Schraubenschlüssel statt Schminkkoffer
Die Lady Mechanics Initiative in Lagos zeigt jungen Nigerianerinnen, wie sie in klassischen Männerberufen etwas werden können. Für die Ausbildung als KfZ-Mechanikerin bekommen sie einen zwar schmalen Lohn, dafür aber eine Berufsperspektive.
Wo ist er denn jetzt, der Schraubenschlüssel? Natascha Oko öffnet Schublade um Schublade eines Werkzeugschranks. Sie braucht den Schlüssel für die Radmuttern.
"It has a break problem, we are checking on the break parts."
Die Bremsen des silbernen Toyota-Geländewagens sind kaputt. Der Besitzer hat ihn gestern hier in der Werkstatt abgestellt. Rückwärts eingeparkt steht er neben anderen in einem Hof, im Südosten von Lagos. Draußen wuselt der Markt und drinnen fehlt der Schraubenschlüssel.
"This is a wheel spanner."
Da ist er, in der vorletzten Schublade. Jetzt holt die Auszubildende noch den Wagenheber aus einer Ecke, hebt den Toyota an, beugt sich runter und löst nacheinander die Radmuttern, um an die Bremse heranzukommen.
"I'm 24, I'm a single parent."
Natascha, die ihre Haare geflochten trägt, ist 24 und Mutter eines Sechsjährigen.
"His name is Jabaari."
Der Vater hat die beiden sitzengelassen. Allein, jung und arm – aber dann hat sie von diesem Projekt, der "Lady Mechanic Initiative", gehört, weit weg von Lagos.
Motoröl und Werkzeug, statt Perlen und Haare schneiden
"I was in Mali, Bamako, bevor I heard of this Lady Mechanic - Ich war in Mali, in Bamako. In einer Werkstatt zu arbeiten, fand meine Mutter übrigens furchtbar. Wenn es nach ihr gegangen wäre, würde ich was mit Perlen machen, oder Haare schneiden. Aber das interessiert mich nicht, ich will was machen, was Frauen eigentlich nicht machen."
Seit neun Monaten löst sie hier Schrauben, wechselt Reifen, ersetzt Glühbirnen, lernt, wie Autos wieder fahrtüchtig werden können.
"We resume at eight o'clock and we close at five o'clock, one hour lunch."
Von acht Uhr morgens bis fünf am Nachmittag, darin eine Stunde Mittagspause, montags bis freitags, das sind ihre Arbeitstage. Anders als in vielen anderen Unternehmen muss sie hier für ihre Ausbildung nichts zahlen. Sie bekommt einen Lohn, der allerdings sehr schmal ist – umgerechnet etwa 45 Euro im Monat.
"Mit dem Gewinn zahle ich meine Miete"
"Das Geld, das ich hier verdiene, nutze ich, um Kleidung zu kaufen und wieder zu verkaufen. Alles am Wochenende. Mit dem Gewinn zahle ich meine Miete."
Wer eine Mimik für "Stolz" sucht, findet ihn in diesem Moment auf Nataschas Gesicht. Oder auf dem von Sandra, der Gründerin der Initiative. Sandra führt gerade Daniela aus Deutschland durch die Werkstatt, Daniela Schadt. Die Lebensgefährtin Joachim Gaucks bekommt einen blauen Overall umgehängt, wie alle Schrauberinnen hier, man gibt ihr einen Schraubenschlüssel in die Hand und dann soll sie zeigen, ob sie das hinbekommt mit der fest sitzenden Schraube an einem Motorblock.
Ein Projekt, das ohne viel Aufwand sehr viel erreicht
"Oh man, action!"
Schadt packt kräftig zu, die Schraube gibt nach.
"Soweit man das natürlich sagen kann bei einem kurzen Besuch, ist das ein Projekt, das ohne allzu großen Aufwand wirklich sehr viel erreicht. Und diese Kombination ist nicht nur ausgesprochen ungewöhnlich, dass man Frauen zu Automechanikern ausbildet, die, wie man sehen konnte, wenn man hier durch die Stadt fährt, sehr wohl gebraucht werden. Sie bilden aus und dann stehen praktisch schon Autofirmen vor der Tür und sagen: Wir brauchen Mechaniker, habt ihr welche für uns?"
800 Frauen bildeten sie gleichzeitig aus, erzählen die Organisatoren, über Nigeria verteilt. Die Warteliste sei lang.
Natascha, die 24-Jährige aus Mali, macht inzwischen einen Ölwechsel. Mit einem Metallstab holt sie einige Tropfen alten Öls aus dem Motor des Geländewagens, verreibt sie zwischen Daumen und Zeigefinger, riecht daran.
"It smells like rost, it smells bad. And it's black."
Farbe schwarz, Geruch rostig, der Wagen bekommt frisches Motoröl. Die Ausbildung Nataschas läuft noch gut zwei Jahre. Und dann?
"Ich mache meine eigene Lady-Werkstatt auf. Natürlich in Mali."
Und schiebt noch dies hinterher: Was ein Mann tun kann, kann eine Frau noch besser machen. Und dabei hat sie denselben Gesichtsausdruck wie vorhin: sehr stolz.