Selbstdarsteller unter sich
Mehr als eine Million Franzosen sahen zu, wie sich zwei eitle Schauspieler um die 50 in einem Landhaus treffen und Molières "Menschenfeind" proben. Die Komödie verbindet Leichtigkeit, Ironie und Menschlichkeit und könnte auch in Deutschland viele Zuschauer finden.
Sie radeln so schön entspannt durch die Natur. Zwei Schauspieler, die sich gleichzeitig belauern, provozieren und manipulieren und eine schöne Italienerin, die von beiden umgarnt wird. Immer wieder gibt es diese leichten, heiteren Momente in Philippe Le Guays neuem Film "Molière auf dem Fahrrad". Dabei treffen zwei ganz unterschiedliche Selbstdarsteller aufeinander. So fliegen dann auch schon einmal die Fetzen, wie hier bei einer Leseprobe, weil das Handy zu oft klingelt.
Der Schauspieler Serge Tanneur, den das Handyklingeln so verrückt macht, hat sich völlig zurückgezogen. Er lebt auf der schicken Ile de Ré im Haus eines verstorbenen Onkels und will nie wieder zurück auf die Bühne oder zum Film. Auch dann nicht, falls Steven Spielberg anrufen sollte. Nur widerwillig hat er sich auf die Leseprobe zu Molieres "Misanthrope - Der Menschenfeind" mit seinem Schauspielkollegen eingelassen.
Fabrice Luchini, einer der populärsten französischen Charakterdarsteller verkörpert Serge Tanneur gewohnt divenhaft und launisch. An seiner Seite, sieht man Lambert Wilson der den selbstgefälligen TV-Star Gautier Valence verkörpert, der vor allem als Fernsehdoktor in einer TV-Serie zu großer Popularität gelangte. Dieser Insiderblick auf die Welt der Schauspieler ist sehr ironisch. Lambert Wilson spielt so eine Rolle gerne:
"Die Selbstironie ist gesund. Man kann so fast seine Alpträume ausleben, sich lächerlich machen. Ich habe da überhaupt keine Hemmungen mehr. Das ist für einen Schauspieler unterhaltsam und hoffentlich auch für das Publikum. Außerdem wirkt es etwas therapeutisch. Man muss seine Dämonen, seine Narren zeigen, alles was voller Pathos steckt und nur noch lächerlich ist. Wenn ein Schauspieler das nicht kann, hat er seinen Beruf verfehlt."
Vor der Kamera kein Konkurrenzkampf – im Film schon
Auch wenn sein Name so schön angelsächsisch klingt, ist Lambert Wilson Franzose mit irischen Vorfahren. Er spielte in zwei Matrix-Filmen den Bösewicht, aber es sind die Filme von Alain Resnais und vor allem das Drama "Von Menschen und Göttern" um französische Mönche in Algerien durch die der heute 55-jährige Franzose reüssierte. Sein Co-Star Fabrice Luchini scheint nicht nur auf der Leinwand gerne eine Diva zu sein. Er reist prinzipiell nie ins Ausland, um seine Filme vorzustellen und er hat gewisse Marotten, wie Lambert Wilson erzählt.
"Ich habe gespürt, dass ich mit Fabrice ein ganz besonderes Spiel spielen musste, das mit dem Theater oder unseren Rollen nichts zu tun hatte. Er ist wie ein menschlicher Vampir, der Informationen über dich braucht. Die musste ich ihm liefern, damit er mich respektierte und ich ihn mir nicht zum Feind machte. Seine Neugier ist fast pathologisch, wenn es um das Leben der Anderen geht. Er schöpft daraus. Diesen Preis musste ich bezahlen und ihm frisches Blut liefern."
Ein Konkurrenzkampf vor der Kamera fand jedoch nie statt, betont Lambert Wilson. Sein Regisseur Philippe Le Guay kennt Fabrice Luchini schon länger. Beide sind seit fast 20 Jahren befreundet und hatten gemeinsam die Idee zu diesem neuen Film. Philippe Le Guay hatte zuvor mit Luchini die schöne Komödie "Nur für Personal" über spanische Gastarbeiterinnen in Frankreich gedreht.
Auch interessante Nebenfiguren
Auch "Molière auf dem Fahrrad" verfügt wieder über diese gesunde Mischung aus Leichtigkeit und Ironie. Philippe Le Guay haucht seinen Komödien aber durchaus auch eine tiefe Menschlichkeit ein und ist im Hinblick auf menschliche Schwächen nachsichtig aber nicht naiv. Er verfügt über ein gutes Timing, sieht die aktuelle Komödienschwemme in Frankreich aber auch mit gemischten Gefühlen:
"Jede Woche startet eine französische Komödie in den Kinos und nur selten finden all diese Filme ihr Publikum. Man möchte im Kino berührt werden. Es geht immer um die Nähe zu den Figuren. Wenn Komödien zu stilisiert sind oder zu dick auftragen, ist es einem als Zuschauer irgendwann egal. Man steigt aus. Die Filme floppen, obwohl sie teuer waren. Das ist dann wie ein Massaker."
Die neue Komödie von Philippe Le Guay gehörte in Frankreich im Vorjahr zu den Gewinnern und hat alles was Deutsche an französischen Filmen lieben: pointierte Dialoge, Situationskomik und einen Schuss Klamauk. Dabei ist das amüsante Werk weit mehr, als nur ein Insider- und Männerfilm über alternde Schauspieler, sondern bietet auch interessante Nebenfiguren auf: Wie eine in Scheidung lebende Italienerin und eine junge Pornodarstellerin, die plötzlich Molière liebt. Zum Schluss folgt dann ein überraschender Coup de Théatre, ein kleiner Paukenschlag, der es in sich hat.