Frauenpower in Finnland
Haben erfolgreich die sogenannte gläserne Decke durchbrochen: Am 10. Dezember ist die finnische Premierministerin Sanna Marin (3. v.l.) mit ihren Kabinettsmitgliedern, davon zwölf Frauen, zwei Jahre im Amt. © imago images/Lehtikuva
Jung, weiblich und progressiv
21:45 Minuten
Finnland macht es vor: Seit zwei Jahren führt die 36-jährige Premierministerin Sanna Marin nicht nur die Regierung an, sondern auch ihr Kabinett ist fortschrittlich. Von 19 Ministerposten sind 12 mit Frauen besetzt.
Händeschütteln zur Begrüßung – daraus wird so schnell nichts mehr. Wegen Corona. Li Andersson, Bildungsministerin in Finnland, macht sich da keine Illusionen. Ihrer guten Laune tut das keinen Abbruch.
„I think we have managed to break a lot of glass ceilings in politics at least.”
Die gläserne Decke für Frauen in der Politik: Im 5,5-Millionen-Land ist sie längst in tausend Teile zersplittert. Die 34-Jährige zieht in ihrem Büro in der Meritullinkatu 10 der finnischen Hauptstadt Helsinki die Augenbrauen hoch. Das ist ihr jetzt ein bisschen zu dick aufgetragen. Mit Superlativen hat es die Frau im schwarzen Hosenanzug generell nicht so. Mit Spitznamen auch nicht.
„Famous five“ – so nennt die Hauptstadtpresse sie und die vier anderen Parteivorsitzenden der Mitte-links-Koalition von Regierungschefin Sanna Marin schon mal gerne. Was die „glorreichen Fünf“ besonders macht: Alle sind Frauen. Vier unter 40, darunter die Premierministerin.
„Ich bin bei dem Spitznamen hin und hergerissen. Einerseits finde ich es sehr gut, weil wir ein Zeichen setzen. Beispiele sind. Für junge Frauen mit kleinen Kindern, die sich in der Politik engagieren und zusammen das Land führen. Ich denke, das ist ein gutes Signal, auch global. Da bin ich schon ein bisschen stolz drauf.
Andererseits gibt es diese Tendenzm sich nur auf das Führungspersonal zu fokussieren. Ich finde es ehrlich gesagt wichtiger, uns daran zu messen, was wir für die Gesellschaft tun, als sich darauf zu konzentrieren, dass wir junge Frauen sind und wie wir aussehen. Es ist schon auffällig: Viele ausländische Journalisten und Journalistinnen wollen immer wissen, was für Politikerinnen wir sind, statt zu fragen: Was macht ihr für Politik? Wie wollt ihr der Gesellschaft helfen?“
„Die Väter können sich auch ums Baby kümmern“
Mehr Geld für Schulpsychologen und Pädagoginnen. Die große Bildungsreform, die unter anderem vorsieht, die Schulpflicht von 16 auf 18 Jahre zu verlängern: Das sind Themen, die Li wichtig sind. Zwar ist sie erst 34, doch Politik macht sie schon eine halbe Ewigkeit.
Li schielt verstohlen auf die Uhr neben dem Gemälde der finnischen Malerin Jenni Hiltunen mit einer pinken Faust in der Mitte. Es wird Zeit. Gleich trifft sich das Kabinett. Am Nachmittag muss die Linke rüber ins Parlament – zur wöchentlichen Fragestunde. Dazu jede Menge Papierkram, Teams-Sitzungen.
Awa, ihr Baby, dürfte sie erst spät abends zu Gesicht bekommen. Die Ministerin zuckt mit den Schultern. Alles halb so wild. Schließlich kümmert sich ihr Mann zu Hause um die Tochter. Sie selbst war nach der Geburt für ein halbes Jahr in Elternzeit. In ihrer Abwesenheit hat sie ihr Vize vertreten.
„Ich bin nicht die erste Ministerin, die in Elternzeit gegangen ist, aber normal ist es nicht, nein. Vielleicht für unsere Regierung. Morgen geht ja Maria Ohisalo, die Grünen-Vorsitzende und Innenministerin, in Elternzeit. Ich denke, das ist etwas, dass wir noch stärker in den Vordergrund stellen sollten.
Du kannst als Mutter Karriere machen UND eine Familie haben. Du musst dich nicht entscheiden. Es gibt ja auch noch die Väter. Die können sich auch zu Hause ums Baby kümmern, solange es noch zu klein ist, um in den Kindergarten zu gehen.“
Gleichberechtigung in Finnland. Das heißt auch: 47 Prozent der 200 Abgeordneten im Parlament sind Frauen. Sie hier ist eine von ihnen.
