Elizabeth Prommer/Christine Linke: "Ausgeblendet. Frauen im deutschen Film und Fernsehen"
Mit einem Vorwort von Maria Furtwängler
Edition Medienpraxis 2019
184 Seiten mit 40 Abbildungen, 21 Euro
Unsichtbar oder supersexualisiert
08:07 Minuten
Im deutschen Film und Fernsehen fehlt es an Geschlechtergerechtigkeit: "Auf eine Frau kommen zwei Männer", sagt Medienwissenschaftlerin Elizabeth Prommer. Selbst weibliche Zeichentrickfiguren würden - wenn sie denn auftauchen - "supersexualisiert."
Gibt es im deutschen Fernsehen weniger Rollen für Frauen als für Männer? Vor allem, wenn es um ältere Frauen geht? Wie sind Frauen überhaupt im Fernsehen repräsentiert? Mit diesen Fragen wandte sich die Schauspielerin Maria Furtwängler 2015 an Elizabeth Prommer, Direktorin des Instituts für Medienforschung an der Universität Rostock. Daraus entstand die Studie "Audiovisuelle Diversität", die nun in Berlin vorgestellt wurde.
3500 Stunden Fernsehprogramm und 800 deutsche Kinofilme hat das Team um die Medienwissenschaftlerin analysiert - mit dem Befund, "dass sich seit den 1970er-Jahren mehr oder weniger nichts getan hat", so Prommer im Deutschlandfunk Kultur. Das sei "erschreckend".
Generell herrsche ein krasses Missverhältnis, was die Repräsentation von Frauen und Männern in Film und Fernsehen angeht: "Auf eine Frau kommen zwei Männer." Immer noch verschwänden Frauen ab 30 von der TV-Bühne. "Nicht nur in der Fiktion, sondern auch als Sprecherinnen - nicht als Moderatorinnen, da nicht unbedingt, als Nachrichtenmoderatorin, aber als sichtbare Journalistinnen, Expertinnen und alles, was wir am Bildschirm sehen."
Noch ungleichgewichtiger gehe es ausgerechnet im Kinderfernsehen zu, sagt Prommer. Hier kämen auf eine Frau drei Männer. Alle Moderatoren, die uns im Kinderfernsehen die Welt erklärten, seien Männer.
Weibliche Zeichentrickfiguren sind oft "supersexualisiert"
Prommer zufolge macht die ungleiche Repräsentation der Geschlechter nicht einmal vor Zeichentrickfiguren halt: So seien beispielsweise bei Fantasietieren neun von zehn männlich. Wenn gezeichnete Kinderfiguren präsentieren würden, seien diese häufig "supersexualisiert" - jedenfalls bei Mädchen.
"Die Jungenfiguren sind zu 75 Prozent normal, die Mädchenfiguren sind zu 75 Prozent nicht erreichbar. Also entweder anatomisch gar nicht möglich, weil sie so eine dünne Taille und so breite Hüften haben oder in dem Supermodel-Heidi-Klum-Bereich. Nur ein Mädchen von zehntausend schaut natürlicherweise so aus", so die Medienwissenschaftlerin.
Für die Sozialisation von Mädchen und jungen Frauen hat das Folgen: "Wir haben eingeschränkte Vorstellungskraft und das beeinflusst uns natürlich schon, indem wir als Mädchen und junge Frauen viel weniger Vielfalt für uns feststellen und viel weniger Möglichkeitsräume", so Prommer. "Wir wissen, dass zum Beispiel eine Scully viele beeinflusst hat, Naturwissenschaft zu studieren oder Bogenschießen plötzlich populär durch die Tribute von Panem Filme wurde. Also, dass da Effekte sind."
Mehr Frauen hinter die Kamera
Ein Grund für die Schieflage liegt der Medienwissenschaftlerin zufolge darin, dass es zwar inzwischen viele Redakteurinnen gebe. Aber diese seien in der Regel nicht allein verantwortlich für das Programm. "Wir können feststellen: Je mehr Frauen hinter der Kamera beteiligt sind, (...) sehen wir doppelt so viele, manchmal dreimal so viele weibliche Figuren." Aber: "In dem Moment, wo eine Frau in einem Team mit einem Mann ist, verhält sich dieses Team männlich."
(uko)
Die Studie zur audiovisuellen Diversität ist auch in Buchform erschienen: