"Frauen und Jugend sind das ungenutzte Potenzial der arabischen Region"
Bildung eröffnet Frauen in der arabischen Welt ganz neue Möglichkeiten. Davon ist die im Libanon aufgewachsene Ökonomin Haifa Al Kaylani überzeugt. Sie steht einem Dachverband mit 1500 Mitgliedern vor, der das Ziel verfolgt, Frauen in wichtige gesellschaftliche Positionen zu bringen.
Peter Lange: Seit rund zwei Jahren hält uns in Atem, was einst als Arabischer Frühling begonnen hat, die Revolutionen in Nordafrika – in Tunesien, Libyen und Ägypten, Aufstände im Jemen, Bahrain und der Bürgerkrieg in Syrien.
Von Frühling ist längst nicht mehr die Rede. Immer öfter wird der Herbst als Bild bemüht. In den meisten Ländern ist völlig ungewiss, ob überhaupt und wann sich die Lage stabilisiert und zum Besseren wandelt. Aber vielleicht sehen wir das ja auch aus der Ferne etwas zu schwarz. Vielleicht gibt es unter den Trümmern des Alten schon hoffnungsvolle Keime und Pflänzchen namens Zivilgesellschaft und Demokratie, die wir von hier aus vielleicht nicht genau wahrnehmen.
Dass es so etwas in irgendeiner Größenordnung geben muss, dafür steht unser heutiger Gast. Sie ist Gründerin und Vorsitzende des Arab International Women's Forum. Begrüßen Sie bitte mit mir Frau Haifa Al Kaylani.
In Palästina ist sie geboren und im Libanon aufgewachsen. In Beirut, in Oxford hat sie Ökonomie studiert. Sie hat bei der UNO und in verschiedenen internationalen Frauenorganisationen gearbeitet. 2001 hat sie das Arab International Women's Forum gegründet, ein Netzwerk oder einen Dachverband aus inzwischen 1500 Vereinigungen, Firmen, Partnern, einzelnen Persönlichkeiten – mit einem Hauptziel, den Frauen in der arabischen Welt zu helfen, international und in ihren Gesellschaften eine aktive Rolle zu spielen, eine Stimme zu haben, sich zu engagieren, sich engagieren zu können, politisch, wirtschaftlich und sozial.
Frau Al Kaylani, wenn wir das Gespräch beginnen mit Ihrer eigenen Biographie: Sie sind in Palästina geboren, als älteste von fünf Schwestern. Das war vermutlich keine Selbstverständlichkeit, dass man zu der Zeit studieren durfte, eine Ausbildung bekam. Wie ist das in Ihrer Familie geregelt worden?
Haifa Al Kaylani: Meine Schwestern und ich verdanken unseren Eltern wirklich viel, auch im Blick auf die Werte, die sie uns weitergegeben haben, die sie aus Palästina mitgebracht haben. Meine beiden Eltern waren sehr gebildet und sie haben Palästina verlassen, haben sich dann niedergelassen und mein Vater hat ein sehr erfolgreiches Geschäft gegründet – und alles nur Dank Bildung. Sie haben wirklich alles zurückgelassen.
Als dann wir fünf Töchter nach und nach auf die Welt kamen, war es ganz wichtig für meine Eltern, dass sie wirklich den Wert der Bildung betonen. Es gab bei uns zu Hause zwei Regeln. Erstens: Niemandem von uns war es erlaubt, verheiratet zu werden, bevor wir einen Bachelor oder einen Master haben. Und wenn wir nicht ein Jahr gearbeitet hatten, war es uns auch nicht erlaubt, verheiratet zu werden. Das hat uns allen sehr geholfen. Das sind wirklich die Werte, die wir mitbekommen haben, das Thema Bildung.
Lange: Ausbildung ist das A und O. Haben es die arabischen Frauen heute durchweg leichter sich zu emanzipieren als vor 30 Jahren - oder hängt das immer noch von jedem einzelnen Land und von jeder Gesellschaft ab?
Von Frühling ist längst nicht mehr die Rede. Immer öfter wird der Herbst als Bild bemüht. In den meisten Ländern ist völlig ungewiss, ob überhaupt und wann sich die Lage stabilisiert und zum Besseren wandelt. Aber vielleicht sehen wir das ja auch aus der Ferne etwas zu schwarz. Vielleicht gibt es unter den Trümmern des Alten schon hoffnungsvolle Keime und Pflänzchen namens Zivilgesellschaft und Demokratie, die wir von hier aus vielleicht nicht genau wahrnehmen.
Dass es so etwas in irgendeiner Größenordnung geben muss, dafür steht unser heutiger Gast. Sie ist Gründerin und Vorsitzende des Arab International Women's Forum. Begrüßen Sie bitte mit mir Frau Haifa Al Kaylani.
In Palästina ist sie geboren und im Libanon aufgewachsen. In Beirut, in Oxford hat sie Ökonomie studiert. Sie hat bei der UNO und in verschiedenen internationalen Frauenorganisationen gearbeitet. 2001 hat sie das Arab International Women's Forum gegründet, ein Netzwerk oder einen Dachverband aus inzwischen 1500 Vereinigungen, Firmen, Partnern, einzelnen Persönlichkeiten – mit einem Hauptziel, den Frauen in der arabischen Welt zu helfen, international und in ihren Gesellschaften eine aktive Rolle zu spielen, eine Stimme zu haben, sich zu engagieren, sich engagieren zu können, politisch, wirtschaftlich und sozial.
Frau Al Kaylani, wenn wir das Gespräch beginnen mit Ihrer eigenen Biographie: Sie sind in Palästina geboren, als älteste von fünf Schwestern. Das war vermutlich keine Selbstverständlichkeit, dass man zu der Zeit studieren durfte, eine Ausbildung bekam. Wie ist das in Ihrer Familie geregelt worden?
Haifa Al Kaylani: Meine Schwestern und ich verdanken unseren Eltern wirklich viel, auch im Blick auf die Werte, die sie uns weitergegeben haben, die sie aus Palästina mitgebracht haben. Meine beiden Eltern waren sehr gebildet und sie haben Palästina verlassen, haben sich dann niedergelassen und mein Vater hat ein sehr erfolgreiches Geschäft gegründet – und alles nur Dank Bildung. Sie haben wirklich alles zurückgelassen.
Als dann wir fünf Töchter nach und nach auf die Welt kamen, war es ganz wichtig für meine Eltern, dass sie wirklich den Wert der Bildung betonen. Es gab bei uns zu Hause zwei Regeln. Erstens: Niemandem von uns war es erlaubt, verheiratet zu werden, bevor wir einen Bachelor oder einen Master haben. Und wenn wir nicht ein Jahr gearbeitet hatten, war es uns auch nicht erlaubt, verheiratet zu werden. Das hat uns allen sehr geholfen. Das sind wirklich die Werte, die wir mitbekommen haben, das Thema Bildung.