Bella Forsgren ist mit ihren 29 Jahren die Zweitjüngste. Und gerade etwas aufgeregt. Interviews auf Englisch: Das kommt nicht so häufig vor.
„So: Don’t worry, Bella. Don’t worry. Exactly. Just go for it.”
Die Grüne hat sich in die Wandelhalle des Parlaments zurückgezogen. Im Casino mit seinen abgefahrenen, türkisen Kacheln war es ihr zu laut.
Ministerpräsidentin stillt Baby auf Instagram
Wie ist das also als junge Frau in der Politik? Mit einer Ministerpräsidentin, die schon mal auf Instagram ein Foto postet, auf dem sie ihr Baby stillt? Und Ministerinnen, die in Elternzeit gehen?
„Ich finde das super. Dass du dich nicht mehr zwischen Familie und Karriere entscheiden musst. Als ich jünger war, dachte ich immer: Entweder Erfolg im Beruf. Oder Familie. Jetzt sehe ich Frauen in meinem Alter, die beides haben. Das ist sehr wichtig.“
Bella stammt aus Süd-Finnland, aus einem Nest rund 40 Kilometer entfernt von der Universitätsstadt Jyväskylä. Ein paar Straßen, zwei, drei Supermärkte, eine kleine Bibliothek. Viel mehr ist nicht. Hier kennt jeder jeden.
Gehässige Kommentare über ihre schwarze Hautfarbe hat sie erst in Helsinki zu hören bekommen. Im Parlament etwa: Wollen Abgeordnete der „Wahren Finnen“, der Rechtsaußen-Partei, schon mal von ihr wissen: Woher kommst du denn „eigentlich“? Fühlst du dich als Finnin oder Äthiopierin?
Gleichberechtigung ja, Diversität Fehlanzeige
Dazu muss man wissen: Von den 200 Parlamentariern und Parlamentarierinnen haben nur drei ausländische Wurzeln. Die finnische Volksvertretung mag zwar in puncto Gleichberechtigung weit vorne liegen, doch bei der Diversität ist nach Luft nach oben. Konstatiert Bella trocken. Da seien andere Länder weiter. Brasilien etwa. 2016 war sie in Belo Horizonte, als Austauschstudentin.
„Das war für mich sehr wichtig, weil ich zum ersten Mal lauter Leute gesehen habe, die so aussehen wie ich. Das ist in Finnland ganz anders. Ich weiß noch: In Brasilien waren alle total überrascht, wenn ich gesagt habe, ich komme aus Finnland.
Und dann immer so: Was? Du bist Finnin? Echt? Es hat gut getan, dass mich niemand angestarrt hat und mir zu verstehen gegeben hat: Du gehörst hier nicht hin.“
Meint die Jung-Parlamentarierin, nur um hinzuzufügen, sie lebe nach wie vor gerne in Finnland. Schließlich bietet ihr das Land als Frau viel mehr Möglichkeiten als Brasilien. Ein kostenloses Bildungssystem. Gute medizinische Versorgung. Sicherheit. Und inzwischen auch immer mehr weibliche Vorbilder.
Bellas „Heldinnen“. Das sind Sanna Marin, die Premierministerin, klar. Maria Ohisalo, die Grünen-Vorsitzende. Und nicht zu vergessen Tarja Halonen, das erste weibliche Staatsoberhaupt in den Nuller Jahren.
Gut 20 Minuten sind es zu Fuß vom Parlament bis nach Kallio, dem alten Arbeiter-Bezirk der finnischen Hauptstadt mit seinen eklektischen Altbauten. Bis zur „roten Tarja“.
„In theory yes. In theory we are very equal.”
Sie ist ganz die Alte geblieben: Ex-Präsidentin Tarja Halonen. Immer auf Zack, immer auf den Punkt. Theoretisch seien Frauen und Männer in Finnland gleichberechtigt: So sieht sie das. Aber praktisch? Sie lächelt ihr berühmtes spitzbübisches Lächeln. Schon etwas komplizierter, die Angelegenheit.
„Frauen in der Politik? Ist nicht normal“
Draußen versinkt kurz nach drei die Sonne hinterm Horizont. Drinnen, im Büro, nimmt die Frau, die Vladimir Putin Paroli geboten hat und mit Barack Obama befreundet ist, einen mit auf Zeitreise. 40, 50 Jahre zurück, in eine Zeit, als finnische Politiker vorzugsweise in der Sauna Kompromisse schmiedeten und eine junge Politikerin noch die Ausnahme war.
