Französische Neuedition von "Mein Kampf"

Kritischer als die deutsche Ausgabe – aber ebenso umstritten

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Historische Fotografie eines amerikanischen Soldaten, der ein von deutschen Offizieren zerstörtes Porträt von Adolf Hitler betrachtet.
Die Neuausgabe von "Mein Kampf" fördere eine Hitler-zentrierte Betrachtungsweise der NS-Zeit, schreiben Kritiker in Frankreich. © imago / Leemage
Dirk Fuhrig im Gespräch mit Frank Meyer |
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Nach der historisch-kritischen Neuausgabe von „Mein Kampf“ 2016 in Deutschland kommt nun auch in Frankreich eine kommentierte Übersetzung heraus. Dafür gibt es Kritik aber auch Beifall: Serge Klarsfeld, engagierter Jäger von Naziverbrechern, lobt das Buch.
In Frankreich ist nach rund zehnjähriger Arbeit Hitlers "Mein Kampf" in einer kritischen Ausgabe erschienen. Herausgeber ist der Pariser Verlag Fayard. Der ursprüngliche Titel ist jedoch auf dem Cover nicht zu finden.
Stattdessen wird das Kommentierende und Einordnende der 1000 Seiten dicken Ausgabe betont: "Historicer le mal", zu Deutsch: "Das Übel historisieren", sei, so schreibt der Verlag, eine Dekonstruktion des Buches, das leider eine der wichtigsten Quellen zum Verständnis der Geschichte des 20. Jahrhunderts geworden sei.

Einnahmen erhält die Auschwitz-Birkenau-Stiftung

Bislang waren in Frankreich nur unkommentierte Übersetzungen aus den 1930er-Jahren und aus neuerer Zeit in Bibliotheken oder in Archiven zu bekommen. Die neue Ausgabe erscheint in einer Auflage von 10.000 Stück – und ist ebenfalls nur auf Bestellung im Buchhandel erhältlich.
Dem Verlag sei es offenbar sehr wichtig, zu betonen, dass er mit dem Buch keinen Ertrag machen wolle, vermutet der Literaturjournalist Dirk Fuhrig. Fayard informiere darüber, dass Einnahmen durch das Buch der Auschwitz-Birkenau-Stiftung zugutekämen.
In Deutschland erschien 2016 eine kommentierte kritische Ausgabe. Diese ist die Grundlage für die französische Übersetzung. Die Franzosen arbeiteten dafür eng mit dem Institut für Zeitgeschichte in München zusammen, das wiederum seinerzeit die deutsche Neuausgabe betreute. Der jetzt in Frankreich erschienene Band gehe jedoch in Kommentaren und Einordnungen über die deutsche Ausgabe hinaus, das deute sich bereits durch den geänderten Titel an, sagt Fuhrig.

Geteiltes Echo in Frankreich

"Man war deutlich vorsichtiger, würde ich sagen und wollte unbedingt den Namen und Anspielungen auf dem Titel vermeiden, damit es nicht zu einem Fetisch-Buch wird, um das sich alle reißen." Die Kontextualisierung und die historisch-kritische Beurteilung seien noch etwas stärker ausgeprägt als in der deutschen Ausgabe.
Französische Medien wie Intellektuelle haben sich intensiv mit der Neuübersetzung auseinandergesetzt. Die Meinungen gehen auseinander: Während der als engagierter und unermüdlicher Aufarbeiter von NS-Verbrechen bekannt gewordene Serge Klarsfeld die Neuausgabe als "Meilenstein gegen Fake News und Lügen über die NS-Zeit" betrachte, kritisierten andere, das Buch fördere eine zu stark Hitler-zentrierte Betrachtungsweise und Einordnung des Nationalsozialismus.
(mkn)
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