein ernstes Thema bewusst schräg und spaßig angepackt wird. Herrlich locker wirken die schwarz-roten Zeichnungen, versonnen und vergnügt zugleich, dazu fein und ausdrucksstark in der Differenzierung von Mimik und Gestik.
Keine Botschaft, kein erhobener Zeigefinger
Wohltuend ist auch, dass keinen Moment lang eine Botschaft oder ein erhobener Zeigefinger zu spüren sind! Franz Orghandls liebevoll erzählte Geschichte und Theresa Strozyks spritzige Illustrationen verbinden sich zu einem im besten Sinne aufklärerischen Kinderbuch, das sehr sensibel mit einem wuchtigen Thema umgeht.
Kinder werden hier nicht überfordert und es wird zugleich kein Blatt vor den Mund genommen. Applaus für den Klett-Kinderbuch-Verlag und sein kreatives Künstler-Duo, von dem wir unbedingt mehr lesen und sehen wollen!