"Frauen sind nicht weniger fanatisch als Männer"
Frauen seien in der "menschenverachtenden Politik der NPD und der Kameradschaften" "genauso gefährlich einzustufen wie die Männer". Dies passiere aber "in der Öffentlichkeit und auch vor den Gerichten leider überhaupt nicht", sagt die Journalistin Andrea Röpke, Mitautorin des Buches "Mädelsache!: Frauen in der Neonazi-Szene".
Klaus Pokatzky: Die Nazis und die Frauen, da kommen alle Klischees gleich hoch. Adolf Hitler und Eva Braun, der Bund der Mädel, BDM, als weiblicher Zweig der Hitlerjugend, und für die historisch besonders Interessierten die Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink mit ihrem akkurat geflochtenen blonden Haarkranz. Die zeitgenössische Neonazi-Szene wirkt eher wie eine Männerbastion, doch auch hier sind die Frauen auf dem Vormarsch. In der NPD etwa sind sie schon längst in diversen Rollen aktiv, und sie sind politisch erfolgreich. Andrea Röpke ist Politologin und Journalistin, sie ist auf Rechtsextremismus spezialisiert und hat jahrelang in der Szene recherchiert. Zusammen mit dem "TAZ"-Autor Andreas Speit, hat sie jetzt das Buch "Mädelsache!: Frauen in der Neonazi-Szene" geschrieben. Guten Tag, Frau Röpke!
Andrea Röpke: Ja, hallo!
Pokatzky: Seit wann spielen Frauen in der rechten Szene bei uns eine Rolle?
Röpke: Frauen haben nach 45 immer eine Rolle gespielt, allerdings so als, wie sie sich selber bezeichnet haben, als Front der Frauen im Hintergrund. Jetzt drängen sie mehr in den Vordergrund, sie übernehmen Posten in der NPD, sie machen mit bei der kommunalpolitischen Verankerung, und dadurch werden sie auch sichtbarer.
Pokatzky: Was sind das für Typen?
Röpke: Die Frauen sind eigentlich ein Spiegel der Gesellschaft, man findet dort alle Frauen. Die Neonazi-Szene wird ja immer mehr zur Gesinnungsgemeinschaft, das heißt, man toleriert auch diese unterschiedlichen Erscheinungsbilder. Man hat da Skingirls, die klassischen rechten Skingirls, man hat autonome Nationalistinnen, also richtig schwarz gekleidete Frauen im Gangstyle, und man hat natürlich auch vor allen Dingen die völkischen Frauen mit Zöpfen und mit traditioneller weiblicher Kleidung, langen Röcken und so weiter.
Pokatzky: Am Äußeren können wir die einfach nicht so klischeehaft erkennen, wenn die uns in der U-Bahn und in der S-Bahn gegenübersitzen würden?
Röpke: Nein, da muss man insbesondere bei den Frauen schon genau hingucken, weil die wirklich ganz viel mit Codes und Symbolen auch arbeiten.
Pokatzky: Mit welchen, wie erkennen Sie die? Wenn Ihnen eine in der S-Bahn gegenübersitzen würde oder im ICE, würden Sie die erkennen?
Röpke: Thors Hammer an der Kette, dann kombiniert vielleicht mit schwarz-weiß-roten Zopfbändern oder so ein Top in den Farben, oder eben auch die schwarze Sonne, Symbolik der SS, ist bei den Frauen sehr, sehr begehrt, oder die Irminsul, also so Runen kombiniert mit Farben des Deutschen Reiches, das ist sehr beliebt.
Pokatzky: Sind die denn jetzt alle mit Rechten auch liiert, leben mit denen in Partnerschaft, oder sind diese Frauen vielleicht auch Singles?
Röpke: Ja, das ist so ein bisschen die neue Qualität auch, dass Frauen eigentlich auch alleine kommen. Die Szene hat sich so sehr gewandelt, vor allen Dingen die NPD hat sich geöffnet. Sie hat ja schon lange versucht, weg aus dieser Schmuddelecke zu kommen, und hat eigentlich so eine doppelte Spur gefahren. Einerseits ist sie radikaler denn je, auch gewaltbereiter denn je, andererseits geriert sie sich als wählbare rechte Alternative, die Partei, die sich kümmert. Und von daher ist es natürlich auch so, dass Frauen das immer attraktiver finden und durchaus auch bei dieser Themenöffnung hin zu sozialen Themen auch dort alleine hingehen.
