Gesine Palmer, geboren 1960, ist Religionsphilosophin. Sie studierte evangelische Theologie, Judaistik und allgemeine Religionsgeschichte in Lüneburg, Hamburg, Jerusalem und Berlin. 2007 gründete sie in Berlin das "Büro für besondere Texte" und arbeitet seither als Autorin, Trauerrednerin und Beraterin. Ihre Themen sind Religion, Psychologie und Ethik.
Männer ins Damenprogramm
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Wenn mächtige Männer sich treffen, werden ihre Ehefrauen im Damenprogramm inszeniert. Wenn aber eine mächtige Frau anreist, kommt sie oft alleine und hat niemanden, der hinter ihr steht, kritisiert die Theologin und Publizistin Gesine Palmer.
"Your Daddy’s rich, your Ma is good looking" – dieser Traum vom Glück scheint sein Haltbarkeitsdatum deutlich überschritten zu haben. Oder? In den Führungsetagen der Gesellschaft, in den politischen und wirtschaftlichen Eliten auch der westlichen Welt herrscht durchaus noch ein sehr traditionelles Familienbild vor.
Der oberste Repräsentant hat eine Gattin. Diese kümmert sich um das Damenprogramm bei Staatsbesuchen, zeigt sich an seiner Seite, unterhält als "First Lady" ein eigenes Büro mit Stab im Präsidialamt und führt idealerweise die Haute Couture der Saison auf Pressebällen Spazieren. Sie darf heute einen eigenen Beruf haben, aber wenn der Mann eine ganz hohe Position erhält, dann muss für die entsprechenden Jahre die Karriere der Frau zurückstehen.
Meistens sind die Frauen großer Männer da ziemlich kooperativ. Irgendeine Vorbereitung auf die Rolle der "Frau an seiner Seite" gibt es in fast jeder Mädchenkindheit, und so haben auch die meisten Frauen ein Händchen dafür, den Platz mit der zu ihnen jeweils passenden kleineren oder größeren Portion Eigensinn auszufüllen.
Wer steht hinter den erfolgreichen Frauen?
Meistens werden die Rollen immer noch relativ geräuschlos traditionell verteilt - daran haben wir uns ebenso gewöhnt wie an den Anblick von Elke Büdenbender und Dr. Jill Biden. Wir alle kennen auch den Satz: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht mindestens eine starke Frau. Aber wer steht eigentlich hinter erfolgreichen Frauen?
Hat eine Frau ein hohes Amt inne, dann schickt sie den Mann bei Staatsbesuchen kaum ins Damenprogramm. Wir sehen auch eher selten, dass ein Politikerinnengatte "sein kleines Schwarzes" anzieht, um ihr die Hand zu halten oder beim Volk mit selbst gebackenen Keksen gut Wetter zu machen, während sie mit den Großen der Welt plaudert.
In all den gegenwärtigen Rückblicken auf die 16 Jahre Kanzlerschaft Merkel ist von ihrem Mann nicht die Rede – oder wenn, dann in vulgären Spekulationen, die man nicht gesehen haben will. Herrn von der Leyen würde ich auf der Straße nicht erkennen, und wie Christine Lagarde privat lebt, hat sich bis zu mir noch nicht herumgesprochen.
Das können Sie mit ganz wenigen Ausnahmen (etwa dem englischen Königshaus, in dem Prinz Philipps Rolle durch eine sehr alte Ordnung von vornherein festgelegt war) so durchdeklinieren.
"Karrierefrauen schüchtern viele Männer ein"
Der Mann zeigt seine Frau (oder neuerdings auch mal seinen Mann) gern, das geht von ganz oben bis in die Freakshows der sozialen Netzwerke, in denen Männer sich, sofern "in einer Beziehung", auch gern mal so präsentieren. Die öffentlich ehrgeizige Frau hingegen sollte gerade in Beziehungsfragen lieber nicht ausstellen, was sie hat – zu schnell könnte sie es verlieren.
"Karrierefrauen schüchtern viele Männer ein", berichtet die Partnervermittlungsplattform Elitepartner auf ihrer Website. Und ich kenne Menschen, Frauen und Männer, die es deswegen im Sinne der Rettung der Familie für sinnvoll halten, Frauen eher zur Tätigkeit einer Grundschullehrerin oder einer Sachbearbeiterin zu raten.
Die oberen Etagen der Gesellschaft brauchen Erneuerung
Aber Achtung Männer, auch für euch ist die Beziehung nicht mehr selbstverständlich als Kapital zur Hand. Nicht zufällig ging das Video um die Welt, in dem Melania Trump die Hand ihres Gatten auf irgendeinem Rollfeld bei irgendeinem Staatsbesuch wegschlug.
Für einen Augenblick schien offenbar zu werden, was Elite-Partner so formuliert: "Die Faktenlage zeigt, dass Männer Beziehungen mehr brauchen als Frauen." Was passiert, wenn sich das herumspricht? Ich sehe unsere Eliten hier an einer Weggabelung.
Entweder sie folgen weiter den Traditionalist:innen und schicken Frauen zurück in die Abhängigkeit, um mit herkömmlichen Familien dem Verfall entgegenzuarbeiten. Oder sie machen sich bewusster, dass Frauen und Männer einander brauchen. Vielleicht können sich ja auch in den oberen Etagen der Gesellschaft neue Formen der Solidarität und der Repräsentation durchsetzen.
Vielleicht fällt es nachwachsenden Generationen leichter, einander in allen Konstellationen öffentliche Präsenz und Rückzugsräume zu gönnen. Dann wären auch für Führungskräfte soziale und private Beziehungen mehr als Kapital, Kampfbegriff oder wunder Punkt.