Frauen in Kultur- und Medienberufen

"Je größer die Häuser, desto männlicher"

V. l. Tamas Detrich (Ballett), Burkhard C. Kosminski (Schauspiel), Marc-Oliver Hendriks (geschäftsführender Intendant) und Viktor Schoner (Oper).
Auch der Runde Tisch "Frauen in Kultur und Medien" 2016/17 konnte bisher offenbar wenig an der Benachteiligung von Frauen in diesen Branchen ändern. © picture alliance/Bernd Weißbrod/dpa
von Christiane Habermalz |
Da mögen sich Kultur- und Medienbetrieb in ihren Inhalten noch so gern progressiv geben: In der eigenen Praxis hält man von Gendergerechtigkeit offenbar wenig. Ob Theater, Rundfunkanstalt oder Museum - Frauen in Führungspositionen sind Mangelware.
"Ich glaube nicht, dass eine ältere Dame einem männlichen Kollegen meines Alters den Satz sagen würde: Gut gemacht, mein Junge, und ihm dann mütterlich auf die Schulter klopft. Während ich von älteren Herren gerne mal mit einem sanften Schulterklopfen den Satz gehört habe: Gut gemacht, mein Mädchen!"
Dorothea Schöne ist kein Mädchen. Die promovierte Kunsthistorikerin ist Direktorin des Kunsthauses Dahlem und damit Leiterin des Museums der Nachkriegsmoderne in Berlin. Eines kleinen feinen Hauses mit großem Ehrgeiz und geringem Budget. Frauen seien durchaus in der Museumswelt vertreten und zunehmend auch in Leitungspositionen, sagt sie.
"Wir hatten gerade gestern wieder eine Konferenz, wo viele Leiterinnen und Leiter von Berliner Museen zusammengekommen sind, und es ist schon auch interessant, wie viele sehr, sehr selbstbewusste Frauen da sind. Aber gleichzeitig muss man auch schmerzfrei feststellen: Es sind die kleinen Häuser, die von Frauen geleitet werden."

Die Kompetenz der Leiterin des Jazzfests in Frage gestellt

"Ich bin ja die erste Frau nun mal in 55 Jahren Jazzfest-Geschichte. Und wenn man sich diesen Musikbereich, den kann man auch größer als Jazz fassen, anguckt, dann ist der schon noch fest in Männerhand."
Als Nadin Deventer im vergangenen Jahr die Leitung des Berliner Jazzfests übernahm, sah sie sich einem beispiellosen männlichen Abwehrreflex ausgesetzt. Die 41-jährige Kulturmanagerin hatte in Paris und Amsterdam studiert, zahlreiche Jazzfestivals kuratiert, war als einzige Deutsche in den Vorstand des European Jazz Networks berufen worden.
Porträt Nadin Deventer
Kann die das? Wer weiblich und jung ist und eine Führungsposition hat, muss sich wie Nadin Deventer immer wieder diese Frage gefallen lassen.© Nadin Deventer / Camille Blake
Nach ihrer Berufung zur Festivalleiterin schrieb der Kritiker und Jazz-Blogger Michael Rüsenberg von einer 'öffentlichen Hinrichtung des Festivals' und stellte ihre fachliche Kompetenz in Frage. In zahllosen Interviews mit altgedienten Jazz-Redakteuren der ARD-Rundfunkanstalten musste sie sich rechtfertigen, was sie eigentlich qualifiziere und ob sie wisse, in wessen Fußstapfen sie da trete. Das Beharrungsvermögen der Szene war enorm.
"Also der ganze Bereich: Journalisten, Labelchefs, Veranstalter, alle, die halt irgendwas zu sagen haben und diesen Bereich maßgeblich mitbestimmt haben. Aber es gibt auch eine ganz andere große Fraktion derer, denen es ähnlich geht wie mir und die auch kein Bock mehr haben auf diese Arroganz."

Männer inszenieren die Stücke, Frauen sitzen im Publikum

"Je größer die Häuser, je männlicher. Selbstverständlich. Wenn du dich hier in Berlin umguckst, dann gibt es genau eine Frau, die ein Theater leitet: die Shermin Langhoff. Das Gorkitheater, das ist das kleinste und auch das ärmste Theater. Das Deutsche Theater, die Schaubühne, die Volksbühne werden von Männern geleitet."
Amina Gusner hat lange als Schauspielerin auf der Bühne und für zahlreiche Film- und Fernsehproduktionen vor der Kamera gestanden. Seit fast 15 Jahren arbeitet sie ausschließlich als Theaterregisseurin.
Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, ist man von Gendergerechtigkeit besonders weit entfernt. Die Strukturen sind hier besonders hierarchisch. Der Intendant hat das Sagen, herrscht wie ein Gott. Und vier von fünf Theaterintendanten sind Männer.
Gusner nennt weitere Zahlen, sie stammen aus einer Studie des Deutschen Kulturrates, veröffentlicht vor zwei Jahren. Vier von fünf Stücken auf großen Bühnen werden von Männern inszeniert. Drei Viertel aller Theaterstücke wurden von Männern geschrieben. Dabei machen Frauen mindestens drei Viertel des Theaterpublikums aus – in manchen Kleinstädten sogar mehr.
"Ich hab mal 'ne Zeitlang, ich glaube so vier Jahre hintereinander, nur Männer in Sinnkrisen inszeniert. Also das war: Max Frisch. Walser. Hermann Hesse. Auch gute Stücke, ich will das gar nicht schlecht reden. Nur: Wie lange kann man sich als Frau ernsthaft damit beschäftigen? Und muss man das?"