Lange: Ausbildung ist das A und O. Haben es die arabischen Frauen heute durchweg leichter sich zu emanzipieren als vor 30 Jahren - oder hängt das immer noch von jedem einzelnen Land und von jeder Gesellschaft ab?
"Wir haben erlebt, dass eine neue Generation arabischer Frauen entsteht"
Al Kaylani: Zweifelsohne ist es so: Die Entwicklungen und der Schritt nach vorne, den wir gesehen haben im Blick auf die arabischen Frauen in den letzten 20 Jahren, ist etwas, das wir als Fenster der Möglichkeiten beschreiben können. Dieses Fenster ergab sich Dank der Bildung.
Die Regierungen haben in Bildung investiert in der Region. Und die Mädchen haben wirklich von der Bildung profitiert. In allen arabischen Ländern ist es ohne Ausnahme so, dass nun der Zugang für Mädchen in die Schulen – und ich spreche von der Primärbildung, also vom Bereich Kindergarten – viel besser geworden ist, als auch die Ergebnisse, die sich verbessert haben.
Die Mädchen haben insgesamt viel besser abgeschnitten als die Jungen. Bildung ist das wichtigste Instrument, um Mädchen und Frauen in der Region zu befähigen. Und wir haben damit im Prinzip die Entwicklung, das Entstehen einer neuen Generation arabischer Frauen erlebt, die gebildet werden.
Arabische Frauen erhalten auch heute Positionen in der Regierung, in der Wirtschaft und werden ernannt, weil sie gut sind. Wir sehen, dass Frauen in Familienunternehmen tätig sind. Wir erleben aber auch, dass Frauen ihr eigenes Unternehmen gründen. Wir haben Rechtsanwälte, wir haben Ärztinnen. Frauen sind in jedem Bereich tätig. Jedoch wünschen wir uns noch eine größere Zahl.
Lange:Dass die Mädchen besser sind als die Jungs, das kennen wir auch. Aber gemessen am Westen, kann man sagen, dass es noch einen Rückstand gibt, den man bemessen kann? Wir leben ja auch manchmal von Stereotypen. Und wenn wir an Arabien denken, dann fällt uns zum Beispiel ein, dass die Frauen in Saudi Arabien nicht Autofahren dürfen.
Al Kaylani: Ja, es stimmt. Die Frauen dürfen dort nicht Autofahren. Ja, es stimmt, dass sie noch nicht so arg viele Rechte dort genießen, aber es gab schon viel Weiterentwicklung. Und ich glaube immer, dass wir auch das anerkennen müssen, was bereits erreicht wurde. Und das betonen wir eben auch immer mit Blick auf unsere saudischen Mitglieder, dass die saudische Regierung, der König, Reformen gegenüber positiv eingestellt ist, dass er schrittweise Reformen durchführt, was natürlich auch politische Maßnahmen erfordert. Es ist also wirklich ein schrittweiser Ansatz.
Dieses Jahr beispielsweise wurden 35 Frauen in ein Gremium aufgenommen. Das ist etwas Gutes. Wissen Sie, ich weiß, wo immer wir hingehen, werden wir gefragt: Na ja, was ist nun mit den Frauen und dem Autofahren? – Wissen Sie was? Wir sagen immer: Sprecht doch nicht immer nur vom Autofahren. Wir sind gebildet. Wir machen ganz andere Dinge. Wir sind Familienunternehmerinnen, wir sind Ärzte. Wir sind Rechtsanwälte. Warum beschränkt ihr unsere Rolle immer nur auf das Autofahren?
Lange: Wenn Sie sich Ihren Verband vor Augen führen und eine typische Frau aus Ihrer Mitgliedschaft, von der Sie sagen, ja, das ist sozusagen das Modell, so muss es gehen, haben Sie da jemanden vor Augen, den Sie uns sozusagen als Beispiel nennen könnten?
Die Regierungen haben in Bildung investiert in der Region. Und die Mädchen haben wirklich von der Bildung profitiert. In allen arabischen Ländern ist es ohne Ausnahme so, dass nun der Zugang für Mädchen in die Schulen – und ich spreche von der Primärbildung, also vom Bereich Kindergarten – viel besser geworden ist, als auch die Ergebnisse, die sich verbessert haben.
Die Mädchen haben insgesamt viel besser abgeschnitten als die Jungen. Bildung ist das wichtigste Instrument, um Mädchen und Frauen in der Region zu befähigen. Und wir haben damit im Prinzip die Entwicklung, das Entstehen einer neuen Generation arabischer Frauen erlebt, die gebildet werden.
Arabische Frauen erhalten auch heute Positionen in der Regierung, in der Wirtschaft und werden ernannt, weil sie gut sind. Wir sehen, dass Frauen in Familienunternehmen tätig sind. Wir erleben aber auch, dass Frauen ihr eigenes Unternehmen gründen. Wir haben Rechtsanwälte, wir haben Ärztinnen. Frauen sind in jedem Bereich tätig. Jedoch wünschen wir uns noch eine größere Zahl.
Lange:Dass die Mädchen besser sind als die Jungs, das kennen wir auch. Aber gemessen am Westen, kann man sagen, dass es noch einen Rückstand gibt, den man bemessen kann? Wir leben ja auch manchmal von Stereotypen. Und wenn wir an Arabien denken, dann fällt uns zum Beispiel ein, dass die Frauen in Saudi Arabien nicht Autofahren dürfen.
Al Kaylani: Ja, es stimmt. Die Frauen dürfen dort nicht Autofahren. Ja, es stimmt, dass sie noch nicht so arg viele Rechte dort genießen, aber es gab schon viel Weiterentwicklung. Und ich glaube immer, dass wir auch das anerkennen müssen, was bereits erreicht wurde. Und das betonen wir eben auch immer mit Blick auf unsere saudischen Mitglieder, dass die saudische Regierung, der König, Reformen gegenüber positiv eingestellt ist, dass er schrittweise Reformen durchführt, was natürlich auch politische Maßnahmen erfordert. Es ist also wirklich ein schrittweiser Ansatz.
Dieses Jahr beispielsweise wurden 35 Frauen in ein Gremium aufgenommen. Das ist etwas Gutes. Wissen Sie, ich weiß, wo immer wir hingehen, werden wir gefragt: Na ja, was ist nun mit den Frauen und dem Autofahren? – Wissen Sie was? Wir sagen immer: Sprecht doch nicht immer nur vom Autofahren. Wir sind gebildet. Wir machen ganz andere Dinge. Wir sind Familienunternehmerinnen, wir sind Ärzte. Wir sind Rechtsanwälte. Warum beschränkt ihr unsere Rolle immer nur auf das Autofahren?
