Weibliche Geldanlagestrategien

Wie Frauen erfolgreich investieren

29:37 Minuten
Illustration: Eine Frau betrachtet eine Euro-Münze im Scheinwerferlicht.
Frauen wollen andere Frauen ermutigen, mehr über Geld nachzudenken. Je früher das passiere, desto besser, sagt Finanz-Start-up-Gründerin Andrea Fernandez. © imago / Ikon Images / Gary Waters
Von Vivien Leue |
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Frauen investieren erfolgreicher an der Börse als Männer. Das zeigen zahlreiche Studien. Allerdings investieren sie deutlich weniger Geld und sind stärker von Altersarmut betroffen. Von Frauen gegründete Finanz-Start-ups wollen das ändern.
Andrea Fernandez kramt in ihrem Büro am Hackeschen Markt in Berlin ein Kartenspiel hervor. „Es gibt Fragen wie zum Beispiel: Stell Dir vor, du sprichst mit deinem jüngeren Ich über Geld, welche Ratschläge würdest du ihm geben?“ Andrea Fernandez hat es entwickelt. Es soll Frauen ermutigen, mehr über Geld nachzudenken. „Weil wir nicht genug über Geld sprechen und das ist so ein wichtiger Schritt.“
Die 46-Jährige stammt aus Costa Rica, arbeitete in New York an der Wallstreet, und kam 2008 für ein großes Investmenthaus nach Deutschland. „Ich habe immer Finanzen gemocht“, sagt sie. Sie studierte und machte Karriere im internationalen Finanzbusiness.
Irgendwann sagte ihre Schwester zu ihr, sie habe Geld gespart und wolle investieren, wisse aber nicht, wie sie damit beginnen solle. „Dann habe ich gesagt: Wir starten mit ETF." ETF steht für Exchange Traded Fund. Das sind Fonds, die einen Index abbilden, den Dax oder Dow Jones zum Beispiel. Sie sind günstig und relativ sicher, weil das Geld auf viele Aktien verteilt wird.
Ihre Schwester habe "keine Ahnung – ehrlich gesagt", so Andrea Fernandez'. Und wie ihrer Schwester geht es vielen Frauen: Beim Thema Finanzen kümmern sie sich nur um das Nötigste.

Frauen sparen viel weniger als Männer

So sparen Frauen laut einer Untersuchung des Deutschen Bankenverbands von 2019 viel weniger als Männer. Während knapp ein Drittel der Männer über 200 Euro im Monat zur Seite legt, macht das nur ein Fünftel der Frauen.
Illustration: Eine Frau sitzt inmitten von Geldmünzen in einem Sparschwein.
Frauen sparen zu wenig – und legen ihr Erspartes zu wenig an. © imago / fStop Images / Malte Müller
Nach der Beratung ihrer Schwester begann Andrea Fernandez damit, Frauen in ihre Wohnung in Berlin einzuladen und ihnen mit Hilfe einer Powerpoint-Präsentation Finanzwissen zu vermitteln. Aus diesen privaten Coaching-Abenden entwickelte sie eine Idee: einen Finanzservice für Frauen, Wissensvermittlung, Coaching und Anlagemanagement. Zusammen mit einem Geschäftspartner gründete die 46-Jährige im Januar 2021 das Unternehmen Vitamin.
Andrea Fernandez, Mitgründerin und Chefin von Vitamin, eines Finanzservice für Frauen:

„Unsere Mission ist, diese Empowering-Ideen zu Frauen zu bringen: Du schaffst das, du kannst das lernen, andere Frauen haben das gemacht."

Und es gehe auch darum zu zeigen, was aus 25 Euro im Monat werden könne.