Pokatzky: Gibt es denn da jetzt die rechte Szene – Sie haben jetzt die NPD angesprochen –, oder sind das verschiedene Szenen, in denen Frauen dann auch unterschiedlich behandelt werden?
Röpke: Ja, durchaus, aber es tut sich immer mehr zusammen, es formiert sich immer mehr zu dieser sogenannten Gesinnungsgemeinschaft – oder sie nennen sich intern auch NS-Bewegung, nationalsozialistische Bewegung –, also sehr, sehr selbstbewusst. Sie ist nicht homogen, die Szene, sie ist eher heterogen, und man hat da von den Kameradschaftsspektren, von den autonomen Nationalisten, von den Kulturorganisationen, Brauchtumsorganisationen bis hin zur parlamentarischen Spitze durch die NPD dann wirklich auch alles in dieser Gemeinschaft.
Pokatzky: Sind die dann da auch wirklich jetzt gleichberechtigt?
Röpke: Nein, nein. Das ist nach wie vor eine ganz knallharte Männerbastion. Frauen dürfen mitmachen, Frauen werden sogar benutzt, so als Eyecatcher, als Lockmittel bei den Wahlen, Frauen drängen andererseits aber auch in die Szene, tragen diese menschenverachtende Politik ganz klar mit. Aber dass sie gleichberechtigt sind, das will niemand. Also Feindbilder sind ganz klar, Gleichberechtigung, Feminismus, Gender-Mainstreaming, also Quoten, Frauenquoten – Frauen ordnen sich den Männern immer unter, und das ist auch ganz bewusst gewollt.
Pokatzky: Sie beschreiben in Ihrem Buch ja gerade auch Funktionärinnen, also richtig aktive Frauen, Funktionärinnen gerade der NPD, also auch wenn die nach außen sozusagen jetzt als gleichberechtigt wirken, innen sind sie das nicht, auch wenn sie teilweise ja große Erfolge innerparteilich dann haben und manchmal innerhalb der Partei die meisten Stimmen auch bei Abstimmungen bekommen.
Röpke: Na ja, innerparteilich bekommen sie weniger die meisten Stimmen, sie bekommen eigentlich die meisten Stimmen, den größten Stimmenanteil bei den Wahlen. Das hat sich jetzt in Sachsen-Anhalt wieder gezeigt, da hat die NPD 4,6 Prozent erhalten, knapp am Einzug in den Landtag vorbei Gott sei Dank, aber die Frauen, die kandidiert haben – und Sachsen-Anhalt hat einen sehr hohen Frauenanteil in der NPD –, die Frauen haben überdurchschnittlich mehr Stimmen bekommen als die Männer. Also die Wirkung nach außen ist stark, nach innen können sich die Frauen kaum durchsetzen. Im Vorstand der NPD ist eigentlich keine gewählte Frau. Frauen werden immer in hohe Positionen nur eingesetzt, wenn es wirklich da gerade keinen wählbaren Mann gibt oder keinen vorzeigbaren Mann. Frauen haben sich Freiräume erkämpft in der NPD und auch in der Neonazi-Szene, aber immer im mittleren Spektrum. Wenn sie zu ehrgeizig werden, dann bekommen sie sehr schnell ihre Grenzen zu spüren.
Pokatzky: "Mädelsache!: Frauen in der Neonazi-Szene" heißt das Buch, das die Politologin und Journalistin Andrea Röpke gemeinsam mit Andreas Speit verfasst hat. Frau Röpke, warum geht eine Frau zu den Nazis?
Röpke: Na ja, das sind so Lockmittel, die auch bei den Männern ziehen. Einerseits natürlich Ausländerfeindlichkeit, Menschenverachtung, dann lockt die Szene mit Angeboten. Wir bekommen das immer wieder mit, wenn wir unterwegs sind – wir sind sehr viel ... versuchen vor Ort zu sein, uns die Neonazi-Veranstaltungen selber anzugucken, obwohl wir da natürlich nicht erwünscht sind, aber man sieht einfach, sie bieten eine Erlebniswelt. Sie veranstalten Volkstanz, Konzerte, sie machen Wanderungen, Überleben in der Krise, also richtig Outdoor-Programme – das ist auch für Frauen spannend. Frauen sagen, wir suchen diese Kombination aus Abenteuerlust, also Aktionismus, aber dann andererseits auch alte knallhart-konservative Werte. Und auch dieses alte traditionelle reaktionäre Frauenbild ist bei denen dann teilweise gewollt.