Lange: Wenn Sie sich Ihren Verband vor Augen führen und eine typische Frau aus Ihrer Mitgliedschaft, von der Sie sagen, ja, das ist sozusagen das Modell, so muss es gehen, haben Sie da jemanden vor Augen, den Sie uns sozusagen als Beispiel nennen könnten?
"Frauen im landwirtschaftlichen Bereich werden immer wieder vergessen"
Al Kaylani: Aus der arabischen Region? Es gibt viele Beispiele, die ich Ihnen hier anführen könnte. Es gibt viele Frauen, nicht nur in Regierungspositionen, und Vorbild er insgesamt Queen Rania beispielsweise.
Mit Blick auf die Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Gesellschaft kann ich einfach nur sagen, dass es auch viele Frauen gibt, die immer wieder vergessen werden, diejenigen, die im landwirtschaftlichen Bereich arbeiten.
Wissen Sie? Die arabische Region hat einen großen Landwirtschaftssektor und die Frauen arbeiten schwer in diesem Bereich. Häufig wird diese Arbeit nicht so geschätzt und auch nicht wirklich so entlohnt, wie es sein sollte.
Ich könnte Ihnen also viele Beispiele geben für Frauen in der Region, die wirklich Vorbilder sind, die typisch sind, die große Unternehmen führen, die ein Familienunternehmen führen. Und vielleicht kann ich noch etwas sagen: Im nächsten Monat werden wir in Berlin sein für unsere jährliche Konferenz vom Arab International Forum. Und wir werden hier sein mit 150 führenden arabischen Unternehmerinnen und Führungspersonen insgesamt.
Lange: Ich habe mir Ihren Newsletter angeschaut und es fiel mir auf, dass es Bilder sind mit überwiegend unverschleierten, aus meiner Wahrnehmung modernen Frauen. Ist der Islam oder bestimmte Überlieferungen das Hindernis, für das wir es halten, oder spielt er eigentlich nicht die Rolle?
Al Kaylani: Ich möchte an dieser Stelle Folgendes sagen: Der Islam ist eine Religion, die Frauen befähigt und unterstützt. Ich bin sehr stolz, als Muslimin erzogen worden zu sein. Ich bin als Muslimin aufgezogen worden in einer muslimischen Familie, die sich für Werte und Bildung und Befähigung eingesetzt hat. Das heißt, der Islam beschneidet die Frauen nicht in ihren Rechten. Nein, ganz im Gegenteil.
Anders gesagt: Es geht wirklich eher darum, ob sich einer unserer Mitglieder oder eine Frau in der Region in dieser Richtung einsetzt. Ich möchte Ihnen ein Beispiel mitgeben: Letztes Jahr hatten wir beispielsweise vier Konferenzen, die in kurzer Zeit hintereinander mit arabischen Führungspersönlichkeiten stattfanden. Wir haben 24-jährige bis 35-jährige Frauen zusammengebracht in den Ländern in dieser Region. Und ich kann Ihnen nur sagen, wir hatten diese Säle voll mit beeindruckenden Frauen, die in unterschiedlichen Branchen arbeiten.
Und ich habe umhergeschaut und der Großteil der Frauen hat keinen Schleier getragen. Es ist wirklich eine Entscheidung, die die Frauen für sich treffen. Wissen Sie, wir konzentrieren uns ja jetzt auf die junge Generation, da kann ich Ihnen auch sagen, dass ich noch nie einen Raum gesehen habe, in dem alle Frauen verschleiert sind.
Lange: Aber welchen Stellenwert haben – sagen wir mal – alte Traditionen, wo der Mann eben der Herr im Haus ist und bestimmt über die Frau. Das ist ja bei uns in Deutschland auch erst 50 Jahre her, dass die Frau sich da aufgemacht hat und ihren eigenen Weg geht. Und ich nehme an, nicht alle arabischen Männer sind groß erfreut, wenn ihre Frauen oder ihre Töchter sich aufmachen und ihre eigene Karriere machen wollen.
Mit Blick auf die Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Gesellschaft kann ich einfach nur sagen, dass es auch viele Frauen gibt, die immer wieder vergessen werden, diejenigen, die im landwirtschaftlichen Bereich arbeiten.
Wissen Sie? Die arabische Region hat einen großen Landwirtschaftssektor und die Frauen arbeiten schwer in diesem Bereich. Häufig wird diese Arbeit nicht so geschätzt und auch nicht wirklich so entlohnt, wie es sein sollte.
Ich könnte Ihnen also viele Beispiele geben für Frauen in der Region, die wirklich Vorbilder sind, die typisch sind, die große Unternehmen führen, die ein Familienunternehmen führen. Und vielleicht kann ich noch etwas sagen: Im nächsten Monat werden wir in Berlin sein für unsere jährliche Konferenz vom Arab International Forum. Und wir werden hier sein mit 150 führenden arabischen Unternehmerinnen und Führungspersonen insgesamt.
Lange: Ich habe mir Ihren Newsletter angeschaut und es fiel mir auf, dass es Bilder sind mit überwiegend unverschleierten, aus meiner Wahrnehmung modernen Frauen. Ist der Islam oder bestimmte Überlieferungen das Hindernis, für das wir es halten, oder spielt er eigentlich nicht die Rolle?
Al Kaylani: Ich möchte an dieser Stelle Folgendes sagen: Der Islam ist eine Religion, die Frauen befähigt und unterstützt. Ich bin sehr stolz, als Muslimin erzogen worden zu sein. Ich bin als Muslimin aufgezogen worden in einer muslimischen Familie, die sich für Werte und Bildung und Befähigung eingesetzt hat. Das heißt, der Islam beschneidet die Frauen nicht in ihren Rechten. Nein, ganz im Gegenteil.
Anders gesagt: Es geht wirklich eher darum, ob sich einer unserer Mitglieder oder eine Frau in der Region in dieser Richtung einsetzt. Ich möchte Ihnen ein Beispiel mitgeben: Letztes Jahr hatten wir beispielsweise vier Konferenzen, die in kurzer Zeit hintereinander mit arabischen Führungspersönlichkeiten stattfanden. Wir haben 24-jährige bis 35-jährige Frauen zusammengebracht in den Ländern in dieser Region. Und ich kann Ihnen nur sagen, wir hatten diese Säle voll mit beeindruckenden Frauen, die in unterschiedlichen Branchen arbeiten.