Frauenbild der 60er-Jahre in Finanzseminaren

Auch Margarethe Honisch, heute gefragte Finanzexpertin, hat um das Thema Geld lange einen Bogen gemacht:

„Ich komme aus der Kommunikations- und Medienbranche und hatte auch ein Leben lang Berührungsängste vor dem Thema Finanzen. Beziehungsweise, es waren nicht mal Berührungsängste. Ich war nicht einmmal so weit, Berührungsängste zu haben, sondern ich habe immer gedacht: Das ist nichts für mich.“

Man brauche sicher viel Geld, um zu investieren, dachte sie. Und außerdem sei das alles kompliziert: Aktien, Fonds, ETFs… „Das ist nur was für sehr reiche Menschen, und so. Also ich hatte da ganz ganz viele Vorurteile.“
Trotzdem wolle Margarethe Honisch nicht, dass ihr gut verdientes Geld einfach nur auf dem Sparbuch liegt, bei null Prozent Zinsen. Dann sei sie auf das Thema Investieren gestoßen. „Ich habe am Anfang Bücher gelesen, zu Aktien, zu ETF und habe dann auch relativ schnell Seminare besucht.“ Das seien kostenlose Seminare gewesen, die etwa von Investmentunternehmen angeboten wurden.
Auch im Internet, bei Youtube zum Beispiel, finden sich unzählige solcher Seminare – die meistens von Männern gehalten werden. Und sie vermittelten oft ein Weltbild aus den 1960er-Jahren, bemängelt Margrethe Honisch. „Zum Beispiel, dass der Seminarleiter allen Ernstes gesagt hat: ‚Ja, aber wenn sie jetzt investieren, dann erzählen sie das nicht zu Hause ihrer Frau, weil die ist dann nur aufgeregt, was sie mit dem Geld machen.‘“ Dann sei ihr auch auf Messen immer mehr aufgefallen, „dass da kaum Frauen waren, dass ich selbst als Frau auch nicht ernst genommen wurde“.

Tabuthema Geld

Zehn Jahre ist das her. Seitdem habe sich einiges getan, sagt Margarethe Honisch, wenn auch bei Weitem noch nicht genug. Zu Letzterem gehöre etwa, „dass selbst die Freundinnen, mit denen ich die intimsten Details meines Lebens teile und andersherum, das Thema als Tabuthema empfanden“. Da gebe es etwas wie eine Grenze. „Über Geld spricht man halt nicht.“
Honisch hat das alles nicht abgehalten. Quasi allein im stillen Kämmerlein habe sie ihr Aktiendepot und ihre ersten ETF-Sparpläne aufgesetzt, später dann noch Einzelaktien gekauft. „Und als ich dann so vier, fünf Jahre später gesehen habe: Das funktioniert ja eigentlich ganz gut, ich verstehe das, ich habe das auch für mich ganz gut umgesetzt und ganz erfolgreich“ – da startete sie mit ihrem Blog: „Fortunalista“, aus dem später auch ein Sachbuch zu weiblichen Anlagestrategien entstand. Ein zweites soll im Herbst folgen.
Studien zeigen regelmäßig: Frauen sind die besseren Anlegerinnen. So erzielten Frauen laut einer Studie der ING im Jahr 2019 eine durchschnittliche Rendite von gut 24 Prozent – Männer lagen etwa einen Prozentpunkt darunter. Frauen investieren der Studie zufolge auch anders als Männer: Mehr in Fonds, statt in Einzelaktien – also weniger riskant. Allerdings investieren Frauen insgesamt deutlich weniger. Laut einer Studie der AXA-Versicherung besitzen 27 Prozent der Männer Aktien, Aktienfonds oder andere Wertpapiere, bei den Frauen sind es nur 18 Prozent.
Margarethe Honisch sagt:

„Ich glaube, die größte Hürde ist, dieses Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu haben."

Das sei ein Thema, das nicht direkt etwas mit Finanzen zu tun habe, das aber vor allem Frauen abhalte, sich mit Finanzen zu beschäftigen.
Bei Andrea Fernandez‘ Berliner Start-up Vitamin beschäftigen sich aktuell gut ein Dutzend Menschen damit, Frauen zum Investieren zu animieren. Die Chefin erklärt:
„Wir wissen, dass 86 Prozent der Asset-Manager noch einen Mann als Zielkunde haben. Der Finanzbereich hat noch nicht wirklich Produkte entwickelt, bei denen Frauen sich aufgehoben fühlen.“