„Alle Welt dachte damals: Frauen in der Politik? Das ist doch nicht normal. So war die Atmosphäre, als ich anfing. Ich war immer die Erste. Aber glücklicherweise gab es ein paar progressive Männer, die mich unterstützt haben. Besonders Kalevi Sorsa, der Premierminister in den 80ern. So lief das damals.
Als Frau brauchtest du die Hilfe von Männern. Anfangs haben mich die weniger aufgeschlossenen Männer nicht als Bedrohung wahrgenommen. Wir waren ja nur ein, zwei Frauen in Führungspositionen. Das schien für die Jungs nicht gefährlich zu sein. Aber mit der Zeit wurden wir mehr und jetzt haben wir eine Regierung, in der Frauen das Sagen haben.“
Gedankenversunken rührt Halonen in ihrer Kaffeetasse, einem Designklassiker. „Zauber-Welt“ heißt das Service. Die Motive sind der finnischen Mythologie entlehnt. Auch hier wimmelt es nicht nur von starken Männern, die den Elementen und Fremdherrschern trotzen, sondern auch von starken Frauen.
Eine geschiedene, alleinerziehende, suspekte Frau
So wie Halonens Großmutter Ida. Vier Kinder zog die Arbeiterin alleine groß, nachdem sie ihrem Mann den Laufpass gegeben hatte. Auf Konventionen pfiff sie. Ihre Enkelin sollte es ihr später nachtun. Als Politikerin. Und zwischenzeitlich, in den 80ern, als Vorsitzende von Finnlands erster Schwulen- und Lesben-Organisation SETA.
„Oft dachten die Leute, ich sei selbst lesbisch. Aber ich habe immer gesagt: Nein, nein, nein, bin ich nicht. Ich war vielen Konservativen so oder so suspekt: eine geschiedene Frau. Alleinerziehend. Die in wilder Ehe mit ihrem Partner lebt: Gott bewahre.
Das war zum Teil eine richtige Schmutzkampagne. Wirklich übel. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich hätte kein Problem damit, lesbisch zu sein. Schon in den 80ern habe ich meinen Kritikern entgegnet: Denkt ihr wirklich, ich hätte nicht den Mut, es offen zu sagen? Aber ich bin es nun mal nicht. Ich setze mich halt für die Rechte von Minderheiten ein. Ich bin, wer ich bin.“
Nicht nur feministisch – auch feminin
„Entschuldige dich nie für die Macht“: In Finnland ist Tarja Halonens Credo zum geflügelten Wort geworden. Heiligabend wird sie 78, doch kürzertreten: Die Frau mit dem feuerroten Haar schüttelt den Kopf: Kommt nicht infrage. Die Sozialdemokratin steht auf. Sie will runter, ins Graniittilinna, ihr Lieblingsrestaurant am Wasser.
Vor ihrer Bildergalerie im Flur bleibt sie kurz stehen. Irgendwo neben dem Dalai Lama müsste das Foto von Angela Merkel und ihr sein. Da links ist es. Sie habe sich mit Merkel immer gut unterhalten, erzählt Halonen. Über Politik. Und den richtigen Dresscode. Schwarze Hose und Blazer, bloß nicht zu feminin: Lautete ihre Devise. Jemand wie Sanna Marin ist da experimentierfreudiger.
„Sehr lustig, dass Ihnen das aufgefallen ist. Diese jüngere Generation von Frauen: Sie haben kein Problem damit, wenn die Leute sehen: Wir sind Frauen. Es erinnert mich ein bisschen an die „Black is beautiful“-Bewegung in den USA.
Du kannst als Politikerin inzwischen auch hübsch und feminin sein – und nicht nur feministisch. Das war in meiner Generation ganz anders. Sanna Marin oder auch meine Enkeltöchter: Sie können sein, wie sie sind. Oder schauen sie sich die fünf Parteivorsitzenden an. Einige haben während ihrer Amtszeit Kinder bekommen. Sie versuchen, so normal wie möglich zu sein. Und das ist ein sehr guter Trend.“
Um ein Höchstmaß an Normalität ist auch Tiina Ivakko bemüht. Das „Pikkutylli“ – der „Flussregen-Pfeifer“ – im Neubaugebiet Kalasatama ist eine von sechs 24-Stunden-Kitas in Helsinki. Und ein guter Ort, um dem Geheimnis der finnischen Frauen-Power auf die Spur zu kommen.