Und ich habe umhergeschaut und der Großteil der Frauen hat keinen Schleier getragen. Es ist wirklich eine Entscheidung, die die Frauen für sich treffen. Wissen Sie, wir konzentrieren uns ja jetzt auf die junge Generation, da kann ich Ihnen auch sagen, dass ich noch nie einen Raum gesehen habe, in dem alle Frauen verschleiert sind.
Lange: Aber welchen Stellenwert haben – sagen wir mal – alte Traditionen, wo der Mann eben der Herr im Haus ist und bestimmt über die Frau. Das ist ja bei uns in Deutschland auch erst 50 Jahre her, dass die Frau sich da aufgemacht hat und ihren eigenen Weg geht. Und ich nehme an, nicht alle arabischen Männer sind groß erfreut, wenn ihre Frauen oder ihre Töchter sich aufmachen und ihre eigene Karriere machen wollen.
"Das zusätzliche Einkommen von Frauen ist notwendig für die Familien"
Al Kaylani: Mit Blick auf die Frauen in der arabischen Region können wir nicht sagen, dass wir Parität erreicht haben. Es gibt immer noch Herausforderungen, aber es gibt auch Chancen. Und es gibt kulturelle und gesellschaftliche Hürden, aber die arabische Welt ist doch nicht immun dagegen, was im Rest der Welt passiert.
Wissen Sie? In den letzten 15 Jahren gab es eine Revolution mit Blick auf Kommunikation, Informationstechnologie. Und der arabische Mann ist doch davon nicht losgelöst, nicht losgelöst von diesem Globalisierungsprozess. Mädchen haben nun Bildung und das hat natürlich Auswirkungen.
Das heißt, Frauen sind gebildet, haben nun ein Einkommen. Und dieses zusätzliche Einkommen ist auch notwendig in den Familien. Deswegen haben sogar zum Teil Brüder und Väter die Mädchen ermutigt, eine Arbeit aufzunehmen, weil das Geld notwendig war.
Wissen Sie, die Zahl der Frauen, die nun zur Arbeiterschaft gehören in der arabischen Region – muss ich sagen –, gehört immer noch zu den geringsten der Welt. Wir haben also nicht die optimale Situation schon erreicht, nein. Aber wir haben bis dato schon einen guten Zuwachs gesehen von Frauen, die Vorbilder werden für viele andere, die nun auch Mentorinnen sein können für viele andere und die belegen, dass es gut ist, wenn man ihnen Verantwortung gibt – in der Regierung, als Botschafterinnen, als Anwälte und so weiter.
Es geht darum, dass wir die Frauen in der arabischen Region miteinander in Verbindung bringen. Und unsere Rolle besteht darin, dass wir auch Veränderungen vor Ort schaffen. Das heißt, wir müssen das Denken der Politiker beeinflussen, dass die richtigen Gesetze erlassen werden, die dann das Leben der Menschen beeinflussen.
Und wenn wir mit führenden Unternehmerinnen sprechen, mit führenden Politikerinnen sprechen, dann werden wir ihnen immer wieder sagen, dass die Maßnahmen zur Unterstützung der Frauen noch nicht zu Ende sind. Sie reichen noch nicht. Nein, wir müssen mehr tun, um eine bessere Zukunft zu bauen.
Lange: Ich höre die Fortschritte, von denen Sie berichten. Aber wenn ich auf die Situation in Ägypten oder in anderen Ländern schaue, wo islamistische Strömungen stärker geworden sind, legt das eher einen Rückschritt nahe. Sie befassen sich auch mit häuslicher Gewalt. Also, so ganz konfliktlos scheint das ja nicht zu gehen.
Wissen Sie? In den letzten 15 Jahren gab es eine Revolution mit Blick auf Kommunikation, Informationstechnologie. Und der arabische Mann ist doch davon nicht losgelöst, nicht losgelöst von diesem Globalisierungsprozess. Mädchen haben nun Bildung und das hat natürlich Auswirkungen.
Das heißt, Frauen sind gebildet, haben nun ein Einkommen. Und dieses zusätzliche Einkommen ist auch notwendig in den Familien. Deswegen haben sogar zum Teil Brüder und Väter die Mädchen ermutigt, eine Arbeit aufzunehmen, weil das Geld notwendig war.
Wissen Sie, die Zahl der Frauen, die nun zur Arbeiterschaft gehören in der arabischen Region – muss ich sagen –, gehört immer noch zu den geringsten der Welt. Wir haben also nicht die optimale Situation schon erreicht, nein. Aber wir haben bis dato schon einen guten Zuwachs gesehen von Frauen, die Vorbilder werden für viele andere, die nun auch Mentorinnen sein können für viele andere und die belegen, dass es gut ist, wenn man ihnen Verantwortung gibt – in der Regierung, als Botschafterinnen, als Anwälte und so weiter.
Es geht darum, dass wir die Frauen in der arabischen Region miteinander in Verbindung bringen. Und unsere Rolle besteht darin, dass wir auch Veränderungen vor Ort schaffen. Das heißt, wir müssen das Denken der Politiker beeinflussen, dass die richtigen Gesetze erlassen werden, die dann das Leben der Menschen beeinflussen.
Und wenn wir mit führenden Unternehmerinnen sprechen, mit führenden Politikerinnen sprechen, dann werden wir ihnen immer wieder sagen, dass die Maßnahmen zur Unterstützung der Frauen noch nicht zu Ende sind. Sie reichen noch nicht. Nein, wir müssen mehr tun, um eine bessere Zukunft zu bauen.
Lange: Ich höre die Fortschritte, von denen Sie berichten. Aber wenn ich auf die Situation in Ägypten oder in anderen Ländern schaue, wo islamistische Strömungen stärker geworden sind, legt das eher einen Rückschritt nahe. Sie befassen sich auch mit häuslicher Gewalt. Also, so ganz konfliktlos scheint das ja nicht zu gehen.
"Ja, es gibt die Sorge, dass es für Frauen Rückschritte gibt"
Haifa Al Kaylani: Nein. Anders gesagt: Seit dem Beginn des Arabischen Frühlings und den islamistischen Bewegungen und deren Stärkung in der Region ist es so, dass wir wirklich auch Sorgen erleben bei den Frauen, dass sie möglicherweise Dinge auch wieder verlieren, für die sie sich so intensiv eingesetzt haben. Es gibt diese Sorge, ja.
Gleichzeitig erleben wir aber auch Frauen, die auf der Straße stehen und die weitere Dinge fordern, die sich engagieren. Es gibt weibliche Bloggerinnen beispielsweise. Niemand verstummt hier. Die Stimme wird immer lauter. Und es könnte mittelfristig vielleicht gerade als Rückschritt zu interpretieren sein, aber wichtig ist doch zu sehen, dass die Frauen eine Stimme haben, eine Rolle spielen, gerade auch, wenn es um die Ausarbeitung der neuen Verfassung beispielsweise in Ägypten und in Tunesien geht.