Würde eine Frauenquote helfen?

Beschämend sind auch die Zahlen für die Medien – die doch so gerne den mahnenden Zeigefinger heben, wenn es um Gendergleichheit geht. Chefredakteure an großen deutschen Tageszeitungen? Fast durchweg männlich. Leider ist das auch beim Deutschlandradio der Fall - mit gerade mal 22 Prozent Frauen in Führungspositionen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters kommt zu einem ernüchternden Fazit:
"Gerade die ach so avantgardistische Kultur- und Medienbranche zeichnet sich dadurch aus, dass Frauenbeteiligung in den Führungsebenen noch schlechter ist als in vielen anderen Branchen in Deutschland."
Wie Abhilfe schaffen? Für Amina Gusner führt an einer Quote kein Weg vorbei – und zwar in allen Bereichen des Theaters. Sie engagiert sich in der Initiative Pro Quote Bühne. 50 Prozent Intendantinnen, Regisseurinnen, auch Autorinnen von Theaterstücken.
"Da hört man: Ja, das ist ja total unrealistisch. Und Goethe und Schiller und willst du unsere schönen Klassiker abschaffen. Nicht abschaffen, aber reduzieren! Es braucht neue Frauenbilder. Die Frauen, die sich immer opfern, diese Amalias, das muss aufhören, erzählt zu werden!"
Podiumsdiskussion von ProQuote
ProQuote Diskussion zum Thema: Frauen in Führungspositionen innerhalb der Medien am 22.11.2018.© Anke Beims
Auch als Künstlerinnen, Musikerinnen, Filmschaffende reüssieren Frauen seltener als Männer. Sie sind in der Überzahl an den Kunsthochschulen, doch ihre Zahl bleibt klein bei den großen Ausstellungen, in wichtigen Sammlungen oder in namhaften Galerien. Sie werden deutlich seltener mit Preisen bedacht, und selbstverständlich sind sie auch auf dem Kunstmarkt im hochpreisigen Segment kaum vertreten. Der Grund dafür? Für Dorothea Schöne ist das Thema komplex:
Eine Sache sei sicher, dass Frauen oft zögerlicher sind, sich zu vermarkten, in großen lauteren Formaten zu denken. Aber viel habe mit Strukturen zu tun: Mit männlich besetzten Gremien und Jurys, Freundeskreisen und Berufungskomitees. Aber auch mit familienfeindlichen Strukturen: Viele Künstlerstipendien etwa seien an eine Altersgrenze gebunden, die Frauen, wenn sie Kinder bekommen, schnell überschreiten.
"Das ist ein mehrfach verzahntes System einfach auch, wo Galeristen eine Rolle spielen, wo Sammler eine Rolle spielen. Wo Formate, die verkaufstauglich sind, eine Rolle spielen. Aber es gab jetzt grade einen jungen Deutschen, der eine App gemacht hat und dazu eine Datenanalyse gemacht hat, wie viele einflussreiche Protagonisten es eigentlich gibt auf dem Kunstmarkt. Und das ist eine Handvoll – und das ist eine Handvoll Männer."

Hoffen auf den Kulturwandel

Nadin Deventer achtet beim Jazzfest darauf, dass genauso viele weibliche wie männliche Musikerinnen auf den Bühnen stehen. Selbst in der Männerdomäne Jazz kein Problem.
Viele Frauen in der Kunst wollen keine Quote, sagt Grütters. Auch wenn sie selber sie nicht ablehnt, wenn nichts anderes hilft. In ihrem Zuständigkeitsbereich - den Kulturinstitutionen und Förderinstitutionen des Bundes - hat sie dafür gesorgt, dass Jurys und Besetzungsgremien paritätisch besetzt sind.
Und hofft darauf, dass langsam ein Kulturwandel stattfindet. Als sie ihren Job antrat, erzählt sie, habe sie nach Wochen einmal nachgefragt, wie lange es noch dauere, bis sie Mappen bekomme, auf denen nicht mehr 'Der', sondern 'Die' Beauftragte für Kultur und Medien stehe. Der Vorgang zog sich hin.
"Aber als ich dann gefragt hab, Leute könnt ihr euch vorstellen, dass mein Vorgänger Bernd Neumann auch nur ein einziges Mal mit der weiblichen Mappe ins Kabinett gegangen wäre? Aber ihr findet es selbstverständlich dass ich immer und dauerhaft, bis 3000 Reststücke aufgebraucht sind, mit der männlichen Mappe losmarschiere?"
Am Ende bekam sie ihre Mädchenmappen. Manchmal ist er eben doch sehr zäh, der Kulturwandel.
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