Franz Schmidts monumentales Oratorium

Das Buch mit sieben Siegeln

Der Mittelaltar im Genter Altar von Hubert und Jan van Eyck (Ausschnitt) zeigt die "Anbetung des Lammes" als Symbol für das Paradies in einer Frühlingslandschaft. Das Gemälde entstand um 1432.
Vision einer neuen Welt: das Mittelbild des Genter Altars der Brüder van Eyck © picture-alliance / dpa
Der Österreicher Franz Schmidt, geboren 1874, hat unter anderem zwei Opern und vier Sinfonien geschrieben, doch im musikalischen Bewusstsein ist er vor allem mit seinem monumentalen Oratorium nach der biblischen Offenbarung des Johannes präsent geblieben.
Das mag damit zusammenhängen, dass Schmidt sich hier, in der christlichen Bilderwelt, besonders zu Hause fühlte, obwohl sein geistiger und musikalischer Horizont weit darüber hinausreichte und er sich zum Beispiel auch für die Musik Arnold Schönbergs und seines Kreises interessierte. Mit seiner Verwurzelung in der Welt des Katholizismus wirkt der gebürtige Pressburger wie ein Nachläufer Anton Bruckners, dem er auch durch sein langjähriges Wirken als Instrumentalist (Bruckner brillierte auf der Orgel, Schmidt auf dem Cello) und sogar physiognomisch ein wenig ähnelt.
Freilich ist Schmidts Klangsprache gerade in dem fast zweistündigen, 1937 vollendeten Oratorium schroffer, kahler und weniger üppig als die Bruckners, der seine Meisterwerke ein halbes Jahrhundert früher in einem ganz anderen weltpolitischen wie ästhetischen Umfeld schuf. Doch zumindest in seinem geistigen Anspruch nimmt der Jüngere diese wie jede andere Traditionslinie mutig an, denn es gibt kaum ein herausfordernderes (und reizvolleres!) Thema für einen Komponisten als die in der Johannes-Offenbarung niedergelegte Schilderung der Apokalypse: eine Vision, in der eine ganze Welt untergeht, um Platz zu machen für eine neue und dann alle Zeiten überdauernde Glaubens- und Geistesgemeinschaft. Bei solcher Musik gibt es kaum einen Mittelweg: entweder man wird rundum ergriffen oder bleibt total gleichgültig. Die Kopenhagener Aufführung mit ihrem hochkarätigen Interpretenensemble bietet zumindest gute Ausgangsbedingungen, dass diesmal Variante Eins eintritt.


Konzerthaus Kopenhagen
Aufzeichnung vom 21.12.2017


Franz Schmidt
"Das Buch mit sieben Siegeln", Oratorium nach der Offenbarung des Johannes für Soli, Chor, Orgel und Orchester


Herbert Lippert, Tenor - Johannes
Franz-Josef Selig, Bass - Die Stimme des Herrn
Simona Šaturová, Sopran
Marianna Pizzolato, Alt
Mauro Peter, Tenor
Tareq Nazmi, Bass
Michael Schönheit, Orgel


DR Koncertkoret
DR SymfoniOrkestret
Leitung: Fabio Luisi