Das sind die Gesetze, die dann das Leben dieser Frauen in der Zukunft bestimmen. Das heißt, wir wünschen uns mehr Frauen, die auch in diesen Beratungsprozessen involviert sind bei der Ausarbeitung der Verfassung. Und natürlich wünschten wir uns auch noch mehr Parlamentarierinnen, Frauen, die eingeladen werden, auch im öffentlichen Bereich eine Rolle zu spielen.
Lange: Sie haben die Revolutionen gerade schon erwähnt. Revolutionen sind ja das Ergebnis eines Versagens der arabischen Eliten, zu denen ja vielleicht auch Frauen gehören. Ist es so, dass die Frauen durchweg alle diese Revolution unterstützen oder geht die Spaltung durch die Gesellschaften auch durch die Frauen?
Ich kann mir vorstellen, dass eine Unternehmerin ein Interesse an politischer Stabilität hat, egal wie sie zustande kommt.
Gleichzeitig erleben wir aber auch Frauen, die auf der Straße stehen und die weitere Dinge fordern, die sich engagieren. Es gibt weibliche Bloggerinnen beispielsweise. Niemand verstummt hier. Die Stimme wird immer lauter. Und es könnte mittelfristig vielleicht gerade als Rückschritt zu interpretieren sein, aber wichtig ist doch zu sehen, dass die Frauen eine Stimme haben, eine Rolle spielen, gerade auch, wenn es um die Ausarbeitung der neuen Verfassung beispielsweise in Ägypten und in Tunesien geht.
Das sind die Gesetze, die dann das Leben dieser Frauen in der Zukunft bestimmen. Das heißt, wir wünschen uns mehr Frauen, die auch in diesen Beratungsprozessen involviert sind bei der Ausarbeitung der Verfassung. Und natürlich wünschten wir uns auch noch mehr Parlamentarierinnen, Frauen, die eingeladen werden, auch im öffentlichen Bereich eine Rolle zu spielen.
Lange: Sie haben die Revolutionen gerade schon erwähnt. Revolutionen sind ja das Ergebnis eines Versagens der arabischen Eliten, zu denen ja vielleicht auch Frauen gehören. Ist es so, dass die Frauen durchweg alle diese Revolution unterstützen oder geht die Spaltung durch die Gesellschaften auch durch die Frauen?
Ich kann mir vorstellen, dass eine Unternehmerin ein Interesse an politischer Stabilität hat, egal wie sie zustande kommt.
"Nicht nur die Golfstaaten, alle arabischen Länder sind reich"
Al Kaylani: Lassen Sie mich zum Anfang der Frage zurückgehen. Diese Revolutionen, diese Aufstände in der arabischen Region wurden wirklich in erster Linie aufgrund eines Mangels von wirtschaftlichen Chancen ausgelöst.
Wir haben wirklich eine große jugendliche Bevölkerung. Diese Bevölkerung ist nun ausgebildet, hat aber keine Arbeitsplätze. Sie leiden, auch jetzt. Viele sind verzweifelt seit dem Beginn des Arabischen Frühlings und versuchen auch zum Teil die Länder zu verlassen. Sie finden weiterhin keinen Arbeitsplatz. Diese ökonomischen Faktoren hinter dem Arabischen Frühling sind von großer Bedeutung.
Jedes arabische Land ist reich. Lassen Sie mich das ganz deutlich machen, nicht nur die Golfstaaten, nicht nur die Öl produzierenden Länder, nein, jedes arabische Land ist reich. Vergessen Sie nicht, dass dieser Teil der Erde wirklich entscheidend war und im Zentrum der geschichtlichen Entwicklung stand.
Jetzt ist es so, dass der Wohlstand der Region konzentriert ist, und zwar in den Händen weniger. Ein Großteil der Mittelklasse ist in den meisten arabischen Ländern verloren gegangen. Und deswegen sind die Menschen nun in den Straßen und fordern wieder danach, fordern nach Chancen, nach Rechten.
Meinungsäußerung soll wieder frei sein, Redefreiheit. Danach verlangen sie. Sie wollen einfach wieder ein Leben haben. Sie möchten sich selber als auch ihren Familien eine Zukunft bauen können. Das heißt, die wirtschaftlichen Faktoren hinter dem Arabischen Frühling dürfen niemals unterschätzt werden.
Lange:Wenn es die jungen Leute sind, die diese Revolutionen getragen haben, junge Männer, junge Frauen, meinen Sie, dass allein dieser Prozess die Gleichberechtigung zwischen den arabischen jungen Menschen, Männern und Frauen, dann schon beschleunigt? Dann kann man ja eigentlich nicht mehr in alte patriarchalische Strukturen zurückfallen, oder?
Al Kaylani: Dem stimme ich so zu. Denn wir sollten nicht vergessen, dass wir hier von einer jüngeren Generation sprechen, die gut gebildet ist. Sie leiden an einem Mangel an Chancen. Sie haben sich zusammengetan, ob über die sozialen Medien, ob in den Straßen, um nach Frieden zu verlangen. Sie haben eine gemeinsame Zukunftsvision für die unterschiedlichen Länder in der Region und sie wollen natürlich auch eine Rolle in dieser Zukunft spielen. Und ich glaube, es ist wichtig, dass wir diese Zusammenarbeit erkennen, gerade wenn wir weiter nach vorne gehen.
Lange: Nun steckt Ägypten in einer dramatischen Entwicklung. Der Ausgang ist offen. Syrien kann man nur als eine Tragödie bezeichnen. Haben die Frauen in diesen Ländern eine Chance, eine aktive Rolle zu spielen, wenn es darum geht Spannungen zu mildern, Gräben zu überwinden, die Gesellschaft wieder zu vereinen?
Al Kaylani: Ich denke, auf jeden Fall sind die Frauen wichtig, wenn es darum geht, Familien zusammenzubringen, Nationen zusammenzubringen, Frieden zu schaffen. Frauen sind doch nicht diejenigen, die an die Waffe gehen, weder in der Region, noch sonst wo. Nein, die Frauen leiden unter Instabilität, ob es Instabilität aufgrund von Krieg oder von anderen Dingen ist. Sie leiden an Ungerechtigkeit und auch an Belästigung, das haben wir doch so erlebt.
Wenn wir also nun nach vorne schauen, dann ist es so, dass die arabischen Nationen nicht aufgebaut werden können, wenn denn nicht Männer und Frauen zusammenarbeiten und wenn sie gemeinsam eine bessere Zukunft erarbeiten. Nirgends kann das volle Potenzial geschöpft werden, wenn man 50 Prozent der Bevölkerung negiert.