Pokatzky: Haben die weibliche Vorbilder im NS-Staat?
Röpke: Ja, ganz klar, natürlich – also es gibt da unterschiedliche: die sportliche Eva Braun einerseits, die wirklich auch so voll und ganz sich hinter den Führer gestellt hat, die für die Nation gelebt hat, aber in erster Linie also auch nach diesem Motto: Der Körper muss erhalten bleiben, der Körper muss wehrhaft sein, auch der der Frau, auch wenn sie keine eigenen Kinder hatte. Aber dann natürlich auch die Müttervertreterinnen, also das Mutterkreuz spielt eine große Rolle bei diesen Frauen, aber eben auch Frauen wie Leni Riefenstahl oder Hanna Reitsch, Hitlers liebste Pilotin – das sind natürlich Vorbilder bei ihnen, ganz klar.
Pokatzky: Wenn die Kinder haben, haben die besonders viele Kinder, also dann auch diesem Nazi-Ideal? Hitler hatte ja auf dem Frauenkongress 1935 in Nürnberg gesagt: Auch die deutsche Frau hat ihr Schlachtfeld. Mit jedem Kinde, das sie der Nation zur Welt bringt, kämpft sie ihren Kampf für die Nation. Heißt das dann jetzt auch in Neonazi-Kreisen besonders viele Kinder produzieren?
Röpke: Tatsächlich, so ist es. Also es gibt eine Frauenkameradschaft, das ist die größte und stärkste und auch wirklich fanatischste Frauenkameradschaft, das ist die Gemeinschaft deutscher Frauen, die sieht sich sehr kämpferisch. Und bei denen ist es so, die sagen tatsächlich, mit drei bis fünf Kindern – natürlich deutschen, in Anführungsstrichen, "rassisch einwandfreien" Kindern, ist der Nation, ist dem Volk, ist der Politik mehr gedient, als wenn Frauen vielleicht politisch aktiv werden würden. Und diese Frauen haben tatsächlich sehr früh sehr viele Kinder. Sie siedeln gemeinsam, das ist so eine Tendenz, wie wir jetzt seit Jahren beobachten, gerade in ländlichen Spektren versuchen sie sich niederzulassen, versuchen an Einfluss zu gewinnen und das nicht zuletzt auch über die Erziehung und über ihre Kinder.
Pokatzky: Gibt es denn jetzt unter Parteimarketingaspekten besondere Themen für die die Frauen dann Verantwortung tragen und vielleicht auch gerade nach außen dann entsprechend präsentiert werden?
Röpke: Ja, natürlich. Frauen sind auf die weichen Themen abgestellt. Sie besetzen natürlich die Themen Familie, sie besetzen das Thema Soziales noch mit, sie sind eigentlich diejenigen, die auch sagen, wir müssen die NPD auf die sanfte Tour in die Mitte der Gesellschaft tragen, und sie nehmen sich so ein bisschen auch dem Themenspektrum Ökologie an natürlich – jetzt wird es gehen auch in Richtung Antiatomkraft. Man springt da gerne auf den Zug auf, und da machen die Frauen natürlich mit, aber eben in diesem weicheren Themenspektrum.
Pokatzky: Die NPD soll ja Frauen aufrufen, ganz speziell in soziale Berufe zu gehen, also Lehrer werden, Kindergärtner werden, um da also schon auch die ganz Kleinen möglicherweise zu indoktrinieren. Was machen Sie da recherchiert?
Röpke: Ja, da haben wir einige Beispiel genannt im Buch und haben vor allen Dingen, sind auch davon ausgegangen, dass die NDP im letzten Jahr gezielt einen Aufruf gestartet hat, dass sie sagt, wir müssen einfach mehr diese sozialen Berufe besetzen. Dabei machen die Frauen das eigentlich schon lange, die Neonazistinnen. Sie sind schon seit Langem Lehrerinnen, sie sind Erzieherinnen, sie sind auch Sozialarbeiterinnen, sie studieren sehr häufig auch, gerade im völkisch überzeugten Spektrum. Wir haben jetzt in der letzten Woche über eine Lehrerin berichtet der NPD, die da wirklich doppelgleisig gefahren ist: einerseits NPD-Arbeit in Schleswig-Holstein massiv gemacht hat, andererseits in ihrer Schulklasse Jugendliche angeworben hat.
