Frauen stehen auf das schnelle rechte Knie

Von Carolin Hoffrogge |
Göttinger Evolutionsbiologen untersuchen tanzende Männer, um herauszufinden, welche Tanzbewegungen auf Frauen attraktiv wirken und wie sie zur Partnerwahl beitragen. Bei der Tanzanalyse bewerten Frauen am PC geschlechtsneutrale und gesichtslose Avatare.
"Das ist der Aufnahmeraum, hier finden die Bewegungsstudien statt. Man hat da halt einen Bereich zur Verfügung, den ich abgeklebt habe, in dem man sich bewegen soll."

Die Biologin Nadine Hugill empfängt Student Matthias Winkelhoff in einem fast leeren Raum, nur eine Kamera und ein Computer stehen bereit. Genauso steril wie seine Umgebung, wird auch Matthias gleich aussehen, denn er bekommt von Nadine Hugill einen weißen, dünnen Handwerkeroverall. Mit diesem Overall tanzt der Göttinger Student auf zwei Quadratmetern abgeklebter Fläche.

"Hier geht es darum sich 30 Sekunden locker zu einem Rhythmus zu bewegen. Man bekommt dafür einen Anzug an, die liegen da vorne. Sind so weiße Anzüge, die zieht man über die individuelle Kleidung, damit man keine individuellen Merkmale erkennen kann."

Trotz dieser anonymen, unsexy Kleidung und der kleinen Tanzfläche, sieht Matthias Winkelhoff seinem tänzerischen Einsatz gelassen entgegen.

"Ich bin kein Spezialist, aber ich glaube, dass ich das ganz gut kann. Bisher hat sich noch keiner beschwert bei mir. Ich wurde von Freundinnen gelobt, das reicht mir."

Um die Tanzstudie der Göttinger Evolutionsbiologen vergleichen zu können und aussagekräftige Ergebnisse zu präsentieren, darf die Musik für die Tänzer nicht zu kompliziert sein, sagt Bewegungsforscherin Hugill.

"Das ist ein ganz normaler Rhythmus. Man hat alles andere rausgenommen von einem Lied und hat nur diesen Rhythmus und das läuft halt 30 Sekunden ab. Dass da auch keine Geschmäcker oder irgendwas Einfluss haben können, auf die Bewegungsfähigkeit, haben wir das alles herausgenommen.

Ich nehme mit einer normalen Videokamera auf und dann wird über das Gesicht ein Filter gelegt und man sieht nur den weißen Anzug, der sich 30 Sekunden lang bewegt, mehr nicht. Und das von jedem Probanden, man sieht kein Gesicht, keine individuellen Informationen mehr. Die Frauen werden sich dann die Videos ansehen und die Tänzer bewerten."

Bei ihrer Studie belegte Nadine Hugill bisher die Annahme, dass Frauen die Tanzbewegungen körperlich kräftiger Männer attraktiver bewerten und diese Tänzer als durchsetzungskräftiger einschätzen. Aber ob Frauen wirklich immer auf die maskuline Silhouette mit einem ruppigeren Tanzstil abfahren oder oftmals eher die softe Variante - also den kleinen Mann mit geschmeidigen Bewegungen - bevorzugen, wollten die Göttinger Evolutionsbiologen und Psychologen genauer wissen.

Deshalb haben sie englische Studenten Tanzen lassen. Denn an der britischen Northumbria University in Newcastle gibt es dafür die nötige, aufwändige Technik, sagt Bernhard Fink, als Leiter der Abteilung "Evolution des Sozialverhaltens" an der Universität Göttingen.

"In unserer Studie haben wir tanzende Männer untersucht mit einer Methode, die wir aus der Computerindustrie oder der Filmindustrie kennen. Das nennt sich Motion Caputring,
das heißt da werden Bewegungsinformationen von echten Probanden aufgenommen mit Hilfe einer Menge von Kameras, die die Signale von reflektierenden Markern, die an charakteristischen Punkten des Körpers angebracht werden an Gelenken etwa, erfassen."

Die Bewegungen der Männer, ihr Datenstrom wird auf virtuelle Charaktere, auf sogenannte Avatare übertragen. Der Vorteil, so Bernhard Fink: Die Avatare sind geschlechtsneutral, sie haben dieselbe Kleidung an, sie haben kein Gesicht und auch alle anderen Merkmale, die die Bewertungen beeinflussen können, sind standardisiert. Genauso hören die beurteilenden Frauen den Beat der Musik nicht und können daher das Rhythmusgefühl des Mannes nicht bewerten. Allein die Bewegung zählt. 19 tanzende Avatare wurden so erstellt, die Frauen hatten die Wahl: guter oder schlechter Tänzer? Denn das ist bei der Partnerwahl ein wichtiges Kriterium. Bernhard Fink:

"Man weiß, dass Tanzen ein sogenanntes Mateing display ist, dass heißt herangezogen wird in unterschiedlichen Ritualen, um Partner zu beeindrucken. Da kann man zwar bestimmte Muster heraus kennen, aber was letztendlich zu einer quantitativen Form dann einen Mann eher als potenziellen Partner charakterisiert und für Frauen attraktiv macht, das ist nicht bekannt."

Die Untersuchungen ergaben: ein biegsamer Nacken, ein beweglicher Rumpf sowie ein schnelles Tempo bei der Tanzbewegung des rechten Knies wirken auf die weiblichen Versuchspersonen besonders anziehend. Die Göttinger Wissenschaftler vermuten, dass diese Tanzbewegungen Signale über die Gesundheit, die Lebenskraft, die körperliche Stärke und die Reproduktionsfähigkeit eines Mannes senden. Ein attraktiver Tanzstil scheint also mit biologischen Qualitätsmerkmalen einherzugehen, sagt Bernhard Fink. Darüber werden die Göttinger Evolutionsbiologen jetzt noch ausführlicher forschen.

"Dann wollen wir diese Erkenntnisse natürlich noch auf das andere Geschlecht, die Frauen anwenden und da gucken, ob es ähnliche Bewegungsmuster gibt, ähnliche Signale, die der Partnerwahl dienen bei Frauen. Ich würde so schnell mal vermuten: auf jeden Fall."
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