Sonja Eismann ist Mitbegründerin und Mitherausgeberin des Missy Magazines. Daneben ist sie Sachbuch-Autorin. Zu ihren Büchern gehören "Glückwunsch, du bist ein Mädchen! Eine Anleitung zum Klarkommen", mit "absolute fashion" hat sie auch eine Einführung in die Modetheorie herausgegeben. Sie lebt in Berlin und Wien.
Wo sind die Politikerinnen?
Zwei Parteien mehr hat der neue Bundestag, aber weniger Frauen: Weniger als ein Drittel der Abgeordneten ist weiblich. Sonja Eismann hält das für bedenklich. Aber es passe in die allgemeine Stimmung eines gesellschaftlichen Backlashs.
Margaret Thatcher. Imelda Marcos. Oder neuerdings Theresa May, Frauke Petry oder Alice Weidel. Diese Namen fallen gerne, wenn es darum geht, dass Frauen in der Politik eben nicht per se sympathischer, humaner oder gar frauenfreundlicher agierten als ihre männlichen Kollegen. Dass jede Frau besonders die Interessen ihrer Geschlechtsgenossinnen verträte, ist ein Irrtum. Das zeigt auch das Beispiel Angela Merkel, die sich in ihrer Politikkarriere nie besonders für Frauenanliegen interessiert hat. Denn tatsächlich sagt das Geschlecht einer Person nichts darüber aus, wie sie ideologisch tickt.
Frauenanteil sinkt
Auch wenn es paradoxal erscheint, dass Frauen politische Positionen vertreten, die zu ihrer eigenen Demontage beitragen, muss klar sein, dass Frauen eben nicht "von Natur aus" die besseren Menschen sind, die selbstlos für eine gerechtere Welt kämpfen.
Warum ist es also bedenklich, dass im neuen Deutschen Bundestag von 709 Abgeordneten nur 218 weiblich sind? Dass der Anteil von Frauen im Vergleich zur vorangegangenen Legislaturperiode von 37 auf 31 Prozent sinkt und damit die niedrigste Zahl seit 19 Jahren erreicht wird?
Wo ist die angemessene Repräsentation?
Auf diese Frage gibt es viele Antworten, und sie machen alle ungeduldig, wenn nicht gar wütend. Zum Beispiel die, dass in einem Land, in dem rund zwei Millionen mehr Frauen als Männer leben, die Mehrheit im Sinne einer repräsentativen Demokratie verlangen darf, dass sie auch zahlenmäßig annähernd angemessen vertreten wird. Oder die, dass Frauen in Deutschland seit Jahren suggeriert wird, sie müssten nur freundlich lächelnd abwarten, statt verkniffen auf Quoten zu pochen, und ihre Stunde würde schon von selbst kommen. Denn wir glauben ja alle an den immerwährenden Fortschritt. Nur fühlen sich die aktuellen politischen Entwicklungen eher nach Rückschritt an.
Tatenlosigkeit spiegelt politischen Backlash
Vor allem, wenn man sich die Personalentscheidungen bei den beiden neu beziehungsweise wieder im Bundestag vertretenen Kleinparteien ansieht: Bei der FDP sind nur 18 der 80 Abgeordneten weiblich, bei der AfD gehen sogar nur 11 von 94 Sitzen an Frauen. Da erübrigt sich zu sagen, dass beide Parteien, genau wie die CSU mit ihren 20 Prozent weiblichen Mitgliedern, nichts von Quotenregelungen halten.
Auch der Umstand, dass Frauen regelmäßig auf die hinteren Partei-Listenplätze verbannt werden und aufgrund von Doppel- und Dreifachbelastungen ohnehin weniger Zeit für politische Ochsentouren in männlich dominierten Milieus frei schaufeln können, stimmt nicht gerade optimistisch.
Trotzdem was Gutes?
Ja, Frauen machen nicht automatisch feministische Politik. Und dass die Positionen der AfD weniger rechts wären, wenn nur mehr Frauen in ihrer Fraktion säßen, glaubt wohl auch niemand. Doch die geringe Berücksichtigung von Frauen in den Bundestagsfraktionen passt in die allgemeine Stimmung eines gesellschaftlichen Backlashs, in dem das längst dekonstruiert geglaubte weiße, männliche Subjekt immer noch die Fäden fest in der Hand hält.
Andererseits hat diese Situation vielleicht auch etwas Gutes: denn während Frauen seit Jahren weis gemacht wird, sie seien doch längst mit den Männern gleichgestellt, muss man hier nur eins und eins zusammenzählen, um zu sehen, dass dem eben nicht so ist.