Pokatzky: Wie würden jetzt Eltern, deren Kinder zur Schule gehen, erkennen, dass die Kinder möglicherweise von einer völkischen, von einer neonazistischen Lehrerin indoktriniert werden?
Röpke: Wenn es anfängt – es fängt meistens so mit Wochenendprogrammen an, das ist so ein Lockmittel, dass man sagt, wir fahren zelten, wir machen Lagerfeuer, wir machen einen Ausmarsch, wir sammeln da Unterschriften, wir engagieren uns, aber wenn da wirklich Nationales vorkommt. Das ist wirklich Rassistisches und Nationales, wenn den Kindern beigebracht werden, sie seien etwas Besonderes vor den anderen, wenn sie auch abgeschottet werden – das ist halt so ein bisschen was Sektenähnliches, dass sie abgeschottet werden von den Schulkameraden, dann sollte man wirklich hellhörig werden.
Pokatzky: Werden die auch gewalttätig in bestimmten Situationen?
Röpke: Also die Tendenz nimmt zu. Frauen sind ja eigentlich eher bekannt für ihre Galeriefunktion, dass sie brüllen, anpeitschen, sticheln, dass sie Männer aufhetzen und dann dabeistehen, aber mittlerweile ist es so, dass sie wirklich bei Brandanschlägen, bei Anschlägen, auch bei direkten Gewalttaten immer häufiger beteiligt sind. Man geht da schätzungsweise jetzt von einem Anteil von zehn Prozent aus.
Pokatzky: Und die Gerichte, wenn sie denn vor Gericht stehen, verurteilen sie die dann ähnlich streng wie Männer?
Röpke: Nein, überhaupt nicht, leider nicht. Das ist auch eine Intention unseres Buches, dass wir darauf hinweisen wollen, Frauen sind nicht weniger fanatisch als die Männer. Frauen sind in dieser Politik, in dieser menschenverachtenden Politik der NPD und der Kameradschaften genauso wahrzunehmen, genauso gefährlich einzustufen wie die Männer, und das passiert aber in der Öffentlichkeit und auch vor den Gerichten leider überhaupt nicht.
Pokatzky: Sagt die Politologin und Journalistin Andrea Röpke, die gemeinsam mit Andreas Speit das Buch verfasst hat "Mädelsache!: Frauen in der Neonazi-Szene". Erschienen ist das Buch im Christoph Links Verlag mit 240 Seiten, und es kostet 16,90 Euro. Vielen Dank, Andrea Röpke!
Röpke: Danke schön!
Andrea Röpke: Ja, hallo!
Pokatzky: Seit wann spielen Frauen in der rechten Szene bei uns eine Rolle?
Röpke: Frauen haben nach 45 immer eine Rolle gespielt, allerdings so als, wie sie sich selber bezeichnet haben, als Front der Frauen im Hintergrund. Jetzt drängen sie mehr in den Vordergrund, sie übernehmen Posten in der NPD, sie machen mit bei der kommunalpolitischen Verankerung, und dadurch werden sie auch sichtbarer.
Pokatzky: Was sind das für Typen?
Röpke: Die Frauen sind eigentlich ein Spiegel der Gesellschaft, man findet dort alle Frauen. Die Neonazi-Szene wird ja immer mehr zur Gesinnungsgemeinschaft, das heißt, man toleriert auch diese unterschiedlichen Erscheinungsbilder. Man hat da Skingirls, die klassischen rechten Skingirls, man hat autonome Nationalistinnen, also richtig schwarz gekleidete Frauen im Gangstyle, und man hat natürlich auch vor allen Dingen die völkischen Frauen mit Zöpfen und mit traditioneller weiblicher Kleidung, langen Röcken und so weiter.
Pokatzky: Am Äußeren können wir die einfach nicht so klischeehaft erkennen, wenn die uns in der U-Bahn und in der S-Bahn gegenübersitzen würden?
