Öffentliche Toiletten

Frauen müssen übrigens auch mal

Beleuchtetes Schild für eine öffentliche Damentoilette.
Öffentliche Toilette für Frauen: Hier weist sogar ein Leuchtschild den Weg. Oft sind sie nur schwer zu finden. © IMAGO / Gustavo Alabiso
In der Regel warten Frauen bei öffentlichen Toiletten viel länger als Männer, bis sie sich endlich erleichtern dürfen. Dass das so ist, daran haben sich alle gewöhnt – bis auf die Frauen vielleicht.
Jeder kennt das: In der Konzertpause bilden sich lange Schlangen. Vor der Frauentoilette. Bei den Männern geht es deutlich schneller voran. Und auch im städtischen Raum haben Frauen es deutlich schwerer als Männer, ihre Notdurft zu verrichten. Ein Zustand, der kaum noch hinterfragt wird: Dabei geht es hierbei nicht nur um Erleichterung – sondern auch um die Möglichkeit, sich in öffentlichen Räumen zu bewegen, um Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe. Und auch schlicht um Gerechtigkeit, die Gleichbehandlung der Geschlechter.

Wie lange warten Frauen vor öffentlichen WCs, wie lange Männer?

Dazu gibt es keine gesicherten Zahlen. Forscher der Universität Gent haben aber vor einigen Jahren eine Modellrechnung präsentiert. Nach dieser warteten Frauen – bei erhöhtem Besucheraufkommen auf Veranstaltungen – 6 Minuten und 19 Sekunden, Männer hingegen gerade einmal elf Sekunden.

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Die Wissenschaftler nahmen dabei an, dass die WC-Bereiche für Männer und Frauen gleich groß sind und Frauen durchschnittlich 1 Minute und 30 Sekunden auf dem Klo brauchen, Männer hingegen nur eine Minute. Das liegt allein schon daran, dass das Pinkeln auf einer Sitztoilette aufwendiger ist, als sich an ein Urinal zu stellen und nur den Hosenschlitz öffnen zu müssen. Frauen müssen auch Binden oder Tampons wechseln, Männer nicht.

Wenn Frauen länger brauchen – müssten ihre Toilettenbereiche dann nicht einfach größer sein?

Ja, aber die Frage beantwortet sich eigentlich von selbst. Frauen brauchen in der Regel nicht nur ein bisschen länger als Männer, um sich zu erleichtern, es gibt für sie in öffentlichen Toilettenbereichen in der Regel auch weniger Klos. Denn die Urinale auf den Männertoiletten sparen Platz – eine Sitztoilette ist deutlich breiter als ein Platz an der Rinne. Doch die Grundfläche der WC-Bereiche für Männer und Frauen ist oft die gleiche. Hier kann man wohl nur von Fehlplanung sprechen.

Frauen bezahlen, Männer nicht

Unverständlich ist auch, wenn bei öffentlichen Toiletten – beispielsweise in Parks – die Männer schnell und kostenlos ein Urinal nutzen können, Frauen aber für die Sitztoilette bezahlen müssen. Die städtische Planung von öffentlichen Toiletten orientiert sich hier weniger an dem menschlichen Bedürfnis, sich zu erleichtern, sondern vielmehr daran, dass Männer hinter den nächsten Baum pinkeln, wenn sie keinen anderen schnellen und bequemen Weg für ihr Bedürfnis finden.
Der wild urinierende Mann sei „eine sehr viel präsentere Person“ im öffentlichen Raum als die wild pinkelnde Frau, sagt die Jenaer Sozialgeographin Katharina Ciax. Es braucht also Lösungen, damit Männer nicht öffentlich an Mauern oder auf Beete urinieren: Ergo gibt es dann das kostenfreie Urinal.

Was haben öffentliche Toiletten mit Teilhabe zu tun?