Ich bin Ökonomin und ich weiß einfach, die Zahlen müssen stimmen. Aber sie stimmen nur, wenn man alle Ressourcen nutzt und das ganze Potenzial hebt. Und es gibt eben noch dieses ungenutzte Potenzial in der arabischen Region – Frauen und Jugend. Und ihre Rolle ist ganz entscheidend, während wir uns auf die Zukunft ausrichten.
Lange: Ich würde es gerne etwas konkreter haben, wenn Sie erlauben. Was kann in Ägypten zum Beispiel passieren, dass Frauen wie seinerzeit Lysistrata den Männern in den Arm fallen, wenn sie kämpfen wollen, wenn sie Kriege führen wollen? Wie kann es passieren, dass sozusagen eine zivile Kultur des Verhandelns, des Kompromisses sich da durchsetzt?
Wir haben wirklich eine große jugendliche Bevölkerung. Diese Bevölkerung ist nun ausgebildet, hat aber keine Arbeitsplätze. Sie leiden, auch jetzt. Viele sind verzweifelt seit dem Beginn des Arabischen Frühlings und versuchen auch zum Teil die Länder zu verlassen. Sie finden weiterhin keinen Arbeitsplatz. Diese ökonomischen Faktoren hinter dem Arabischen Frühling sind von großer Bedeutung.
Jedes arabische Land ist reich. Lassen Sie mich das ganz deutlich machen, nicht nur die Golfstaaten, nicht nur die Öl produzierenden Länder, nein, jedes arabische Land ist reich. Vergessen Sie nicht, dass dieser Teil der Erde wirklich entscheidend war und im Zentrum der geschichtlichen Entwicklung stand.
Jetzt ist es so, dass der Wohlstand der Region konzentriert ist, und zwar in den Händen weniger. Ein Großteil der Mittelklasse ist in den meisten arabischen Ländern verloren gegangen. Und deswegen sind die Menschen nun in den Straßen und fordern wieder danach, fordern nach Chancen, nach Rechten.
Meinungsäußerung soll wieder frei sein, Redefreiheit. Danach verlangen sie. Sie wollen einfach wieder ein Leben haben. Sie möchten sich selber als auch ihren Familien eine Zukunft bauen können. Das heißt, die wirtschaftlichen Faktoren hinter dem Arabischen Frühling dürfen niemals unterschätzt werden.
Lange:Wenn es die jungen Leute sind, die diese Revolutionen getragen haben, junge Männer, junge Frauen, meinen Sie, dass allein dieser Prozess die Gleichberechtigung zwischen den arabischen jungen Menschen, Männern und Frauen, dann schon beschleunigt? Dann kann man ja eigentlich nicht mehr in alte patriarchalische Strukturen zurückfallen, oder?
Al Kaylani: Dem stimme ich so zu. Denn wir sollten nicht vergessen, dass wir hier von einer jüngeren Generation sprechen, die gut gebildet ist. Sie leiden an einem Mangel an Chancen. Sie haben sich zusammengetan, ob über die sozialen Medien, ob in den Straßen, um nach Frieden zu verlangen. Sie haben eine gemeinsame Zukunftsvision für die unterschiedlichen Länder in der Region und sie wollen natürlich auch eine Rolle in dieser Zukunft spielen. Und ich glaube, es ist wichtig, dass wir diese Zusammenarbeit erkennen, gerade wenn wir weiter nach vorne gehen.
Lange: Nun steckt Ägypten in einer dramatischen Entwicklung. Der Ausgang ist offen. Syrien kann man nur als eine Tragödie bezeichnen. Haben die Frauen in diesen Ländern eine Chance, eine aktive Rolle zu spielen, wenn es darum geht Spannungen zu mildern, Gräben zu überwinden, die Gesellschaft wieder zu vereinen?
Al Kaylani: Ich denke, auf jeden Fall sind die Frauen wichtig, wenn es darum geht, Familien zusammenzubringen, Nationen zusammenzubringen, Frieden zu schaffen. Frauen sind doch nicht diejenigen, die an die Waffe gehen, weder in der Region, noch sonst wo. Nein, die Frauen leiden unter Instabilität, ob es Instabilität aufgrund von Krieg oder von anderen Dingen ist. Sie leiden an Ungerechtigkeit und auch an Belästigung, das haben wir doch so erlebt.
Wenn wir also nun nach vorne schauen, dann ist es so, dass die arabischen Nationen nicht aufgebaut werden können, wenn denn nicht Männer und Frauen zusammenarbeiten und wenn sie gemeinsam eine bessere Zukunft erarbeiten. Nirgends kann das volle Potenzial geschöpft werden, wenn man 50 Prozent der Bevölkerung negiert.
Ich bin Ökonomin und ich weiß einfach, die Zahlen müssen stimmen. Aber sie stimmen nur, wenn man alle Ressourcen nutzt und das ganze Potenzial hebt. Und es gibt eben noch dieses ungenutzte Potenzial in der arabischen Region – Frauen und Jugend. Und ihre Rolle ist ganz entscheidend, während wir uns auf die Zukunft ausrichten.
Lange: Ich würde es gerne etwas konkreter haben, wenn Sie erlauben. Was kann in Ägypten zum Beispiel passieren, dass Frauen wie seinerzeit Lysistrata den Männern in den Arm fallen, wenn sie kämpfen wollen, wenn sie Kriege führen wollen? Wie kann es passieren, dass sozusagen eine zivile Kultur des Verhandelns, des Kompromisses sich da durchsetzt?
"Ägypten spielt eine entscheidende Rolle - ich bete um Syrien"
Al Kaylani: Es ist natürlich heute in Ägypten ganz entscheidend, dass man einen Dialog hat, einen Dialog, der bereits initiiert wurde und der auch schon bereits zu einigen Ergebnissen geführt hat. Das gilt so für Ägypten. Und wir wissen, dass es ganz entscheidend ist. Und hier müssen verschiedene Akteure zusammen bringen. Ägypten ist ganz entscheidend, weil es mit Blick auf seine Größe und seine Auswirkung auf die Region natürlich eine wichtige Rolle spielt.
Und ich bin glücklich, dass ich vor zwei, drei Tagen in London bei einer Veranstaltung der G8- Deauville-Partnerschaft war, Investitionskonferenz, die von der britischen Regierung durchgeführt wurde im Rahmen der G8-Treffen mit der Entwicklungsbank, der Weltbank. Es ging um die Bewältigung von Herausforderungen in arabischen Staaten, als auch in Ländern im Übergang mit einem Fokus auf Ägypten, Tunesien, Libyen und Jordanien.