In Finnland gab es nie einen Hausfrauenkult
70 Kinder im Alter von zehn Monaten bis sieben Jahren, 20 Angestellte. Maximale Gebühr pro Kind und Monat: 289 Euro. Tiina rattert die Eckdaten ihrer Kindertagesstätte in einem Tempo herunter, dass einem fast schwindelig werden kann. Und ja: Ihre Kita sei wirklich rund um die Uhr geöffnet. Sieben Tage die Woche. In Finnland nichts Ungewöhnliches. „Kinder, Küche, Kirche“ – einen Hausfrauenkult wie in Deutschland hat es im Land der Seen und Wälder nie gegeben.
„Finnische Frauen haben immer schon außerhalb des Haushalts gearbeitet. Meine Mutter und Großmütter waren berufstätig. Finnland ist ein teures Land, das ging gar nicht anders. Frauen arbeiten in Krankenhäusern. In Restaurants. In Supermärkten, die rund um die Uhr offen sind.
Hinzu kommt: Viele Frauen, die ihre Kinder bei uns abgeben, sind alleinerziehend. Deshalb gibt es diese 24-Stunden-Kitas schon seit über 40 Jahren.“
Vier von fünf Elternteilen in der kommunalen Kita sind Alleinerziehende, fast alles Frauen, meint die Frau im schwarz-weiß gestreiften Rock in ihrem Büro, das mit Gesichtsmasken übersät ist.
„Ihr könnt alles erreichen, was ihr wollt“
Noch hatten sie in der Kita keinen Corona-Fall, doch auch in Finnland steigen die Infektionszahlen, wenn auch nicht so dramatisch wie in Deutschland. Trotzdem, sicher ist sicher. Deshalb gilt auf den Gängen für die Erwachsenen Maskenpflicht. Die meisten Eltern haben dafür Verständnis. Und die wenigen, die bockig sind: Können sich auf etwas gefasst machen.
„Ich denke, ich bin eine starke Person. Es liegt mir im Blut. Schon meine Großmutter und meine Mutter waren starke Frauen, sie hatten das Sagen. Ich selbst habe meinen zwei Töchtern immer gesagt: Ihr könnt alles erreichen, was ihr wollt. Ihr müsst nur wollen. Ich denke, das ist die finnische Art.“
Die flächendeckende Kinderbetreuung: Sie hat eine entscheidende Rolle für die Gleichberechtigung der Frauen gespielt. Und doch kommen viele Kitas gerade eher schlecht über die Runden. Tiina kann davon ein Lied singen.
Frauen verdienen immer noch weniger
Seit dem Hochsommer sucht sie nach einer zusätzlichen Kindergärtnerin – vergeblich. Kein Einzelfall. Aktuell sind allein in der Hauptstadt 400 Kita-Stellen unbesetzt. Vielen ist das Gehalt zu niedrig.
Maximal 2690 Euro brutto erhält eine Kindergärtnerin, die in Finnland auch einen Hochschulabschluss braucht, monatlich. Viel zu wenig in einer Stadt wie Helsinki, wo eine Tasse Kaffee schnell vier Euro kosten kann. Und warum der miese Lohn? Na, warum wohl. Tiinas Augen funkeln. Weil es Frauenarbeit ist.
„Unglücklicherweise verdienen Frauen immer noch weniger als Männer. Selbst wenn sie den gleichen Job machen. Warum erhält jemand, der in einer Fabrik einen Gabelstapler fährt, mehr Geld als meine Kindergärtnerinnen mit ihren Universitätsabschlüssen? Da stimmt doch etwas nicht. Ich weiß, wovon ich rede: Eine meiner zwei Töchter arbeitet in der Fabrik. Sie verdient mehr als meine Kindergärtnerinnen. Wie unfair. Meine Mitarbeiterinnen tragen so viel Verantwortung.“
Über den „Gender Pay Gap“ – also die Lücke zwischen dem, was Frauen und Männer verdienen, kann sich auch Terhi Heinilä aufregen, Wissenschaftlerin und Vorsitzende des „Nationalen Frauenrats von Finnland“. In diesem Jahr hat die Organisation ihr 110. Jubiläum gefeiert.
Frauenquote in Unternehmen von 40 Prozent
Wegen Corona nur im kleinen Rahmen, eigentlich war ein großes Fest geplant. Doch daraus wurde nichts. Dabei hätte es durchaus Grund gegeben, groß zu feiern: Schon 1906 verlieh Finnland Frauen das aktive und passive Wahlrecht als erstes Land weltweit. Mitte der 80er brachte es ein Gleichstellungsgesetz auf den Weg. Seitdem ist Gleichstellung auf staatlicher und privater Ebene fester Bestandteil der finnischen Verfassung.
