Frauen in Protestbewegungen

Kampf gegen eine "geteilte Welt"

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Beim Internationaler Frauentag am 8.März 2021 halten demonstrierende Frauen auf dem Münsterplatz in Bonn ein Banner mit der Aufschrift "Ohne uns steht die Welt still"
Ohne Frauen hätten viele Revolutionen nicht stattgefunden, sagt die Philosophin Eva von Redecker. © imago images / Dominik Bund
Eva von Redecker im Gespräch mit Britta Bürger |
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Die wichtige Rolle von Frauen in Protestbewegungen gebe es schon seit Jahrhunderten, sagt die Philosophin Eva von Redecker. Ermutigend sei, dass aktuell einzelne Frauen den Kampf für das menschliche Überleben verkörperten, ohne an eigene Ziele zu denken.
Schon immer hätten Frauen eine wichtige Rolle bei Revolutionen gespielt, sagt die Philosophin Eva von Redecker. Sie hat sich auch in ihrem aktuellen Buch "Revolution für das Leben" mit dem Thema beschäftigt. Auch das Datum für den Weltfrauentag erinnere daran: "Den Frauentag feiern wir ja auch am 8. März in Gedenken an die Februarrevolution in Russland 1917, wo auch vorrangig Frauen – Textilarbeiterinnen – mit dem Streik begonnen haben."

Geschichte wird umgeschrieben

In der Geschichtsschreibung würde dies oft aus dem Blick geraten, weil die Revolutionsgeschichtsschreibung sehr männlich sei: "Die weiblichen Protesthandlungen, die sehr wichtig sind für das Vorantreiben und die Zuspitzung der Situationen, wurden eher abgeschrieben." Sie seien dann auf männliche Figuren übertragen worden:
"Man kann das in der Französischen Revolution sehr schön beobachten, dass auch am Anfang die Insignien in der Revolution der Republik alle weiblich sind und dann umgestellt werden – nach und nach auf die männliche Herkulesfigur zum Beispiel. Am Anfang haben wir die Marianne, am Ende dann den Herkules ab 1793."

Anliegen, die alle angehen

Frauenproteste seien oft gesellschaftliche Anliegen, wie etwa die Proteste der Frauen in Belarus, wo um Grundrechte gekämpft werde oder in Polen gegen das verschärfte Abtreibungsgesetz. In beiden Fällen gehe es um die Fragen der gesamtgesellschaftlichen Machtverhältnisse und Strukturen.
Auf ganzer Linie gelungen und exemplarisch sei der Kampf der Suffragetten um das Wahlrecht für Frauen in den USA und Großbritannien zu Anfang des 20. Jahrhunderts. "Weil man so leicht vergisst, wie abseitig und verrückt das bis spät ins 19. Jahrhundert hereinschien und wie militant diese Frauen gekämpft haben, also für eine reine Ausweitung der Rechte, die den Männer zustand."

Unerwartete Wahl der Protestmittel

Damals habe es tägliche Gewalt in den Straßen gegeben, Frauen seien ins Gefängnis gebracht worden und hätten dort Hungerstreiks begangen: "Auf Zwangsfütterungen wurde mit zivilem Ungehorsam reagiert worden. Und dann in der Wahl ihrer Mittel, etwa mit dem gezielten Einwerfen von Fensterscheiben – was uns heute so selbstverständlich erscheint – da gab es einen Moment, wo das undenkbar erschien."
Dass Frauenbewegungen in Wellen stattfänden, wie es etwa die Politologin Michaela Karl beschreibe, könne man so sehen, sagt von Redecker: "Also eine erste Welle, die das Wahlrecht erkämpft hat. Eine zweite, die stark für kulturelle Veränderungen und das Recht auf Differenz gekämpft hat. Dann eine dritte Welle, der Queerfeminismus, wo man noch mal dekonstruierter die Geschlechter in den Blick rückt. Und dann gibt es jetzt eine neue Mobilisierung."
Allerdings übersehe man dabei, dass viele Anliegen nicht neu, sondern sehr konstant seien, aber eben immer noch nicht überwunden worden seien.

Geschichtsunterricht mit Lücken

Dabei spiele auch die Ahnungslosigkeit neuer Frauengenerationen eine Rolle, kritisiert von Redecker. Sie wundere sich, wie wenig sie über die Frauenbewegung in der Schule gelernt habe, so von Redecker: "Dann gibt es manchmal ältere Feministinnen, die wütend sind, dass man ganz stolz ist, dass man sich was überlegt hat. Die dann sagen: 'Das haben wir doch schon den Achtzigern gemacht' – und ich hab's halt nicht in der Schule gelernt."

Kampf für das Überleben der Menschheit

Dass Frauenprotestbewegungen prägend sind, sei nicht neu. Neu sei allerdings, dass zentrale, charismatische Führungspersonen wie etwa Greta Thunberg weiblich sind – und das wecke auch Hoffnung, so von Redecker. Denn verschiedene Bewegungen hätten das Thema der Mobilisierung für die Rettung unserer Lebensgrundlagen. Das sehe man in der Klimabewegung, aber auch bei der Black-Lives-Matter-Bewegung:
"Von Frauen zentral gegründet, die auf eine Art kämpfen, die in all diesen Feldern sehr stark von feministischen Überzeugungen durchdrungen sind. Mit der Vorstellung, dass man Leben reproduzieren muss und nicht nur Reichtum herstellen. Das ist eine, die sich eigentlich aus den traditionell als weiblich beschriebenen Tätigkeiten und Lebenszusammenhängen ergibt."
Es sei ein Kampf nicht für die eigenen Ziele, sondern gegen eine geteilte Welt. Und das komme vor allem einer weiblichen Erfahrungswelt nahe und mobilisiere alle Menschen.
(mle)
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