Röpke: Nein, da muss man insbesondere bei den Frauen schon genau hingucken, weil die wirklich ganz viel mit Codes und Symbolen auch arbeiten.
Pokatzky: Mit welchen, wie erkennen Sie die? Wenn Ihnen eine in der S-Bahn gegenübersitzen würde oder im ICE, würden Sie die erkennen?
Röpke: Thors Hammer an der Kette, dann kombiniert vielleicht mit schwarz-weiß-roten Zopfbändern oder so ein Top in den Farben, oder eben auch die schwarze Sonne, Symbolik der SS, ist bei den Frauen sehr, sehr begehrt, oder die Irminsul, also so Runen kombiniert mit Farben des Deutschen Reiches, das ist sehr beliebt.
Pokatzky: Sind die denn jetzt alle mit Rechten auch liiert, leben mit denen in Partnerschaft, oder sind diese Frauen vielleicht auch Singles?
Röpke: Ja, das ist so ein bisschen die neue Qualität auch, dass Frauen eigentlich auch alleine kommen. Die Szene hat sich so sehr gewandelt, vor allen Dingen die NPD hat sich geöffnet. Sie hat ja schon lange versucht, weg aus dieser Schmuddelecke zu kommen, und hat eigentlich so eine doppelte Spur gefahren. Einerseits ist sie radikaler denn je, auch gewaltbereiter denn je, andererseits geriert sie sich als wählbare rechte Alternative, die Partei, die sich kümmert. Und von daher ist es natürlich auch so, dass Frauen das immer attraktiver finden und durchaus auch bei dieser Themenöffnung hin zu sozialen Themen auch dort alleine hingehen.
Pokatzky: Gibt es denn da jetzt die rechte Szene – Sie haben jetzt die NPD angesprochen –, oder sind das verschiedene Szenen, in denen Frauen dann auch unterschiedlich behandelt werden?
Röpke: Ja, durchaus, aber es tut sich immer mehr zusammen, es formiert sich immer mehr zu dieser sogenannten Gesinnungsgemeinschaft – oder sie nennen sich intern auch NS-Bewegung, nationalsozialistische Bewegung –, also sehr, sehr selbstbewusst. Sie ist nicht homogen, die Szene, sie ist eher heterogen, und man hat da von den Kameradschaftsspektren, von den autonomen Nationalisten, von den Kulturorganisationen, Brauchtumsorganisationen bis hin zur parlamentarischen Spitze durch die NPD dann wirklich auch alles in dieser Gemeinschaft.
Pokatzky: Sind die dann da auch wirklich jetzt gleichberechtigt?
Röpke: Nein, nein. Das ist nach wie vor eine ganz knallharte Männerbastion. Frauen dürfen mitmachen, Frauen werden sogar benutzt, so als Eyecatcher, als Lockmittel bei den Wahlen, Frauen drängen andererseits aber auch in die Szene, tragen diese menschenverachtende Politik ganz klar mit. Aber dass sie gleichberechtigt sind, das will niemand. Also Feindbilder sind ganz klar, Gleichberechtigung, Feminismus, Gender-Mainstreaming, also Quoten, Frauenquoten – Frauen ordnen sich den Männern immer unter, und das ist auch ganz bewusst gewollt.
Pokatzky: Sie beschreiben in Ihrem Buch ja gerade auch Funktionärinnen, also richtig aktive Frauen, Funktionärinnen gerade der NPD, also auch wenn die nach außen sozusagen jetzt als gleichberechtigt wirken, innen sind sie das nicht, auch wenn sie teilweise ja große Erfolge innerparteilich dann haben und manchmal innerhalb der Partei die meisten Stimmen auch bei Abstimmungen bekommen.
Röpke: Na ja, innerparteilich bekommen sie weniger die meisten Stimmen, sie bekommen eigentlich die meisten Stimmen, den größten Stimmenanteil bei den Wahlen. Das hat sich jetzt in Sachsen-Anhalt wieder gezeigt, da hat die NPD 4,6 Prozent erhalten, knapp am Einzug in den Landtag vorbei Gott sei Dank, aber die Frauen, die kandidiert haben – und Sachsen-Anhalt hat einen sehr hohen Frauenanteil in der NPD –, die Frauen haben überdurchschnittlich mehr Stimmen bekommen als die Männer. Also die Wirkung nach außen ist stark, nach innen können sich die Frauen kaum durchsetzen. Im Vorstand der NPD ist eigentlich keine gewählte Frau. Frauen werden immer in hohe Positionen nur eingesetzt, wenn es wirklich da gerade keinen wählbaren Mann gibt oder keinen vorzeigbaren Mann. Frauen haben sich Freiräume erkämpft in der NPD und auch in der Neonazi-Szene, aber immer im mittleren Spektrum. Wenn sie zu ehrgeizig werden, dann bekommen sie sehr schnell ihre Grenzen zu spüren.
