Pieke Biermann, Jahrgang 1950, lebt und arbeitet als freie Schriftstellerin, Übersetzerin und Journalistin in Berlin.
Kellyanne Conway hat kein Problem
Männliche Maulhelden sind erschreckend erfolgreich, meint die Schriftstellerin Pieke Biermann: Frauen sollten sich an ihnen kein Beispiel nehmen, sondern auf selbst errichtete Barrieren pfeifen − wie kürzlich Kellyanne Conway, die Beraterin des US-Präsidenten.
Seit im Weißen Haus ein Rumpelstolz die Messlatte legt, ist "inkompetent" das neue "hochqualifiziert", regiert die normative Kraft des Fakeischen. Für wirklich Kompetente und Qualifizierte heißt das Stress pur, etwa so wie ein Pokalmatch zwischen dem FC Bayern und Klein-Ballwitz an der Liga. Für mit allen zynischen Wassern gewaschene Querköpfe folgt daraus das Gegenteil: Prima! Paradiesische Bedingungen für Frauen!
Männer dank Inkompetenz in höchsten Positionen
Sind wir nicht das inkompetente Geschlecht per definitionem? Haben wir nicht jahrhundertelang bei praktisch jedem geldbewehrten Arbeitsplatz jenseits der Haushaltswände immer erstmal gehört, wir seien dafür "von Natur aus" nicht geeignet?
Hat nicht noch 2005 ein Wahlverlierer, der sich gerade mal sieben Jahre im Amt halten konnte, der Wahlsiegerin hinterhergetönt: "Sie kann's nicht"? Seitdem, also fast doppelt so lange, ist Merkel sowohl Bundeskanzler wie Frau und hat ausgesprochen gekonnt eine ganze putschlustige Männerriege selbstgefühlter Kompetenzbiester versenkt.
Können Frauen also jetzt auf Vollbeschäftigung auch in üppig dotierten Jobs hoffen?
Nö! Just dieser Tage wurde wieder mal publik, dass echte Machtpositionen noch immer durch bruchfeste "gläserne Decken" gegen Weiberstürme gesichert werden. Auch weiter unten sind die Lord-Pfründles-Bewahrer ja nicht verschwunden, auch durch Redaktions-, Gewerkschafts-, Uniräume wabert noch mehr oder weniger subtil die Botschaft: "Du, Frau, gehörst hier eigentlich nicht her, jedenfalls nicht so wie ich."
Achten Sie mal drauf: Über wessen Witze wird gelacht? Wer wird zitiert, wer überhört, unterschätzt? Männer müssen so was gar nicht böse meinen, nicht mal merken. Aber Frauen haben feine Antennen dafür, dass ihnen da immer die Position des Opfers winkt. Das muss man erstmal aushalten, mental bis psychosomatisch.
Sind also gar nicht "die Männer" schuld, sondern "die Frauen" bloß zu empfindlich? Es gibt doch hier und da barrierefreie, aber durchaus nicht karrierefreie Plätzchen – sind Frauen womöglich zu blöd, die zu nutzen? Noch mal: Nö! Sie sind auch weder zu faul noch zu feige, um selbstbewusst über Positionen und Gehälter zu verhandeln. Frauen sind einfach nur zu lange gewohnt, umsonst zu arbeiten, unöffentlich und am besten unsichtbar, und das für "ihre Natur" zu halten, also – psychologisch gesprochen – Performance und Person als identisch zu empfinden.
Frau muss das Huren-Stigma überwinden
Keine gute Ausgangslage für verhandlungsstarkes Selbstwertgefühl. Männer lernen schon als kleine Jungs sich anzupreisen – lassen wir hier mal offen, wie gut andauernder Konkurrenzdrill wirklich tut. Frauen lernen schon als kleine Mädchen, dass für sie Sich-Anpreisen unanständig ist. Wer als Frau zwischen sich und eine Leistung ein Preisschild schiebt, gilt mindestens als geldgeile Schlampe. So tief wirkt das Huren-Stigma noch immer – in Frauen und Männern. Gerade da, wo kein Sex gedealt wird.
Und damit zurück ins Weiße Haus, zu einer Frau, die gerade aller Welt vor Augen führt, was für ein lächerlicher Fake das ganze Huren-Stigma in Wahrheit ist, indem sie öffentlich darauf pfeift. Kellyanne Conway heißt sie, ihre Performance ist "as slut as slut can be" – blonde Mähne, Plastikgesicht, figurbetonte Klamotten und mit Highheels und leicht klaffenden Schenkeln aufs Sofa ...
Nicht dass man so hochqualifiziert inkompetent sein möchte wie Trumps Beraterin oder gar ihren Job haben möchte. Aber wir wären alle einen Schritt weiter, wenn wir auch mit dieser Art Chuzpe auf unsere Barrieren schlicht pfeifen würden.