„Natürlich gibt es noch die gläserne Decke. Ich sage manchmal spaßeshalber: Es gibt auch noch den gläsernen Boden. Wo Du als Frau ausrutschen kannst. Aber: Wir haben große Fortschritte gemacht. Besonders in Unternehmen, die in Staatsbesitz sind. Dort gilt schon lange eine Quote, wonach mindestens 40 Prozent der Jobs für Frauen reserviert sind.
In den 90er-Jahren war das noch ein großes Aufregerthema, aber heutzutage ist das völlig normal. Alle akzeptieren es. Es ist eher so, dass kaum einer sich noch daran erinnert, dass es überhaupt diese Quote gibt.“
Nach Tampere, die drittgrößte Stadt Finnlands rund 180 Kilometer nordwestlich von Helsinki. Und damit zu einer weiteren Power-Frau – und ihrem „meinungsstarken“ männlichen Begleiter.
„The dog is named Freddy. By Freddy Mercury.”
Ihren Schnauzer hat Minna Minkkinen nach Freddy Mercury benannt, dem Frontmann von Queen. Mercury fand die Sozialarbeiterin immer schon super. Sanna Marin auch.
„She doesn’t take any bullshit, that I appreciated.”
Die Premierministerin kennt die Frau von der Linkspartei noch aus Marins Zeit im Stadtrat.
„Sie war immer sehr höflich. Und strikt, wenn sie eine Ratssitzung geleitet hat. Ich fand das klasse. Sie war ausgesprochen strukturiert. Das hat mir wirklich an ihr gefallen.“
Marin wollte unbedingt in die Bundespolitik
Noch etwas mag die 37-Jährige an Marin: Dass sie offen darüber redet, dass ihre Mutter in ihrer Jugend mit einer Frau zusammen war. Die Ministerpräsidentin die erste aus ihrer Arbeiterfamilie war, die an die Universität gehen konnte. Bei Minna ist das genauso.
Doch es gebe da einen kolossalen Unterschied, erklärt die stellvertretende Vorsitzende der finnischen Links-Allianz, während sie versucht, Freddy davon abzuhalten, sich mit Holma und Tuisk, den zwei Katern, in ihrer Wohnung ein Wettrennen zu liefern. Marin wollte unbedingt in die Bundespolitik, nach Helsinki. Minna dagegen will da bleiben, wo sie ist. In Tampere. Bei ihren Haustieren, ihrer Partnerin. Im Januar erwarten sie ihr erstes Baby.
„Ich denke, die jungen Politikerinnen auf Bundesebene nehmen ihren Job ziemlich ernst. Sie geben wirklich alles. Ich bewundere das. Li Andersson zum Beispiel, unsere Parteivorsitzende: Gestern ist sie gegen drei Uhr morgens aufgestanden, um sich um acht mit uns zu treffen.
Li und die anderen Parteivorsitzenden investieren schrecklich viel Zeit in ihre Arbeit. Nicht nur Zeit, sondern auch ihre Jugend. Ich selbst wollte das nie. Deshalb mache ich das mit der Politik auch nicht hauptberuflich. Mir war immer wichtig, nebenbei noch mein echtes Leben zu haben.“
Minna schaut hoch. Wo ist denn jetzt Freddy geblieben? Kein Mucks. Nicht, dass er es sich wieder im künftigen Kinderzimmer gemütlich gemacht hat, im Babybett. Sie springt auf. Tatsächlich. Da liegt er, leise säuselnd. Unter Minnas kleinem Privatschrein, wie sie die Fotogalerie ihrer Lieblings-Power-Frauen nennt.
Volle Gleichberechtigung gibt es noch nirgendwo
Serena Williams ist darunter, die Tennisspielerin. Ex-Präsidentin Tarja Halonen. Und Tove Jansson, Erfinderin der berühmten Moomin-Figuren. Minna krempelt den Ärmel ihres Pullovers hoch. Auf ihrem rechten Arm prangt ein großes Moomin-Tattoo. Eine tolle Frau sei Jansson gewesen, sprudelt es aus ihr heraus. Mutig, emanzipiert, willensstark. So wie Minna.
„Als Lesbe und Frau muss ich doppelt so hart arbeiten wie Männer. Das ist immer noch so. Auch wenn wir gerne von uns behaupten, wir seien das Land auf der Welt, in dem Frauen und Männer am gleichberechtigten sind. Das stimmt einfach nicht. Kein Land auf der Welt ist momentan zu 100 Prozent gleichberechtigt. Es gibt noch viel zu tun.“