Frauen oft von Altersarmut betroffen

Dabei haben es vor allem Frauen – statistisch gesehen – bitter nötig, sich mit dem Thema Sparen und Investieren auseinander zu setzen. Sie haben meist niedrigere Einkommen und längere Pausen im Berufsleben. Und beziehen im Ruhestand meist geringere Renten.
„In Deutschland bekommen 63 Prozent der Frauen weniger als 900 Euro“, erklärt Fernandez.
Wer hier früh vorsorgt, kann diese Rentenlücke schon mit geringen monatlichen Sparbeträgen auffüllen.
Nach den jüngsten Zahlen der Deutschen Rentenversicherung erhalten Frauen durchschnittlich 801 Euro an eigenen Renten, bei Männern sind es 1179 Euro. Zum Vergleich: Laut EU liegt die Armutsgrenze bei 60 Prozent des mittleren Einkommens von Privathaushalten. Für einen Einpersonenhaushalt waren das 2020 in Deutschland 1126 Euro. Viele Rentnerinnen liegen mit ihrem Monatseinkommen also merklich darunter – und sind auf Transferzahlungen angewiesen. „Und deswegen glaube ich, ist es so wichtig, dass Frauen von anderen Frauen lernen und sehen: Okay, sie haben erste Schritte gemacht, das geht“, so Fernandez.

Große Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern

Die Soziologin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Jutta Allmendinger, beobachtet seit Jahrzehnten, wie Frauen und Männer in Deutschland leben. Beim Thema Finanzen stünden wir bei der Gleichberechtigung in Deutschland wir schlecht da, sagt sie.
Allein der Gender Pay Gap – also die Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern – beträgt je nach Betrachtungsart zwischen 6 und 18 Prozent. Das heißt, Frauen verdienen deutlich weniger als Männer. Sie haben damit auch weniger finanziellen Spielraum, um zu sparen oder zu investieren.
Dazu kommen noch weitere Faktoren, betont Jutta Allmendinger:

„Dieser Gender Pay Gap zeichnet eben nicht nach, dass Frauen viel weniger Stunden in der Woche arbeiten, im Monat arbeiten, im Jahr arbeiten, im Leben arbeiten. Und wenn man sich mal das Lebenseinkommen anschaut, von 1985 geborenen Frauen mit zwei Kindern und es vergleicht mit dem Lebenseinkommen von Männern, 1985 geboren, zwei Kinder, so beträgt die Differenz schon eine Million. Und das zeigt denn ganz deutlich, wie viel weniger Frauen in der Rente zur Verfügung haben.“

Illustration: Eine Mutter trägt ein Kind auf der Schulter und sie hat Einkaufstaschen in der Hand. Rechts und links von ihr sind zwei weitere Kinder an ihrer Hand und ein Hund an der Leine.
Frauen sind im Vergleich zu Männern im Schnitt viel weniger in Erwerbsarbeit tätig, vor allem wegen der Kinder. Und sie verdienen oft weniger. Das sind Gründe für Altersarmut.© imago / fStop Images / Malte Müller
Die Pandemie habe in den vergangenen zweieinhalb Jahren zudem alte Traditionen und Rollenmodelle aufleben lassen: Häufig waren es die Frauen, die ihre Jobs reduzierten und für die Kinder zu Hause blieben. Neueste Daten zeigten außerdem, „dass Frauen sehr viel stärker auch das Ersparte haben angreifen müssen, als es Männer getan haben, so dass wir damit rechnen, dass das Gesamteinkommen über ein Leben sich noch deutlicher von Männern in der Zukunft unterscheiden wird“, sagt Jutta Allmendinger.
Dabei belegen viele Studien, dass Paare zu Beginn ihrer Beziehung durchaus eine gleichberechtigte Partnerschaft leben wollen, auch finanziell, sagt Allmendinger. Spätestens, wenn aus Paaren Eltern werden, gibt es aber offenbar schwer überbrückbare Hürden: Das Ehegattensplitting zum Beispiel, die kostenlose Mitversicherung bei der Krankenkasse, zwei läppische Partnerschaftsmonate beim Elterngeld. Das alles seien keine Anreize für Gleichberechtigung in Beziehungen.
„Das Problem ist, dass Männer meistens älter sind als Frauen. Dass sie daher auch bei dem Zeitpunkt, wo ein Kind geboren wird, schon beruflich etablierter sind und – da sind wir wieder beim Geld – dadurch aber auch mehr verdienen.“ Es lohne sich häufig einfach nicht, wenn der Mann länger zu Hause bleibt.