Die Anzahl öffentlicher Toiletten entscheidet mit darüber, wie frei sich Menschen außerhalb ihrer vier Wände bewegen können. An der Geschichte der öffentlichen Toiletten könne man zeigen, wie sehr Frauen am öffentlichen Leben teilhaben konnten, sagt die Architekturhistorikerin Barbara Penner. Sie hat zu Aborten im viktorianischen London geforscht. Vor 150 Jahren gab es in der Stadt an der Themse Auseinandersetzungen darüber, ob öffentliche Toiletten für Frauen gebaut werden sollten oder nicht – wobei es für Männer schon längst Urinale und Klokabinen gab.
„Öffentliche Toiletten für Frauen waren schon immer ein Streitpunkt, und galten als moralisch suspekt“, sagt Penner. Denn: „In der viktorianischen Ideologie waren Frauen körperlose, moralische, reine Engel des Haushalts.“ Frauen, die in der Stadt herumliefen, in Geschäften oder Theatern, stellten dieses Bild in Frage. „Und schlimmer noch: Sie machten deutlich, dass Frauen Körper haben, und dass diese Körper sehr grundlegende Bedürfnisse haben.“
Vor einer öffentlichen Toilette in London hat sich eine lange Warteschlange gebildet. Das Foto ist eine schwarz-weiß Aufnahme.
Das Warten vor öffentlichen Toiletten hat für Frauen eine lange Tradition. Hier eine undatierte Aufnahme aus London.© picture-alliance / akg-images / Paul Almasy / Paul Almasy
Die „anständige“ Frau blieb im viktorianischem London also zu Hause – und brauchte deswegen auch keine öffentliche Toilette. Dabei waren gerade Frauen aus der Arbeiterklasse immer schon im öffentlichen Raum unterwegs, Marktfrauen und Kindermädchen zum Beispiel. Für Penner sind Toiletten deswegen nicht nur eine Geschlechter-, sondern auch eine Klassenfrage.

Öffentliche Toiletten – ist das Thema immer noch peinlich?

Anscheinend ja. „Was uns immer wieder begegnet, ist eine Form von Verlächerlichung des Themas“, sagt die Sozialgeografin Katharina Ciax von der Universität Jena. Und das selbst bei Menschen, die sich sonst sehr kritisch mit Fragen von Zugang zu öffentlichen Räumen und dem Recht auf Stadt auseinandersetzten. Der größere Zusammenhang von öffentlichen WCs und Teilhabe-Fragen werde ganz häufig gar nicht gesehen, so Ciax.
Die Industriedesignerin Bettina Möllring von der Kunsthochschule in Kiel berichtet von ähnlichen Erfahrungen. Sie hat verschiedene Entwürfe für Frauentoiletten gemacht. Doch die Relevanz des Themas werde nicht immer erfasst, sagt sie. „Dann geht es natürlich auch um Peinlichkeit, um Scham“, so Möllring: „Wenn man die Toilette verwendet, muss man sich entkleiden.“ Und auch die Sexualität spiele eine Rolle. Letztlich fehle sogar eine Sprache für das Thema – es sei schwer, sich richtig darüber auszutauschen.

Gibt es genug öffentliche Toiletten?

Das kommt darauf an, wen man fragt. Stadtverwaltungen mögen zufrieden damit sein, was sie auf diesem Gebiet leisten, die Autorin Anne Backhaus ist es nicht.
„Öffentliche Toiletten sind rar, selten ausgeschildert. Findet man eine, ist sie oft verdreckt, ohne Papier, ohne Seife“, schreibt sie: „Oder sie kosten Geld. Das muss man als Münze dabeihaben oder man kann nur mit Karte bezahlen. Beides schließt Menschen aus.“ Öffentliche Toiletten gehörten eigentlich zur Daseinsvorsorge. In der Praxis aber tränken manche Frauen stundenlang vor Stadtbesuchen nichts, und ältere oder inkontinente Menschen blieben gleich ganz zu Hause.
In ganz Hamburg haben den Backhausschen Ausführungen zufolge von 772 Spielplätzen nur elf Toiletten. Die Notdurft: Es gebe wohl kaum ein anderes Thema, das einerseits alle Menschen betreffe, andererseits aber in stadtpolitischen Diskursen so wenig Beachtung finde, klagt die Aktivisten-Gruppe klo:lektiv. „Pinkeln ist politisch“, heißt es auf ihrer Webseite.
Wie viele öffentliche Toiletten es in Deutschland gibt, ist unklar. Es gibt „Toiletten-Finder-Apps“, die über 100.000 Standorte verzeichnen. Städte und Kommunen betreiben die Toiletten entweder selbst oder lassen sie von externen Firmen betreuen. Berlin gibt pro Jahr rund 17 Millionen Euro für rund 380 öffentliche Toilettenanlagen aus, hinzu kommen knapp hundert, die von privaten Anbietern betrieben werden.
Backhaus mag die geringe Anzahl nur mit Sarkasmus betrachten: „475 öffentliche Toiletten. Wow! Das wird bestimmt auch die zehn Millionen Touristen freuen – sollten sie Kleingeld fürs Klo dabeihaben.“ Ihr Fazit: „Es mangelt nicht nur an Toiletten, sondern an Respekt vor der Menschenwürde.“

ahe
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