Die wichtigste Regierungsdelegation aus Ägypten sagte das Folgende:
Natürlich, wir haben große wirtschaftliche Herausforderungen, auch sehen wir uns Instabilität und Unsicherheit gegenüber, auch, und das ist ganz entscheidend, sagte die Delegation, dass wir alle Beteiligten zusammenbringen. Deswegen sind wir froh zu sagen, dass der Rat der 50 Ältesten gegründet wurde. Dieser befindet sich nun im Prozess der Ausarbeitung einer neuen Verfassung für alle Ägypter.
Und sie haben dann noch als Delegationsmitglieder hinzugefügt, dass diese Übergangsregierung nur für neun Monate da sein wird. Danach wünscht man sich natürlich Wahlen und eine Weiterentwicklung, auch die Einführung der neuen Verfassung unter Einbeziehung aller Parteien und der Männer und Frauen.
Lange:Schauen wir einen Moment noch auf Syrien. Da scheint es, soweit wir das sehen, besonders schlimm zu sein. Gibt es irgendwelche Ansätze, wo Ihre Organisation, Ihr Dachverband irgendwie in dieses Land hineinwirken kann? Oder ist Syrien aus Ihrer Sicht verloren?
Al Kaylani: Nun, ich bete natürlich, dass Syrien nicht verloren geht. Syrien ist ein sehr wichtiges arabisches, sehr reiches arabisches Land – reich mit Blick auf Ressourcen, Kultur und seine Menschen. Und die Situation ist extrem tragisch. Die Frauen haben enorm gelitten. Wir sehen das nicht nur innerhalb von Syrien. Wir sehen sie natürlich auch als Flüchtlinge in den umliegenden Ländern, als auch das Leid der Menschen und der Frauen in Syrien selbst.
Wir haben Mitglieder in Syrien natürlich. Das Arabische Internationale Frauenforum hat fast in allen arabischen Ländern Mitglieder. Aber ich möchte Ihnen noch etwas sagen an dieser Stelle. Wissen Sie, eine unserer sehr erfolgreichen Konferenzen hat in Damaskus im Jahre 2010 stattgefunden, und zwar bevor die Tragödie begann, bevor der Krieg ausbrach. Und wissen Sie. das Land hat uns willkommen geheißen. Wir waren circa 250 Frauen, die bei dieser Konferenz waren aus, ich würde sagen 35 Ländern, die sich dort mit unseren syrischen Gleichdenkenden zusammengetan haben, um über Chancen als auch über die Zukunft nachzudenken.
Die Mitglieder sind noch da. Ja, einige haben natürlich auch das Land verlassen, aber ich möchte auch deutlich machen, dass wir versuchen Gelder zu bekommen, um auch humanitäre Belange anzugehen. Dort, wo es Bedarf gibt, und der Bedarf ist groß, wollen wir ebenfalls tätig werden.
Lange: Ich habe das jetzt aber so verstanden, dass Ihre Mitglieder in Syrien eher der Regierung nahestehen. Spielt sich der Konflikt innerhalb Syriens auch in Ihrer Organisation ab – pro und contra Assad?
Al Kaylani: Nein, nein, nein, das wollte ich so nicht sagen, dass unsere Mitglieder der syrischen Regierung näher stehen. Ich wollte sagen, dass – als wir nach Syrien gegangen sind – wir dort auch Mitglieder haben, die aus dem Bereich der Wirtschaft kommen oder die im Bereich der öffentlichen Institutionen arbeiten.
Und ja, es ist gerade so, dass die Nation gespalten ist. Syrien ist in vielerlei Fragmente zerbrochen. So kann man das sagen. Und wir beten, dass das Leiden so schnell wie möglich zu einem Ende kommt und dass sich das Land wieder zusammentun kann und dass wir wieder ein Land haben, das sich Syrien nennt.
Lange: Wenn wir uns in fünf Jahren treffen würden, von welchen Fortschritten würden Sie mir dann gern berichten? Was wollen Sie mit Ihrer Organisation bis dahin erreicht haben?
Al Kaylani: Was wir erreichen wollen? Wir möchten ganz gerne, dass all diese Reformen, die angesprochen wurden mit Hilfe all der Minister, der Vertreter, das waren Reformen im wirtschaftlichen Bereich, im politischen Bereich, beispielsweise zur Vergrößerung eines größeren Privatsektors, zur Stärkung der Mittelklasse, dass all dies vorangetrieben wird – bessere Gleichstellung der Geschlechter. Wir möchten hochwertigere Arbeitsplätze. Wir möchten, dass die Jugend bei uns in der Region bleibt, dass sie Arbeit haben und eine gute Zukunft.
Und wissen Sie? Das wurde so am Montag gesagt während dieses G8-Treffens. Die Politiker, die Wirtschaftsvertreter haben das so aufgenommen und haben sogar Roadmaps erarbeitet. Und wir als bürgerliche Gesellschaft, als Zivilgesellschaft, wir versuchen hier natürlich einen Teil der Gesellschaft, sprich 50 Prozent der Gesellschaft, zu unterstützen, die Frauen – im privaten und im öffentlichen Bereich.
Lange: Roadmaps sind natürlich auch Papier, was beschriftet ist, was umgesetzt werden muss. Wir haben auch schon viele Roadmaps gesehen, die nie realisiert worden sind. Sie sind da optimistischer?
Haifa Al Kaylani: Ich habe am Montag wirklich gesehen, dass es dort exzellente Minister gab aus all diesen Ländern, die deutlich gemacht haben, dass sie diese Reformen durchführen möchten – Zugang zu Finanzen, makroökonomische Reformen, Verbesserung des Arbeitsmarktes, Verringerung der Rolle der Regierung.
Denn Sie müssen wissen, dass es in unserer Region ein Handicap gibt, und zwar seit mehreren Jahren, nämlich dass es nur einen ganz, ganz kleinen Privatsektor gibt, aber einen immensen öffentlichen Sektor, der kostspielig ist und ineffektiv ist.
Hier ist nun das Bestreben, dies zu verändern, um einen lebendigeren, dynamischeren Privatsektor zu entwickeln – auch mit Hilfe von Frauen, die einen aktiven Beitrag leisten. Das Thema Transparenz, Offenheit ist entscheidend in allen neuen Regierungen und auch bei allen neuen Führungspersönlichkeiten, die wir nun in der Region haben. Das ist zweifelsohne so.
Lange: Frau Al Kaylani, herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Und ich bin glücklich, dass ich vor zwei, drei Tagen in London bei einer Veranstaltung der G8- Deauville-Partnerschaft war, Investitionskonferenz, die von der britischen Regierung durchgeführt wurde im Rahmen der G8-Treffen mit der Entwicklungsbank, der Weltbank. Es ging um die Bewältigung von Herausforderungen in arabischen Staaten, als auch in Ländern im Übergang mit einem Fokus auf Ägypten, Tunesien, Libyen und Jordanien.