Stärkere Anreize für Gleichberechtigung

Jutta Allmendinger fordert einen längerfristigen Blickwinkel:

„Wir müssten auch eine Aufklärung machen dahingehend, dass, wenn man am Tisch sitzt, das Kind ist da, die Entscheidungen werden getroffen, dass man nicht das Hier und Jetzt so stark betont, sondern dass man sich ausrechnet, was die Entscheidungen, die man im Moment trifft, heißen für das gemeinsame Leben in zehn Jahren oder in 20 Jahren.“

Sozusagen eine Investitionsrechnung auf lange Sicht. „Wenn man sich als Frau klar macht: Wenn ich jetzt ein Jahr ausscheide, wenn ich dann fünf, sechs Jahre oft in niedriger Teilzeit erwerbstätig bin, ist meine Karriere, zumindest in dem Job, den ich gelernt habe, gelaufen.“ Die Frau könne nicht die Ziele erreichen, die sie sonst erreichen würde, während der Mann, der nach einer Geburt interessanterweise die Arbeit noch immer aufstocke, die ohnehin bereits halb erreichten Ziele mit der größeren Wahrscheinlichkeit erreiche. „Das kann auch einem Paar nicht guttun.“
Jutta Allmendinger, Soziologin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, spricht von einer No-Win-Situation und fordert, stärkere gesetzliche Anreize zu setzen, um Paare darin zu unterstützen, gleichberechtigt Entscheidungen zu treffen. Mehr Partnerschaftsmonate zum Beispiel, kein Ehegattensplitting oder eine Frauenquote.
Die neuen Finanz-Start-ups, Blogs und Coachings für Frauen setzen aufs Investieren. Ob Frau zu Hause bleibt, ihren Job reduziert oder Karriere macht – wichtig sei, dass sie sich um ihr Geld kümmere, um später nicht unter Altersarmut zu leiden.

"Frauen sind bessere Investoren"

Altersarmut ist weiblich – das ist das zentrale Ergebnis einer Studie der Uni Köln. Gut ein Viertel der über 80-Jährigen Frauen leben unterhalb der Armutsgrenze, bei Männern sind es 17 Prozent. Nach einer Prognose der Bertelsmann-Stiftung, wird sich die Lage bis 2036 sogar noch verschlechtern. Die Erklärungen hierfür sind vielschichtig. Die niedrigeren Einkommen von Frauen spielen eine Rolle, aber möglicherweise auch die gesetzliche Lage. Bis in die 1970er Jahre hinein hatten Frauen nur wenig Geld zur Verfügung – eigenes Sparen oder Investieren war unmöglich. Bis 1977 konnten Männer in der Bundesrepublik sogar den Job ihrer Frau kündigen, wenn sie mit der Haushaltsführung nicht einverstanden waren.
Andrea Fernandez – Gründerin und Chefin des Start-ups Vitamin, eines Finanzservice für Frauen – glaubt, dass Frauen auch deshalb einerseits weniger Erfahrung mit Investitionen hätten und andererseits von der Finanzbranche auch noch nicht adäquat angesprochen würden.
Dabei seien sie ja durchaus erfolgreich, wenn sie sich denn nur trauten, ist Andrea Fernandez, überzeugt:

„Sie sind am Ende des Tages bessere Investoren, weil sie nicht so spekulativ sind, sondern langfristig fokussiert sind.“

Doch sie müssten anfangen, so bald als möglich. „Sie müssen sparen und investieren, weil: Zinseszins ist die Zukunft.“ Zinseszins sind die Zinsen, also Geldgewinne, die Anleger und Anlegerinnen auf ihre zuvor schon erhaltenen Zinsen bekommen. Dafür müssen sie die anfallenden Gewinne wieder direkt reinvestieren. Sie profitieren dadurch von einem exponentiellen Wachstum ihres Geldes, das sich vor allem bei langen Anlagezeiträumen von 15 Jahren und mehr bemerkbar macht.

