"Die Front National-Anhänger sind sehr lustige Leute"
Der muslimische Franzose und Comedian Yassine Belattar ist mit seiner "Tournee interdite", der verbotenen Tournee, in den Städten unterwegs, in denen der rechtsextreme Front National am Ruder ist. Wird ihm der Zutritt zu kommunalen Theatern verwehrt, tritt er einfach in Schnellimbissen auf.
Die Fans warten schon ungeduldig auf ihren Star. Denn Yassine Belattar ist bekannt für seinen beißenden Humor. Den er selbst als "Ingérable", "Unkontrollierbar", bezeichnet. Auf der Bühne nimmt der 33-Jährige gleich zwei junge Frauen in der ersten Reihe aufs Korn.
Show-Ausschnitt: "Aha, da sind ja verschleierte Frauen! Ich frage die weißen Franzosen im Saal: sollen wir gleich die Polizei rufen?"
Yassine Belattar verschont nichts und niemanden. Vor allem nicht den rechtsextremen Front National. Von dem sind laut Schätzungen 20 Prozent der Bevölkerung angetan. Belattar zählt seine Zuschauer ab.
"Das ist jeder fünfte Franzose. Eins, zwei, drei, vier, fünf – Guten Abend! Ach, jetzt sind Sie nicht so mutig wie in der Wahlkabine. Bei einem Auftritt in der Provinz habe ich auch mal so durchgezählt, Nummer 5 war eine Frau. Ich sagte: na, jetzt sind Sie weniger keck als bei der Stimmabgabe. Und sie gab zurück: Das werden wir beim nächsten Wahlgang sehen!"
Im vergangenen Januar hat Yassine Belattar seine Tournée interdite gestartet – die "verbotene Tournee" steuert landesweit die Hochburgen der rechtsextremen Partei an. Deren Chefin Marine Le Pen habe ein Anti-Belattar-Rundschreiben an alle FN-Gemeinden aufgesetzt, erzählt der Humorist, um ihm den Zugang zu den öffentlichen Theatern zu verwehren. So tritt er in Schnellimbissen auf. Spielt, wenn es sein muss, zwischen Buffet und Toilette.
Kulturpolitik des FN nimmt Bevölkerung als Geisel
"Die Verachtung der Journalisten und Künstler in Paris, die sich weigern, in Städte zu gehen, in denen der Front National am Ruder ist, die ertrag ich einfach nicht. Ich will zeigen: Auch wenn die meisten, die hier wählen gingen, ihre Stimme den Rechtsextremen gaben, so ist doch das Gros der Bevölkerung Geisel der Kulturpolitik des FN. Ich will diejenigen unterstützen, die nicht den FN gewählt haben. Und auch den Anhängern der Rechtsextremen Gelegenheit geben, mal andere Töne zu hören."
Show-Ausschnitt: "Wir haben viel Spaß bei unserer Tournee. Wirklich, die Front National-Anhänger sind sehr lustige Leute – sie wissen es nur nicht. Im nordfranzösischen Henin-Beaumont fragte ich die Gäste im Schnellimbiss ganz vorsichtig: Geht es Euch gut? Und da brüllte einer: Zieh ab in deine Heimat, dreckiger Kümmeltürke, schwimm durchs Mittelmeer."
Bevor Yassine Belattar seiner Berufung zum Humoristen folgte, war er Journalist. Bei seiner "verbotenen Tournee" baut er regelmäßig Sketche mit sorgfältig recherchiertem Lokalbezug ein.
"Beziers beispielsweise ist eine hochverschuldete Gemeinde. Der rechtsextreme Bürgermeister wurde gewählt, weil er vorgab, die Finanzen sanieren zu können. In meiner Show dort zerpflückte ich alles, was er bislang getan hat. Das ist mein Job."
Dass letzten Sonntag erstmals in diesem Ausmaß muslimische Franzosen für die Rechtsextremen stimmten, wertet Belattar als einen Notschrei: die Stimme der Nachfahren afrikanischer Einwanderer würde sonst nicht erhört. Dennoch beschwört der Künstler die Araber und Schwarzafrikaner im Saal, wählen zu gehen. Und nicht für die Rechtsextremen zu stimmen – er würde lieber mehr Zeit mit seinen drei Kindern verbringen als seine Tournee interdite notgedrungen ausweiten zu müssen.