Die wichtigste Regierungsdelegation aus Ägypten sagte das Folgende:
Natürlich, wir haben große wirtschaftliche Herausforderungen, auch sehen wir uns Instabilität und Unsicherheit gegenüber, auch, und das ist ganz entscheidend, sagte die Delegation, dass wir alle Beteiligten zusammenbringen. Deswegen sind wir froh zu sagen, dass der Rat der 50 Ältesten gegründet wurde. Dieser befindet sich nun im Prozess der Ausarbeitung einer neuen Verfassung für alle Ägypter.
Und sie haben dann noch als Delegationsmitglieder hinzugefügt, dass diese Übergangsregierung nur für neun Monate da sein wird. Danach wünscht man sich natürlich Wahlen und eine Weiterentwicklung, auch die Einführung der neuen Verfassung unter Einbeziehung aller Parteien und der Männer und Frauen.
Lange:Schauen wir einen Moment noch auf Syrien. Da scheint es, soweit wir das sehen, besonders schlimm zu sein. Gibt es irgendwelche Ansätze, wo Ihre Organisation, Ihr Dachverband irgendwie in dieses Land hineinwirken kann? Oder ist Syrien aus Ihrer Sicht verloren?
Al Kaylani: Nun, ich bete natürlich, dass Syrien nicht verloren geht. Syrien ist ein sehr wichtiges arabisches, sehr reiches arabisches Land – reich mit Blick auf Ressourcen, Kultur und seine Menschen. Und die Situation ist extrem tragisch. Die Frauen haben enorm gelitten. Wir sehen das nicht nur innerhalb von Syrien. Wir sehen sie natürlich auch als Flüchtlinge in den umliegenden Ländern, als auch das Leid der Menschen und der Frauen in Syrien selbst.
Wir haben Mitglieder in Syrien natürlich. Das Arabische Internationale Frauenforum hat fast in allen arabischen Ländern Mitglieder. Aber ich möchte Ihnen noch etwas sagen an dieser Stelle. Wissen Sie, eine unserer sehr erfolgreichen Konferenzen hat in Damaskus im Jahre 2010 stattgefunden, und zwar bevor die Tragödie begann, bevor der Krieg ausbrach. Und wissen Sie. das Land hat uns willkommen geheißen. Wir waren circa 250 Frauen, die bei dieser Konferenz waren aus, ich würde sagen 35 Ländern, die sich dort mit unseren syrischen Gleichdenkenden zusammengetan haben, um über Chancen als auch über die Zukunft nachzudenken.
Die Mitglieder sind noch da. Ja, einige haben natürlich auch das Land verlassen, aber ich möchte auch deutlich machen, dass wir versuchen Gelder zu bekommen, um auch humanitäre Belange anzugehen. Dort, wo es Bedarf gibt, und der Bedarf ist groß, wollen wir ebenfalls tätig werden.
Lange: Ich habe das jetzt aber so verstanden, dass Ihre Mitglieder in Syrien eher der Regierung nahestehen. Spielt sich der Konflikt innerhalb Syriens auch in Ihrer Organisation ab – pro und contra Assad?
Al Kaylani: Nein, nein, nein, das wollte ich so nicht sagen, dass unsere Mitglieder der syrischen Regierung näher stehen. Ich wollte sagen, dass – als wir nach Syrien gegangen sind – wir dort auch Mitglieder haben, die aus dem Bereich der Wirtschaft kommen oder die im Bereich der öffentlichen Institutionen arbeiten.
Und ja, es ist gerade so, dass die Nation gespalten ist. Syrien ist in vielerlei Fragmente zerbrochen. So kann man das sagen. Und wir beten, dass das Leiden so schnell wie möglich zu einem Ende kommt und dass sich das Land wieder zusammentun kann und dass wir wieder ein Land haben, das sich Syrien nennt.
Lange: Wenn wir uns in fünf Jahren treffen würden, von welchen Fortschritten würden Sie mir dann gern berichten? Was wollen Sie mit Ihrer Organisation bis dahin erreicht haben?
Al Kaylani: Was wir erreichen wollen? Wir möchten ganz gerne, dass all diese Reformen, die angesprochen wurden mit Hilfe all der Minister, der Vertreter, das waren Reformen im wirtschaftlichen Bereich, im politischen Bereich, beispielsweise zur Vergrößerung eines größeren Privatsektors, zur Stärkung der Mittelklasse, dass all dies vorangetrieben wird – bessere Gleichstellung der Geschlechter. Wir möchten hochwertigere Arbeitsplätze. Wir möchten, dass die Jugend bei uns in der Region bleibt, dass sie Arbeit haben und eine gute Zukunft.
Und wissen Sie? Das wurde so am Montag gesagt während dieses G8-Treffens. Die Politiker, die Wirtschaftsvertreter haben das so aufgenommen und haben sogar Roadmaps erarbeitet. Und wir als bürgerliche Gesellschaft, als Zivilgesellschaft, wir versuchen hier natürlich einen Teil der Gesellschaft, sprich 50 Prozent der Gesellschaft, zu unterstützen, die Frauen – im privaten und im öffentlichen Bereich.
Lange: Roadmaps sind natürlich auch Papier, was beschriftet ist, was umgesetzt werden muss. Wir haben auch schon viele Roadmaps gesehen, die nie realisiert worden sind. Sie sind da optimistischer?
Haifa Al Kaylani: Ich habe am Montag wirklich gesehen, dass es dort exzellente Minister gab aus all diesen Ländern, die deutlich gemacht haben, dass sie diese Reformen durchführen möchten – Zugang zu Finanzen, makroökonomische Reformen, Verbesserung des Arbeitsmarktes, Verringerung der Rolle der Regierung.
Denn Sie müssen wissen, dass es in unserer Region ein Handicap gibt, und zwar seit mehreren Jahren, nämlich dass es nur einen ganz, ganz kleinen Privatsektor gibt, aber einen immensen öffentlichen Sektor, der kostspielig ist und ineffektiv ist.
Hier ist nun das Bestreben, dies zu verändern, um einen lebendigeren, dynamischeren Privatsektor zu entwickeln – auch mit Hilfe von Frauen, die einen aktiven Beitrag leisten. Das Thema Transparenz, Offenheit ist entscheidend in allen neuen Regierungen und auch bei allen neuen Führungspersönlichkeiten, die wir nun in der Region haben. Das ist zweifelsohne so.
Lange: Frau Al Kaylani, herzlichen Dank für dieses Gespräch.