Erst mal alle Anlagen und Versicherungen ordnen

Die Finanzexpertin Karolina Decker hat ihr Büro auch in Berlin, am Kurfürstendamm. Die Geschäftsführerin des Finanz-Start-ups „Finmarie“ gehört schon zu den älteren Mitspielerinnen des neuen Geschäfts. 2017 gründete sie mit zwei anderen Frauen die Non-Profit-Organisation „Mind the Gap“. Ihr Ziel: Finanzielle Gleichberechtigung – bis 2030, spätestens. Ihre erste Veranstaltung hätten sie „ein bisschen provokativ genannt: ‚Women, Wealth and Wine‘ – und plötzlich kommen 80 Frauen“, sagt sie lachend. „Wir wussten damals nicht: Wegen ‚Wine‘, wegen ‚Wealth‘, wegen Finanzen?“
Es war das Stichwort „Wealth“ – Vermögen – und das Thema Finanzen, das die Frauen so brennend interessierte. Also gründete Karolina Decker mit ihrem Wissen aus zehn Jahren Finanzbranche in Polen und Deutschland „Finmarie“ – eine Finanzberatung für Frauen.
Nach der ersten Beratung müssten Frauen oft in erster Linie einiges ordnen: „Da muss man schauen: Okay, hier habe ich einiges für mich abgeschlossen. Wie komme ich auf diesen Fonds, kann ich diesen Fonds pausieren, auflösen?“ Ein großes Thema seien Versicherungen. Im Durchschnitt hätten die Deutschen vier verschiedene. „Die Frage ist: Lohnt es sich, alle zu haben?“

Frauen investieren langfristiger

Insbesondere Frauen, die ohnehin über ihr Leben hinweg weniger verdienen, sollten ganz genau hinschauen, wo sie investieren. Das Geld für eine vielleicht überteuerte oder gar unnütze Versicherung wäre möglicherweise besser in einem Aktien-Fond aufgehoben. Auch müsse man prüfen, ob ein Produkt, das vor zehn Jahren sinnvoll gewesen sei, es in der aktuellen wirtschaftlichen Situation und angesichts der aktuellen Geldpolitik noch immer sei.
Natürlich können auch die klassischen Finanzberater und Banken hier Hilfestellung geben. Aber Frauen – das erzählen die Finanzexpertinnen unisono – fühlten sich dort häufig nicht verstanden.
So sagt auch die Berliner Finanzexpertin Karolina Decker:

„Frauen investieren nicht, um quasi maximale Rendite zu erwirtschaften, sondern Frauen investieren in Ziele.“

Das könne der sichere Ruhestand sein, eine Weltreise oder das Geld für die spätere Ausbildung der Kinder. Dieser Fokus auf bestimmte, meist langfristige Ziele könne dazu beitragen, dass Frauen die besseren Anlegerinnen sind.
Weil Frauen allerdings häufig wenig Erfahrung beim Investieren haben, fühlten sie sich in geschützten Gruppen, unter sich, oft sicherer. „Ich glaube, uns fehlen immer noch die Role-Models und auch Beispiele, die zeigen, dass eine Frau es geschafft hat. Und sie legt jetzt Geld an und sie profitiert vom Zinseszinseffekt.“
Doch allmählich würden die Frauen selbstbewusster, beobachtet Finanzexpertin Karolina Decker.
Laut dem deutschen Aktieninstitut investierten 2021 gut zwölf Millionen Deutsche ihr Geld in Aktien oder ETFs, also Index-Fonds. Knapp acht Millionen waren Männer, gut vier Millionen Frauen. Ein Ungleichgewicht, das sich zuletzt noch verstärkt hat. Der Anteil der männlichen Aktionäre ist seit 2011 um fünf Prozentpunkte gestiegen der weibliche Anteil im selben Zeitraum nur um drei Prozentpunkte.

