Netzwerken allein reicht nicht
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Angela Merkel war zu Gast beim Frauennetzwerktreffen in Dresden. Susanne Köhler ist Vorsitzende des Landesfrauenrates und hat die Veranstaltung besucht. Für eine paritätisch organisierte Gesellschaft müssen politische Lösungen her, findet Köhler.
Ute Welty: Wie steht es um die Frauen in Sachsen? Offensichtlich hat sich die Bundeskanzlerin die Sache aus nächster Nähe anschauen wollen. Angela Merkel jedenfalls dürfte die prominenteste Besucherin beim Frauennetzwerktreffen in Dresden gewesen sein. Rechtsanwältin Susanne Köhler war auch dabei als Vorsitzende des Landesfrauenrates Sachsen. Der Besuch der Kanzlerin war nicht nur der Sache der Frauen geschuldet, sondern auch der Landtagswahl in Sachsen am 1. September. Inwieweit ist Gleichberechtigung tatsächlich Wahlkampfthema?
Köhler: Da gibt es sicherlich Ansatzpunkte in der Ansprache von Frau Merkel, wobei es oft hieß: Man muss sich auch mit gemeint fühlen. Sie sprach von dem Ziel, dass in allen Lebensbereichen die Geschlechter paritätisch vertreten sein sollen. Wenn man es sich auf der Zunge zergehen lässt – Sie haben die Landtagswahl angesprochen – wäre es schick, wenn wir ähnlich viele Frauen auf den Listen hätten, ähnlich viele Frauen wie Männer als Direktkandidatinnen, um dann zum Beispiel auch eine paritätische Besetzung im Landtag zu haben.
Nachholbedarf beim Thema Gleichstellung ist immens
Welty: Das ist noch lange nicht so weit, oder?
Köhler: Nein, das ist ganz sicherlich nicht so. Teile der Parteien – das ist sicherlich bekannt –, machen schon eine paritätische Besetzung, insoweit sie immer wechselnd eine Frau und einen Mann auf die Listen setzen. In diesem Jahr trifft das auch auf die CDU zu, die die ersten 20 Plätze so besetzt. Ich spreche das Thema immer offen an. Die Frage der Direktkandidatur ist da völlig ausgeblendet.
Welty: Wo sehen Sie in Sachsen generell Nachholbedarf in Sachen Gleichstellung, 30 Jahre nach dem Mauerfall?
Köhler: Da könnte ich Ihnen die Sendung sprengen, aber fangen wir klein an. Ganz aktuell ist das Gleichstellungsgesetz. Auch der Staat oder hier das Land darf als Arbeitgebender Vorrang und Vorreiter sein. Und das Gleichstellungsgesetz, an dem wir als Landesfrauenrat aktiv mitgearbeitet haben, ist nicht gekommen. Obwohl wir einen deutlichen Überhang von weiblichen Beschäftigten haben und auch Frauen in den mittleren und vor allen Dingen höheren und oberen Führungspositionen vertreten sind. Wir wollen eine Arbeitsplatzgestaltung, die auch frauenfreundlich ist, dass etwa für alleinerziehende Frauen Arbeitszeiten günstig sind. Das geht bis zur Fortbildung und zu Aufstiegsmöglichkeiten, um nur ein Beispiel zu nennen.
Welty: Glaubt man dem Klischee, ist zu DDR-Zeiten Etliches besser gelaufen zwischen Frauen und Männern. War das tatsächlich so, oder ist das eher nostalgisch?
Köhler: Ich habe mal einen interessanten Vortrag in Berlin gehalten. Dafür habe ich mich auch auf diese Frage vorbereiten müssen, und da habe ich das Wort der zweiten Schicht kennengelernt. Nämlich dass es unbestritten war, dass Frauen sehr beschäftigt waren, dass die Arbeitsverhältnisse auch wirklich von Frauen gut mitbesetzt waren. Aber es gab die zweite Schicht, das heißt, die Hausarbeit, die Pflegearbeit, die Betreuungsarbeit der Kinder. Und die hing auch zu ganz, ganz großem Teil an Frauen. Und auch, wenn man zum Beispiel ins Politbüro schaute, konnte man die Frauen suchen und fand sie nicht.
Politische Lösungen beim Thema Altersarmut und Alleinerziehende
Welty: Bei welchen Themen ist die Politik gefordert? Und wo reicht es womöglich, wenn sich starke Frauen gegenseitig unterstützen?
Köhler: Sicher ist sie gefordert bei Themen wie Alleinerziehende, da hauptsächlich Frauen nach wie vor die Alleinerziehende sind. Dort müsste ganz sicher was passieren. Es muss auch etwas bei der Vermeidung der Altersarmut für Frauen passieren. Da können wir noch so starke Frauennetzwerke haben. Ich verweise da zum Beispiel auf das Thema DDR-Geschiedene, die ja auch hier eine riesige Rentenlücke haben. Wir warten schon lange auf einen Fonds, um diese Ungerechtigkeit abzuändern.
Welty: Inwieweit netzwerken Frauen wirklich anders als Männer?
Köhler: Das ist eine interessante Frage, die ich mir auch immer wieder stelle. Ja, sie netzwerken tatsächlich anders, wenn man Studien liest. Es wird immer wieder gesagt, dass Frauen insoweit anders netzwerken, als dass sie sowohl die Gebenden sein wollen als die Nehmenden. Und dass sie auch anders netzwerken, weil sie andere Dinge besprechen oder anders herangehen.
Anders netzwerken muss ja deswegen nicht falsch sein. Wir wollen auch nicht – und das hat die Kanzlerin gestern ganz richtig gesagt –, wir können auch nicht hingehen und Frauen in Arbeitsplätze pressen, in die sie nicht passen, sondern wir müssen die Lebensverhältnisse so anpassen, dass eine entsprechende paritätische Besetzung von Frauen in allen Lebensbereichen besteht.
Welty: Was wünschen Sie sich für Sachsen und womöglich auch für den Rest der Republik? Weniger nörgelnde Männer, die sich zu Pegida verirren?
Köhler: Ja! Das war sehr gut! Viele Wünsche gehen in diese Richtung. Ich finde es auch wichtig, dass die Einstellung sich grundsätzlich ändert. Ich will den Männern nichts wegnehmen, wenn ich sage, ich möchte paritätische Verhältnisse. Wir hätten schon diese Verhältnisse, würden wir Frauen gleich fördern.
Ich bin gestern leider nicht zu den Fragenden (an Angela Merkel) gekommen. Sonst hätte ich gefragt, warum es auf Bundes- und auf Landesebene nicht möglich ist, sogenanntes Gender-Budgeting durchzuführen. Also ein Haushalten, bei dem ich schaue, ob ich unmittelbar oder mittelbar durch bestimmte Art des Haushaltens eher Männer als Frauen fördere.
Merkels Partei steht nicht für progressive Gleichstellungspolitik
Welty: Fühlen Sie sich von der Kanzlerin ausreichend vertreten?
Köhler: Nein, eigentlich nicht. Wir sind sehr, sehr froh, dass wir eine Bundeskanzlerin haben. Alleine dadurch nutzen viele eine andere Sprache, weil sie von der Bundeskanzlerin sprechen. Ansonsten ist uns aus dem Kreis der feministischen Sicht bekannt, dass da wenig Förderung war. Das war mit der Frage Quote in Führungspositionen ähnlich. Auf der anderen Seite müssen wir auch sagen: Die Partei, die hinter Frau Merkel steht, ist nicht dafür bekannt, dass sie neue Wege gehen will.
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