Pokatzky: "Mädelsache!: Frauen in der Neonazi-Szene" heißt das Buch, das die Politologin und Journalistin Andrea Röpke gemeinsam mit Andreas Speit verfasst hat. Frau Röpke, warum geht eine Frau zu den Nazis?
Röpke: Na ja, das sind so Lockmittel, die auch bei den Männern ziehen. Einerseits natürlich Ausländerfeindlichkeit, Menschenverachtung, dann lockt die Szene mit Angeboten. Wir bekommen das immer wieder mit, wenn wir unterwegs sind – wir sind sehr viel ... versuchen vor Ort zu sein, uns die Neonazi-Veranstaltungen selber anzugucken, obwohl wir da natürlich nicht erwünscht sind, aber man sieht einfach, sie bieten eine Erlebniswelt. Sie veranstalten Volkstanz, Konzerte, sie machen Wanderungen, Überleben in der Krise, also richtig Outdoor-Programme – das ist auch für Frauen spannend. Frauen sagen, wir suchen diese Kombination aus Abenteuerlust, also Aktionismus, aber dann andererseits auch alte knallhart-konservative Werte. Und auch dieses alte traditionelle reaktionäre Frauenbild ist bei denen dann teilweise gewollt.
Pokatzky: Haben die weibliche Vorbilder im NS-Staat?
Röpke: Ja, ganz klar, natürlich – also es gibt da unterschiedliche: die sportliche Eva Braun einerseits, die wirklich auch so voll und ganz sich hinter den Führer gestellt hat, die für die Nation gelebt hat, aber in erster Linie also auch nach diesem Motto: Der Körper muss erhalten bleiben, der Körper muss wehrhaft sein, auch der der Frau, auch wenn sie keine eigenen Kinder hatte. Aber dann natürlich auch die Müttervertreterinnen, also das Mutterkreuz spielt eine große Rolle bei diesen Frauen, aber eben auch Frauen wie Leni Riefenstahl oder Hanna Reitsch, Hitlers liebste Pilotin – das sind natürlich Vorbilder bei ihnen, ganz klar.
Pokatzky: Wenn die Kinder haben, haben die besonders viele Kinder, also dann auch diesem Nazi-Ideal? Hitler hatte ja auf dem Frauenkongress 1935 in Nürnberg gesagt: Auch die deutsche Frau hat ihr Schlachtfeld. Mit jedem Kinde, das sie der Nation zur Welt bringt, kämpft sie ihren Kampf für die Nation. Heißt das dann jetzt auch in Neonazi-Kreisen besonders viele Kinder produzieren?
Röpke: Tatsächlich, so ist es. Also es gibt eine Frauenkameradschaft, das ist die größte und stärkste und auch wirklich fanatischste Frauenkameradschaft, das ist die Gemeinschaft deutscher Frauen, die sieht sich sehr kämpferisch. Und bei denen ist es so, die sagen tatsächlich, mit drei bis fünf Kindern – natürlich deutschen, in Anführungsstrichen, "rassisch einwandfreien" Kindern, ist der Nation, ist dem Volk, ist der Politik mehr gedient, als wenn Frauen vielleicht politisch aktiv werden würden. Und diese Frauen haben tatsächlich sehr früh sehr viele Kinder. Sie siedeln gemeinsam, das ist so eine Tendenz, wie wir jetzt seit Jahren beobachten, gerade in ländlichen Spektren versuchen sie sich niederzulassen, versuchen an Einfluss zu gewinnen und das nicht zuletzt auch über die Erziehung und über ihre Kinder.
Pokatzky: Gibt es denn jetzt unter Parteimarketingaspekten besondere Themen für die die Frauen dann Verantwortung tragen und vielleicht auch gerade nach außen dann entsprechend präsentiert werden?