"Mehr Geld bedeutet mehr Unabhängigkeit"

Financery ist ein weiteres Frauen-Finanz-Start-up. Es sitzt in Düsseldorf, nahe der mondänen Königsallee.
Auch hier sollen Frauen ermutigt werden, die Chancen des Kapitalmarkts für sich zu nutzen, wie Chefin Maria Mann erklärt: „Mehr Geld bedeutet ja auch mehr Unabhängigkeit, nicht nur finanzielle Unabhängigkeit, sondern wenn ich weiß, ich habe genügend Geld auf meinem Konto, dann kann ich ja auch selbstbestimmt Entscheidungen treffen. Das heißt, Geld ist einfach entscheidend und entscheidet.“ Die 39-Jährige kommt aus der IT-Branche, hat für Finanzdienstleister Apps und Online-Services entwickelt, bevor sie sich selbständig machte.
Finanzielle Bildung sei schaffe eine Grundlage. Aber, sagt Mann: „Wir beobachten auch, dass viele Frauen dann doch nicht investieren. Das heißt, es braucht noch einen Schritt mehr.“ Deshalb bietet sie Frauen nun eine computergestützte Anlageberatung an: Ab 50 Euro im Monat können Kundinnen – und auch Kunden – in ETFs, also Aktienfonds, investieren, die zum individuellen Anlage- und Risikoprofil passen.
„Das heißt, man braucht sich gar nicht mehr selbst so viel zu informieren und zu kümmern. Wir überwachen auch das Portfolio und passen es gegebenenfalls an.“
Klingt wie eine herkömmliche Vermögensverwaltung – und ist doch ganz anders, sagt Maria Mann.
„Für uns als Unternehmen steht ja auch eine ganz andere Vision dahinter: Frauen zu stärken.“
Ob dafür eine benutzerfreundliche App und weibliche Ansprache reichen? Financery hat auf jeden Fall prominente Unterstützung, so ist unter anderem die international tätige Investmentgesellschaft Blackrock mit an Bord.
„Es braucht Zeit, definitiv“, so die Financery-Chefin. „Wir sind da sicherlich noch nicht dort, wo wir sein möchten. Aber wir sehen absolut das Bewusstsein, dass man eben selbst aktiv werden sollte.“ Dazu gehört laut Maria Mann auch das Gespräch mit dem Partner, sollte sich eine Frau entscheiden, zum Beispiel für die Kinder eine Zeitlang zu Hause zu bleiben. Die dadurch entstehenden Einkommensunterschiede könnten durch regelmäßige Sparbeiträge ausgeglichen werden. „Das sind ja gut und gerne mal 500 bis 800 Euro pro Monat. Und dann kann man zum Beispiel auch den Kompromiss finden, dass dieses Geld vielleicht für sie angelegt und investiert wird und sie damit für sich für später vorsorgen kann.“
Frauen sollten diese Themen mit mehr Selbstbewusstsein angehen, sagt Maria Mann, die Chefin des Frauen-Finanz-Start-ups Financery:

„Während Frauen, glaube ich, länger darüber nachdenken, wie sie ihr Geld anlegen und versuchen, alle Möglichkeiten abzuwägen, sind, denke ich, Männer hier etwas schneller und spontaner unterwegs. Sie handeln dann auch mehr, tatsächlich im Sinne von Handeln an der Börse: Das heißt sie verkaufen und kaufen viel aktiver. Aber dieses kurzfristige Verkaufen und Kaufen an der Börse führt eher zu Verlusten, weil zum einen höhere Kosten entstehen und zum anderen meistens ja nicht zum optimalen Kurs verkauft oder gekauft wird. Und deswegen ist diese langfristige Strategie von Frauen insgesamt bisher zumindest immer erfolgreicher.“

Katja Ruhnke kommt aus einer Unternehmerfamilie, ihr Büro befindet sich im Familienunternehmen für Logistik und Baudienstleistungen in Unterschleißheim bei München. „Das Thema investieren – zum Beispiel auch am Aktienmarkt investieren, in Immobilien – das haben wir wirklich ganz, ganz früh gelernt“, sagt sie mit Blick auch auf ihre Schwester Conny Hörl. Mittlerweile sind sie und ihre Schwester mit einer eigenen Venture-Capital-Firma zu Star-tup-Investorinnen geworden: weibliche Business Angels, die Geld geben für neue Ideen.