Röpke: Ja, natürlich. Frauen sind auf die weichen Themen abgestellt. Sie besetzen natürlich die Themen Familie, sie besetzen das Thema Soziales noch mit, sie sind eigentlich diejenigen, die auch sagen, wir müssen die NPD auf die sanfte Tour in die Mitte der Gesellschaft tragen, und sie nehmen sich so ein bisschen auch dem Themenspektrum Ökologie an natürlich – jetzt wird es gehen auch in Richtung Antiatomkraft. Man springt da gerne auf den Zug auf, und da machen die Frauen natürlich mit, aber eben in diesem weicheren Themenspektrum.
Pokatzky: Die NPD soll ja Frauen aufrufen, ganz speziell in soziale Berufe zu gehen, also Lehrer werden, Kindergärtner werden, um da also schon auch die ganz Kleinen möglicherweise zu indoktrinieren. Was machen Sie da recherchiert?
Röpke: Ja, da haben wir einige Beispiel genannt im Buch und haben vor allen Dingen, sind auch davon ausgegangen, dass die NDP im letzten Jahr gezielt einen Aufruf gestartet hat, dass sie sagt, wir müssen einfach mehr diese sozialen Berufe besetzen. Dabei machen die Frauen das eigentlich schon lange, die Neonazistinnen. Sie sind schon seit Langem Lehrerinnen, sie sind Erzieherinnen, sie sind auch Sozialarbeiterinnen, sie studieren sehr häufig auch, gerade im völkisch überzeugten Spektrum. Wir haben jetzt in der letzten Woche über eine Lehrerin berichtet der NPD, die da wirklich doppelgleisig gefahren ist: einerseits NPD-Arbeit in Schleswig-Holstein massiv gemacht hat, andererseits in ihrer Schulklasse Jugendliche angeworben hat.
Pokatzky: Wie würden jetzt Eltern, deren Kinder zur Schule gehen, erkennen, dass die Kinder möglicherweise von einer völkischen, von einer neonazistischen Lehrerin indoktriniert werden?
Röpke: Wenn es anfängt – es fängt meistens so mit Wochenendprogrammen an, das ist so ein Lockmittel, dass man sagt, wir fahren zelten, wir machen Lagerfeuer, wir machen einen Ausmarsch, wir sammeln da Unterschriften, wir engagieren uns, aber wenn da wirklich Nationales vorkommt. Das ist wirklich Rassistisches und Nationales, wenn den Kindern beigebracht werden, sie seien etwas Besonderes vor den anderen, wenn sie auch abgeschottet werden – das ist halt so ein bisschen was Sektenähnliches, dass sie abgeschottet werden von den Schulkameraden, dann sollte man wirklich hellhörig werden.
Pokatzky: Werden die auch gewalttätig in bestimmten Situationen?
Röpke: Also die Tendenz nimmt zu. Frauen sind ja eigentlich eher bekannt für ihre Galeriefunktion, dass sie brüllen, anpeitschen, sticheln, dass sie Männer aufhetzen und dann dabeistehen, aber mittlerweile ist es so, dass sie wirklich bei Brandanschlägen, bei Anschlägen, auch bei direkten Gewalttaten immer häufiger beteiligt sind. Man geht da schätzungsweise jetzt von einem Anteil von zehn Prozent aus.
Pokatzky: Und die Gerichte, wenn sie denn vor Gericht stehen, verurteilen sie die dann ähnlich streng wie Männer?
Röpke: Nein, überhaupt nicht, leider nicht. Das ist auch eine Intention unseres Buches, dass wir darauf hinweisen wollen, Frauen sind nicht weniger fanatisch als die Männer. Frauen sind in dieser Politik, in dieser menschenverachtenden Politik der NPD und der Kameradschaften genauso wahrzunehmen, genauso gefährlich einzustufen wie die Männer, und das passiert aber in der Öffentlichkeit und auch vor den Gerichten leider überhaupt nicht.
Pokatzky: Sagt die Politologin und Journalistin Andrea Röpke, die gemeinsam mit Andreas Speit das Buch verfasst hat "Mädelsache!: Frauen in der Neonazi-Szene". Erschienen ist das Buch im Christoph Links Verlag mit 240 Seiten, und es kostet 16,90 Euro. Vielen Dank, Andrea Röpke!
Röpke: Danke schön!