"Eine tolle Spielwiese für Frauen"

Auf einer Start-up-Konferenz sei ihr klar geworden, dass auch sie in Start-ups investieren könne. „Ich saß mit offenem Mund da und dachte mir: Oh mein Gott, hier passiert die Welt, du bist am Puls der Zeit, hier werden die ganz neuen Sachen erfunden und man kann auch noch mit dabei sein.“
Schritt für Schritt tasteten sie und ihre Schwester sich an die neue Investment-Welt heran, ohne Angst, aber mit weiblicher Intuition, wie Katja Ruhnke erzählt:

„Was wir machen, meine Schwester und ich, ist sehr frühphasig Direktbeteiligungen einzugehen. Das ist tatsächlich richtig risikoreich, das muss man einfach sagen. Das ist ein bisschen hop oder top. Natürlich ist aber auch im Gegenschuss immer die Chance auch viel höher. Und da kann man immer sagen: Greife ich Chancen oder sehe ich Risiken?“

Sie sei dabei nicht blauäugig, sagt die 42-Jährige. Auch sie habe schon Verluste erlitten – mit Wertpapieren.
Wer sein Portfolio allerdings breit streut – also auch im Bereich Start-ups nicht nur in ein, sondern in mehrere junge Unternehmen investiert, minimiert damit das Gesamtrisiko. Aktuell halten die Schwestern 14 Direktbeteiligungen.
„Es ist so eine tolle Spielwiese für Frauen, weil: Man wird wirklich geschätzt, dass man das macht.“ Denn: Was es im Venture-Capital-Bereich – also beim Wagnis- und Risikokapital – zu wenig gebe, seien Frauen. Bei den ersten Veranstaltungen, die sie besuchte, sei sie oft die einzige Frau im Raum gewesen. Doch die Männer hätten durchweg positiv reagiert. „Man hat das Gefühl gehabt, dass die alle gedacht haben: Endlich, Gott sei Dank, kommt hier mal eine Frau in den Raum, wird das mal aufgebrochen. Denen war schon längst klar, dass das natürlich viel besser ist, wenn man auch weibliche Blickwinkel an den Tisch bekommt.“

Frauen tauschen Erfahrungen aus

Mittlerweile gibt es im Bereich Start-up-Finanzierung eigene Frauen-Netzwerke. Hier können sich Anlegerinnen über ihre Erfahrungen austauschen, Fragen stellen, Vorbilder finden. „Und deswegen ist es, glaube ich, schon gut, dass es diese geschützten Räume gibt, wo man erst mal sagen kann: Ich kann das lernen.“
Das sollte bundesweit viel häufiger und früher möglich sein. Es sei ihr ein großes Herzensanliege, dass man das Thema investieren in der Schule lerne. Es sei bitter, dass das nicht der Fall sei. In der Schule würden alle erreicht: Mädchen, Jungen, arm, reich. Sie finde es sträflich, „dass man die Menschen vom Vermögens-Aufbau ausschließt.“

"Ihr dürft es nicht den Männern überlassen"

Um in Aktien zu investieren, brauche es nicht viel Geld und selbst für den Einstieg in Start-ups reichten für den Anfang wenige tausend Euro. Wenn man vor zehn Jahren angefangen hat, anzulegen, in den Dax, hat man 120 Prozent gemacht. Und das soll mir jetzt mal einer sagen, wo man das sonst auf der Welt erreicht.“
Katja Ruhnke versucht nun erst einmal, ihre Freundinnen zum Investieren zu ermuntern. „Die sind schon wahnsinnig genervt, wenn ich wieder sage: ‚So, habt ihr jetzt schon ein Depot eröffnet? Weil, ihr dürft es doch nicht einfach irgendjemand anders überlassen. Ihr dürft es nicht den Männern, nicht den Vätern, nicht irgendjemand überlassen.‘“
Zumal Frauen an der Börse meist erfolgreicher seien als Männer. „Weil wir eben nicht ganz so risikoreich investieren, sondern einfach ein bisschen nachhaltiger, strategischer denken. Also das gilt für alle Anlageklassen, dass Frauen eigentlich die besseren Investorinnen sind, auch wenn die Männer das nicht so gerne hören.“

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